– Es gilt das gesprochene Wort. –
Sehr geehrte Damen und Herren vom Vorstand und Aufsichtsrat,
werte Aktionäre und Aktionärinnen,
mein Name ist Kathrin Petz und ich spreche hier heute für die Menschenrechtsorganisation urgewald, die Teil der Kritischen Aktionär*innen ist.
Projektfortschritte bei Aufträgen – geringer als erwartet, Gesamtkosten – höher als erwartet, Umsatz – geringer als erwartet, zudem ein ungünstiger Umsatzmix, eine negative EBIT-Marge, Risiken aus nicht erteilten Exportgenehmigungen, ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Schiffslieferungen nach Israel – deutlicher geht’s kaum: Thyssenkrupp stellt sich mit diesen Aussagen im aktuellen Geschäftsbericht selbst ein absolutes Armutszeugnis für sein Marinegeschäft aus.
Da bleibt die Frage: Warum immer weiter an diesem Pleiteprojekt festhalten? Zumal die Antworten, die der Konzern präsentiert, weiteren Ärger hervorrufen: das Zauberwort heißt Zukunftsperspektive Export – und das heißt bei Thyssenkrupp weiter ohne jeden Skrupel auch Autokraten und Despoten aufrüsten, die die Menschenrechte missachten und in Kriege involviert sind.
Gerade erst gab es grünes Licht für den Export eines Kriegsschiffs des Typs Meko 200 an Ägypten und ein weiteres soll folgen. Auch nahm ThyssenKrupp im letzten Jahr an der dreitägigen Waffenmesse EDEX in Kairo teil und pries dem Militärmachthaber Al-Sisi sein Kriegsgerät an. In Ägypten sitzen aktuell 60.000 politisch Gefangene hinter Gittern – darunter viele Journalisten und andere Menschen, weil sie die Regierung kritisieren oder die Einhaltung der Menschenrechte einfordern. Ein Löwenanteil öffentlicher Gelder versickert in dubiosen Uniformtaschen. Darüber hinaus gehört Ägypten der von Saudi- Arabien angeführten Koalition an, die seit fast vier Jahren an dem blutigen Krieg im Jemen teilnimmt und das Land dabei immer weiter in Not und Elend treibt.
Ähnliches lässt sich mit Blick auf die Türkei sagen: dorthin liefert Thyssenkrupp weiter seine Materialpakete für den Bau von U-Booten. Dass Präsident Erdogan sein Land immer weiter in Richtung Autokratie führt, die kurdische Bevölkerung im eigenen Land unterdrückt und dass das türkische Militär im vergangenen Jahr völkerrechtswidrig in Syrien einmarschiert ist, scheint bei ihrem Konzern niemanden ins Grübeln zu bringen, ob Rüstungsgeschäfte mit der Türkei noch verantwortbar sind.
Auch nicht die Tatsache, dass die Türkei bei ihren Rüstungsprojekten ganz klar das strategische Ziel verfolgt, durch einen größtmöglichen Technologietransfer mittelfristig rüstungstechnisch autonom zu werden. Dies ebenso wenig wie die Tatsache, dass sich die U-Boote bestens für die aggressive Außenpolitik Erdogans im Mittelmeer und der Ägais eignen.
Sehr geehrter Herr Kerkhoff, Thyssenkrupp hilft, Despoten in den Krisenregionen dieser Welt aufzurüsten – und schafft damit immer neue tickende Zeitbomben! Und, mit Verlaub, da ist Ihre Argumentation, dass die Bundesregierung die Exporte schließlich genehmigt habe, mehr als armselig. Jeder Mensch und jeder Konzern kann und muss sich ein Mindestmaß an eigenen moralischen Grundsätzen leisten!
Und da bleibt die Frage: Was muss eigentlich noch passieren, bis Sie einsehen, dass das Marinegeschäft mit Fokus auf den Export in Krisen- und Kriegsgebiete ein ökonomisches, politisches und v.a. menschenrechtliches Fiasko für Ihren Konzern darstellt?
Zu meinen weiteren Fragen:
- Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Herr Hiesinger hat auf der letzten Hauptversammlung auf die Frage, warum man sich nicht vom Pleiteprojekt Marine trenne, geantwortet, dass man in allen strategischen Optionen nur mit Zustimmung der Bundesregierung in der Lage sei, Veränderungen herbeizuführen. Inwiefern „zwingt“ die Bundesregierung Sie, immer neue Geschäfte mit Ägypten oder auch Israel voranzutreiben oder laufende Verträge mit der Türkei trotz sich gravierend ändernder politischer Rahmenbedingungen zu erfüllen? Bitte beantworten Sie die Frage für jedes der drei genannten Länder konkret.
- Warum haben Sie an der Rüstungsmesse in Ägypten EDEX teilgenommen, obwohl Sie um die hochproblematische Menschenrechtslage dort wissen?
- Ägypten ist in den letzten Jahren zum zweitgrößten Waffeneinkäufer des Nahen Ostens geworden. Bezahlt werden diese Rüstungskäufe größtenteils allerdings von Saudi-Arabien, das sich damit die ägyptischen Treue, z.B. im Krieg im Jemen, sichert[1]. Nach Saudi-Arabien indes dürfen aktuell seitens der Bundesregierung keine Rüstungsgüter mehr geliefert werden. Inwiefern finden Sie es unproblematisch, für ihre Rüstungsexporte auch noch indirekt vom saudischen Königshaus bezahlt zu werden?
- Der Rüstungskonzern Heckler und Koch hat eine sog. „Grüne Länder“-Strategie angekündigt, wonach nur noch in Länder geliefert werden soll, die von dem Unternehmen nach klaren Kriterien als „grün“ eingestuft werden. Damit beschränkt sich der Kundenkreis auf EU- und NATO- bzw. gleichgestellte Staaten, die zudem über rechtsstaatliche Strukturen verfügen. Länder wie Ägypten oder die Türkei dürfen demnach nicht mehr beliefert werden. Plant Thyssenkrupp eine ähnliche Bewertung einzuführen und zumindest ihre Rüstungsgeschäfte an kriegsführende Staaten, wie Ägypten zu beenden?
- Herr Kaufmann, eine Frage zum korruptionsanfälligen Israelgeschäft Ihres Hauses: Sie haben unlängst in einem Interview gesagt, dass Israel für Thyssenkrupp „ein wichtiger Partner“ sei und sie weiter „Interesse daran haben, dort Geschäfte zu machen“. Aber wenn Sie sich die lange Geschichte von Bestechung, Geldwäsche und Betrug im Zusammenhang mit ihren Israel-Geschäften angucken, sei die Frage erlaubt: Inwiefern können Sie unter den aktuellen Rahmenbedingungen garantieren, verantwortbare Geschäfte tätigen zu können?
- 2017 hat TK eine Absichtserklärung mit türkischen Partnern unterzeichnet, um sich für U-Boot-Aufträge für die indonesische Marine zu bewerben. Wie ist der aktuelle Stand des Vorhabens? Hat sich TK offiziell aus diesem Vorhaben verabschiedet? Wenn nein, warum nicht?
[1] Ägypten ist strategischer Partner Saudi-Arabiens in vielen Belangen: Kairo ist bei den harten Maßnahmen gegen das Muslimbrüder-freundliche Katar dabei, auch bei der Forderung an Teheran, sich nicht in arabischen Ländern einzumischen. Auch beim Krieg gegen die Huthis im Jemen, den Mohammed bin Salman als Verteidigungsminister verantwortet, mischt Ägypten mit.