“Vollgas in die Krise“: NGOs fordern Kurswechsel statt Lippenbekenntnissen von Siemens

  • Festhalten am fossilen Geschäftsmodell nicht zukunftsfähig
  • Siemens‘ Gaskraftwerk in Israel gegen Regierungsbeschluss weiter geplant
  • Siemens finanziert Öl- und Gasfirmen mit Millionen

Man habe dazugelernt aus dem Adani-Desaster, versichern Siemens-Chef Joe Kaeser und dessen designierter Nachfolger Roland Busch im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens. Man muss aber nicht tief graben, um Zweifel an dieser Behauptung der Konzernlenker zu bekommen: Trotz Abspaltung der Kraftwerkssparte finanziert der Finanzarm von Siemens Unternehmen, die in riesige Gas- und Ölprojekte im östlichen Mittelmeerraum und in den USA involviert sind. Einen Tag vor der Hauptversammlung von Siemens fordern der Dachverband der Kritischen Aktionär*innen und die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald den Konzern auf, endlich ehrlich und konsequent aus fossilen Energieträgern auszusteigen.

„Siemens bleibt in der fossilen Vergangenheit verhaftet, die nicht nur in der EU sondern nun auch wieder in den USA unter Druck gerät. Das ist nicht zukunftsfähig“, erklärt Regine Richter, Energiecampaignerin der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald.

Umstrittenes Siemens Gaskraftwerk in Israel wird vorerst weiter geplant
Siemens ist einer der drei Anteilseigner des geplanten „Reindeer Station“-Gaskraftwerks in Israel. Das Kraftwerk soll gegen massive Proteste von 18 benachbarten israelischen und palästinensischen Gemeinden unweit der Green Line, die das palästinensische Westjordanland von Israel trennt, gebaut werden. Es wäre Israels größtes privates Stromkraftwerk und würde die Region für Jahrzehnte auf einen fossilen Pfad festlegen, obwohl es in Israel großes Potenzial für erneuerbare Energien gibt.

Im Oktober 2020 hatte die israelische Regierung beschlossen, keine Genehmigungen mehr für private Unternehmen zum Bau von neuen Gaskraftwerken auszustellen und stattdessen erneuerbare Energien massiv auszubauen. Den betroffenen Gemeinden war mitgeteilt worden, dass dies das Ende für das Reindeer-Gaskraftwerk bedeutete. Nun jedoch ist das Projekt im Planungsprozess einen Schritt weitergekommen, nachdem das Infrastruktur-Komitee grünes Licht gegeben hatte. Oshrat Gonen, Bürgermeisterin des Süd Sharon Regionalrats ist erzürnt: „Unser Kampf gegen das Reindeer Gaskraftwerk geht weiter. Es ist empörend, dass Siemens weiter involviert ist und an dem Projekt festhält, das der früheren Regierungsentscheidung so klar zuwiderläuft.“ Die betroffenen Gemeinden haben in einem Brief an Ministerpräsident Netanjahu scharf gegen die weiteren Planungen protestiert

Siemens finanziert Öl- und Gasfirmen
Wie sehr der Siemens-Konzern nach wie vor auf fossile Energien setzt, zeigen auch Finanzierungen durch die firmeneigene Finanzgesellschaft Siemens Financial Services. Eine Recherche zum NGO-Bericht „Five Years Lost“ fand Unterstützung vor allem für zwei Öl- und Gasfirmen: Kinder Morgan und IGI Poseidon

Kinder Morgan
So ist Siemens Financial Services mit USD 80 Millionen an einem Kredit für die  Pipeline-Firma Kinder Morgan beteiligt, einem der führenden Pipeline-Hersteller und Öl- und Gasinfrastruktur-Spezialisten in Nord Amerika. Zu Kinder Morgans wichtigsten Pipelineprojekten gehört die Trans Mountain Pipeline in Kanada, die  vor allem wegen potenziell schweren Umweltschäden und der Verletzung von Rechten indigener Gemeinschaften massiv kritisiert wird. Kinder Morgan ist auch maßgeblicher Infrastrukturlieferant für Bohr- und Fracking-Projekte im Permian Basin im Süden der USA, die laut Berechnung für den Five Years Lost-Report zu 64 Gigatonnen zu erwartender CO2-Emissionen führen werden und damit zu den emissionsreichsten fossilen Projekten unserer Zeit gehören.
 
IGI Poseidon
IGI Poseidon ist eine weitere Firma, die Siemens Financial Services unterstützt. IGI Poseidon ist ein Zusammenschluss von zwei Energiefirmen, der italienischen Edison und der griechischen DEPA und der Hauptakteur hinter der geplanten EastMed Pipeline. Diese soll über 1900 km Gas aus israelischen und zyprischen Gasfeldern nach Italien bringen und damit die Erschließung der Gasfelder vorwärtstreiben. Laut dem 2020 Production Gap Bericht von UNEP muss, statt neue fossile Energiequellen zu erschließen, die Produktion fossiler Energien bis 2030 um jährlich sechs Prozent verringert werden, wenn die Pariser Klimaziele erreicht werden sollen. Siemens Financial Services hält Anleihen der Firma IGI Poseidon in Höhe von USD 7 Millionen (Stand August 2020).


Kontakt:

Jacey Bingler | Media Coordinator Urgewald
jacey[at]urgewald.org, +49 175 521 7571

Regine Richter | Finance Campaigner Urgewald
regine[at]urgewald.org, +49 170 293 0725

Gidon Bromberg | Israeli Director EcoPeace Middle East
gidon[at]ecopeaceme.org +972 3 5605383

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