– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Kaeser,
sehr geehrter Herr Snabe,
sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Andrea Lammers. Ich bin Honduras-Referentin des Ökumenischen Büros für Frieden und Gerechtigkeit hier in München.
In seinen Nachhaltigkeitsinformationen 2018 stellt Siemens fest, ich zitiere:
„Im Kontext großer Infrastrukturprojekte wird offensichtlich, dass Menschenrechte indigener und besonders schutzbedürftiger Gemeinschaften […] potenziell dem Risiko nachteiliger Einwirkungen ausgesetzt sind.“
Diese Erkenntnis kommt etwas spät und zu einem Zeitpunkt da indigene Rechte international eher ausgehebelt als gestärkt werden. Wenn Sie also wenigstens in Zukunft die möglichen „nachteiligen Einwirkungen“ auf indigene und besonders schutzbedürftigen Gemeinschaften wirklich ernst nehmen und sie verhindern wollen, dann müssten Sie in erster Linie die Rechte dieser Gemeinschaften höher achten und sie schützen helfen.
Und hier möchte ich auf Ihre Antwort auf meine Frage vom vergangenen Jahr zurückkommen, Herr Kaeser: Sie sagten, Siemens könne die ILO-Konvention 169 – also das Recht indigener Gemeinschaften auf vorherige, freie und informierte Konsultation – nicht in seine Compliance-Richtlinien aufnehmen, weil die Bundesrepublik Deutschland die Konvention nicht ratifiziert habe. Wir finden das Argument wenig überzeugend, denn es geht ja um die Geschäftstätigkeit von Siemens (und die der Siemens-Geschäftspartner) im Ausland. Die Allianz mit Sitz in München konnte die ILO-Konvention 169, soweit wir wissen, sehr wohl in ihre Compliance-Richtlinien aufnehmen. Herr Diekmann kann dazu sicherlich auch aus juristischer Perspektive etwas sagen. Entscheidend wäre aber auch hier natürlich die praktische Umsetzung, zu der ganz wesentlich ein Veto-Recht der indigenen Gemeinden gehören muss. Dazu könnten Sie, wenn Sie wollten, als Teil des dreigliedrigen Systems der Internationen Arbeitsorganisation Wichtiges beitragen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist das Transparenzgebot. Leider kann ich Ihnen und uns nicht ersparen, hier noch einmal auf den Mord an Berta Cáceres und weitere Gegner des Wasserkraftwerks Agua Zarca zurückzukommen. Denn, in der Tat, die genannten „nachteiligen Einwirkungen“, bestehen für Umwelt- und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger sehr oft darin, dass ihre Gemeinschaften terrorisiert, gespalten und ihre Führungsfiguren ermordet werden.
Auf den Siemens-Webseiten weltweit gibt es nun unter der Rubrik Nachhaltigkeit – Menschenrechte einen Vermerk zur Causa Berta Cáceres, der das absolute Gegenteil von Transparenz darstellt. Dort steht, ich zitiere: „Große Infrastrukturprojekte beziehungsweise daran beteiligte Unternehmen werden manchmal in Zusammenhang mit Anschuldigungen in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen gebracht. Im Sinne der Transparenz nehmen wir Stellung zu diesen Anschuldigungen.“
Dann folgt ein Foto eines Plakats einer honduranischen Frauenorganisation mit einem Porträt von Berta Cáceres. Und ein Text zu „Agua Zarca“, der besagt, Siemens habe mit „wachsender Sorge“ verfolgt, wie „Spannungen im Land“ zunahmen. In Reaktion auf diese Entwicklungen habe Voith Hydro 2016 seine Lieferungen und 2017 den Vertrag beendigt. Man verurteile „Gewalt von allen Seiten“ und befürworte die strafrechtlichen Ermittlungen der Behörden vor Ort. Kein Wort darüber, worum es ging. Kein Wort von einem Mord. Ist Berta Cáceres etwa an „wachsenden Spannungen“ gestorben? Warum wohl gibt es strafrechtliche Ermittlungen und inzwischen auch ein erstes Urteil? Gegen wen? Kein Wort über den Zusammenhang mit dem honduranischen Vertragspartner von Voith Hydro, der DESA.
Wenn dieses textliche Meisterstück an Verleugnung und Verschleierung Ihr Beitrag zur Umsetzung von Transparenz in Menschenrechtsfragen ist, dann muss einem bei allen formalen Verbesserungen beim Risiko Assessment, die Sie inzwischen aufs Papier gebracht haben, wirklich bange sein. Bezeichnend auch, dass Kolumbien und Mexiko bei Ihren Beispielen „problematischer Fälle“ gar nicht vorkommen.
Da Siemens ja in Anspruch nimmt, auch von seinen Geschäftspartnern weltweit Übereinstimmung mit bestimmten menschenrechtlichen Leitlinien zu erwarten, haben ich abschließend allerdings noch eine Frage zu Honduras:
Beteiligt sich Siemens in irgendeiner Form an Zulieferungen für den neuen internationalen Flughafen Palmerola?
Das würde ja möglicherweise nahe liegen, da Siemens eine enge Zusammenarbeit mit der Münchner Flughafengesellschaft verbindet, die dort involviert ist. Falls also ein solches Engagement im Gang oder geplant ist, würden wir gerne wissen, wie Siemens
- das Verhalten des (potentiellen) Geschäftspartners, Lenir Perez, dem die honduranische Flughafengesellschaft PIA gehört, unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten einschätzt und
- wie Siemens Korruptions- und weitere legale Risiken einer solchen Zusammenarbeit mit PIA/EMCO in einem Projekt einschätzt, das überdies zu den Public-Private-Partnership-Projekten der umstrittenen honduranischen APP zählt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.