Rede von Tomás Gómez Membreño

Sehr geehrte Damen und Herren des Vorstandes und des Aufsichtsrates,
Herr Kaeser, Herr Dr. Cromme,
sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre,

mein Name ist Tomás Gómez Membreño, ich bin Generalkoordinator des Rates sozialer und indigener Organisationen von Honduras (COPINH).

Ich wurde zum Interims-Koordinator von COPINH gewählt, nachdem unsere Generalkoordinatorin, Berta Cáceres am 2. März 2016 brutal ermordet wurde.

Kurz vor Mitternacht drangen Bewaffnete in ihr Wohnhaus in La Esperanza- Intibucá ein und erschossen sie. Es gibt überzeugende Beweise dafür, dass das Mordkommando enge Verbindungen zur Firma Desarrollos Energéticos (DESA) hat. Wie Sie wissen, ist die DESA Vertragspartnerin des Siemens-Joint-Ventures Voith Hydro. Voith Hydro hat einen Vertrag mit der DESA über die Lieferung von Turbinen und technischem Material für das Wasserkraftwerk Agua Zarca im Westen meines Landes abgeschlossen. Derzeit sind zwei mit der DESA verbundene Personen in Untersuchungshaft: einer der DESA- Geschäftsführer, Sergio Rodríguez, und der ehemalige Sicherheitschef der DESA, Douglas Geovany Bustillo. Sie werden beschuldigt, an dem Mordkomplott gegen Berta Cáceres beteiligt gewesen zu sein.

In bereits drei Hauptversammlungen hier an diesem Ort wurden Sie auf die illegalen Machenschaften und die schweren Menschenrechtsverletzungen in Bezug auf das Projekt Agua Zarca hingewiesen. Sie wurden mit der Forderung konfrontiert, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten einzuhalten und in der Konsequenz auf Voith Hydro einzuwirken, damit ihr Joint-Venture sich definitiv aus dem Projekt zurückzieht.

Ende 2015 und dann nochmals bei der Hauptversammlung 2016 haben wir Sie eindringlich darauf aufmerksam gemacht, dass vor Ort Todeslisten mit Namen von Leitungspersonen des COPINH und Gegner*innen des Projektes Agua Zarca kursierten. Sechs Wochen später wurde Berta Cáceres ermordet.

Das Wasserkraftwerk Agua Zarca wird uns als Projekt für “saubere”, “grüne” Energie dargestellt, dabei ist es das pure Gegenteil: Die Elektrizität aus derlei Projekten wird für Tagebau-Projekte verwendet oder in das interkontinentale Stromnetz SIEPAC eingespeist.

Aus unserer Sicht als indigene Bevölkerung der Lenca tragen solche Projekte überhaupt nichts zur Entwicklung unserer Gemeinden bei. Im Gegenteil: Sie bedrohen unsere Territorien, unsere Kosmovision und Spiritualität.

Dies war stets die Botschaft unserer compañera Berta Cáceres und deswegen wurde sie ermordet.

Dadurch, dass Sie nicht gehandelt haben, Herr Kaeser, Damen und Herren des Vorstandes, haben Sie sich zu Komplizen des Mordes an Berta Cáceres gemacht, eines Verbrechens, das in unserem Land aber auch international enorme Erschütterung ausgelöst hat. Und vergessen wir nicht: Sie tragen durch ihr Nicht-Handeln auch eine Mitverantwortung für die Morde an indigenen Gemeindeanführern und jungen Leuten aus dem Gemeindebezirk Rio Blanco, die sich dem Kraftwerksprojekt widersetzt haben.

Wir sagen Ihnen noch einmal: Die Lizenz für Agua Zarca wurde 2010 auf illegale Weise erteilt, ohne vorherige frei und informierte Konsultation der Gemeinden, entgegen den internationalen Richtlinien für indigene Völker. Der ehemalige honduranische Umweltminister Jonathan Laínez ist derzeit in Untersuchungshaft wegen der illegalen Genehmigung des Projektes. Er wird des Amtsmissbrauchs, der Bestechlichkeit, Vorteilsnahme und politischen Einflussnahme beschuldigt.  Auch sein Nachfolger, der auf illegale Weise die Veränderung des Projektes und die Verlegung auf die andere Flussseite autorisierte, befindet sich in U-Haft. Gerade auch über die illegalen Machenschaften bezüglich der Umweltverträglichkeitsprüfungen und Genehmigungen für das Projekt habe ich die Herren von Investor Relations hier in München in der Zentrale der Siemens AG 2015 persönlich informiert.

Sie jedoch, Herr Kaeser, meine Damen und Herren, haben jahrelang versucht, Ihrer Verantwortung auszuweichen. Währenddessen waren und sind wir der Repressionen durch den Staat und durch private Unternehmen, honduranische ebenso wie transnationale, ausgesetzt. Sie machen sich zu Komplizen unserer Kriminalisierung und der Ermordung von Führungspersonen des COPINH und unserer Gemeinden.

Persönlich habe ich bis heute mehrere Angriffe auf mein Leben überlebt. Das jüngste Attentat auf mich war am 6. Oktober vergangenen Jahres.

Meine Damen und Herren Aktionäre, wir rufen Sie auf: Unterstützen Sie mit Ihrem Einfluss und Ihrer Stimme unsere Forderung den Mord an Berta Cáceres umfassend aufzuklären. Fordern Sie, dass die Auftraggeber dieses Verbrechens gegen die Menschlichkeit ermittelt und bestraft werden.

Sie, Herr Kaeser, fragen wir:

  1. Hat Siemens Maßnahmen ergriffen, um angesichts der Menschenrechtsverletzungen in Bezug auf das Projekt Agua Zarca auf Voith Hydro einzuwirken? Falls ja, welche konkreten Maßnahmen waren das und wann wurden sie getätigt?
  2. Was werden sie in Zukunft tun, um einer Verwicklung in ähnlich menschenrechtsverletzende und illegale Projekte vorzubeugen?
  3. Wann wird Siemens-Voith Hydro sich definitiv aus dem Projekt zurückziehen?

Wir bitten Sie um eine Antwort hier im Rahmen der Hauptversammlung, aber auch in schriftlicher, öffentlicher Form, in der Sie die Verantwortlichkeit von Siemens darstellen und den definitiven Rückzug von Voith Hydro aus dem Projekt bestätigen.

Wir fordern, dass Siemens seinen Ruf nicht weiter mit dem Blut von Morden und Auslöschungsversuchen unserer indigenen Lenca-Gemeinden befleckt.

Im Namen von COPINH danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

(Übersetzung: Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V., München)

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