Offener Brief an die Bundesregierung: Unsere Forderungen zur Rettung Unipers

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Habeck,
Sehr geehrter Herr Bundesminister Lindner,

mit der geplanten staatlichen Übernahme von Uniper sehen wir die Bundesregierung in der Pflicht, jetzt Einfluss auf die zukünftige Ausrichtung des Konzerns zu nehmen.

Unipers Zukunft hat weitreichende Konsequenzen für die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Energiesicherheit in Deutschland. Die staatliche Rettung von Uniper und deren enorme und weiterhin unabsehbare Kosten erfordern jetzt ein entschiedenes Handeln. Eine Rettung Unipers darf daher nicht zum politischen Nulltarif erfolgen, sondern muss an klare Bedingungen geknüpft sein. Zwar gibt es erste gute Ansätze, wie beispielsweise die angekündigte Aussetzung der Klage gegen die Niederlande auf der Basis des Energiecharta-Vertrags. Aber dies reicht bei weitem nicht aus. Nur mit einer nachhaltigen Transformation des Unternehmens, weg von Gas, Kohle und Atom, wird es möglich sein, Unipers Rettung langfristig tragfähig zu machen.

Seit Gründung von Uniper durch die Abspaltung von E.ON hat das Unternehmen keine erkennbaren Schritte unternommen, um einen tiefgreifenden Wandel des Geschäftsmodells weg von fossilen Energien umzusetzen. Stattdessen hat Uniper die enorme Abhängigkeit von russischem Gas vorangetrieben, trotz aller geopolitischen Warnungen Nord Stream 2 mitfinanziert und den Kohleausstieg verzögert. Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette für Kohle und Gas u.a. in Russland hat Uniper konsequent ignoriert. Das Unternehmen hat selbst am Vorabend des russischen Angriffskrieges die Risiken der russischen Gaslieferungen als gering eingestuft und nach Beginn des Krieges Gazprom als verlässlichen Partner für Gaslieferungen bezeichnet. Bislang gab es weder eine öffentliche Aufarbeitung des Russland-Debakels noch personelle Konsequenzen im Management.

Die energiepolitischen Fehler der letzten zwei Dekaden zeigen aktuell ihre verheerende Wirkung. Der Staat muss aktiver denn je zuvor in die Energiepolitik eingreifen und insbesondere die starke Abhängigkeit von fossilem Gas schnellstmöglich beenden. Dies gilt umso mehr für Uniper, dessen Geschäftsmodell über viele Jahre einseitig auf vermeintlich billiges russisches Gas ausgerichtet war.

Wir fordern daher:

Firmenstrategie in Einklang mit dem 1,5 Grad Klima-Limit und Biodiversitätsschutz bringen: Uniper muss einen klaren Transformationsplan erstellen, der die Firmenstrategie in Einklang mit den deutschen, europäischen und Pariser Klimazielen bringt. Dies muss einen Kohleausstieg 2030, einschließlich der Schließung des Kohlekraftwerkes Datteln IV, und einen Ausstieg aus fossilem Gas bis spätestens 2035 beinhalten. In diesem Zusammenhang muss Uniper die Ankündigung umsetzen, die Energiecharta Vertrag-Klage gegen die Niederlande endgültig zurückzuziehen. Uniper muss mehr Investitionen in die Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien tätigen, entsprechend den Zielen der Regierung, die Stromerzeugung bis 2030 auf 80 % erneuerbare Energien umzustellen und die Emissionen bis 2030 um 65 % gegenüber 1990 zu senken.

Sofort alle Gasimporte aus Russland stoppen: Das Unternehmen muss die noch bestehenden Langzeitverträge mit Gazprom offenlegen und diese aufheben. Die fortgesetzten Kriegsverbrechen Russlands machen eine Weiterführung untragbar. Diverse Vertragsverletzungen seitens Gazprom entziehen dem Verweis auf die Gültigkeit der Verträge jegliche Grundlage. Es muss öffentlich Transparenz geschaffen werden, wie viel russisches Gas Uniper derzeit noch im Rahmen bestehender Verträge erhält. Weiterhin muss Uniper Rechenschaft darüber ablegen, inwieweit das Unternehmen darüber hinaus noch russisches Gas über Pipelines oder als LNG einkauft, und dies sofort einstellen.

Kein Neubau von langfristiger LNG-Infrastruktur und Abschluss von langjährigen LNG-Lieferverträgen: Vage Versprechungen über die mögliche Umstellung auf grünen Wasserstoff bzw. dessen Derivate dürfen keine neue Erdgasinfrastruktur rechtfertigen. Uniper muss sich dazu verpflichten, bestehende fossile Infrastruktur im Einklang mit dem erneuerbaren Wasserstoffhochlauf spätestens ab 2030 umzustellen. Außerdem darf Uniper kein LNG aus dem zerstörerischen Gasprojekt Scarborough der Firma Woodside vor Westaustralien kaufen und darf sich nicht am Bau neuer permanenter LNG Terminals beteiligen. Auch ohne Unipers Beteiligung werden aktuell LNG-Terminals weit über dem erwarteten Bedarf gebaut. Stattdessen müssen alle verfügbaren Gelder in Wind- und Solarenergie und grünen Wasserstoff bzw. dessen Derivate für Industrie und andere schwer zu dekarbonisierende Sektoren investiert werden.

Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette übernehmen: Die Substitution russischer Energielieferungen darf die Probleme nicht in andere Länder mit autokratischen Regimen wie Aserbaidschan oder Saudi-Arabien verlagern. Die Lieferverträge für Kohle und Erdgas und genaue Lieferanten müssen offengelegt und Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in der Lieferkette vermieden werden. Auch die Auswirkungen von Fracking sowie die erheblichen Methanemissionen in der Lieferkette müssen hierbei berücksichtigt werden. Als staatliches Unternehmen muss Uniper nun eine Vorreiterrolle bei der Achtung umwelt- und menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten einnehmen, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen müssen.

Öffentlich aufarbeiten, wie es zur fatalen, einseitigen Abhängigkeit von russischem Gas kommen konnte: Das katastrophale Risikomanagement muss strategische und personelle Konsequenzen im Vorstand haben. Die Vorstandsgehälter müssen sich auf eine Grundvergütung beschränken. Boni der vergangenen Jahre sollten zurückgezahlt werden.

Eine angemessene Vertretung im Uniper-Aufsichtsrat durch Vertreter*innen der Bundesregierung sicherstellen: Diese müssen über die notwendige Expertise und Erfahrung verfügen, um eine Abkehr Unipers von der aktuell auf fossiles Gas ausgerichteten Unternehmensstrategie gut begleiten zu können. Die Besetzung des Aufsichtsrats muss mehrheitlich auf die anstehenden Transformationsaufgaben ausgerichtet werden.

Fossile Stromproduktion in Russland und Atomstrom in Schweden beenden: Die Kohle- und Gaskraftwerke von Unipers Tochterunternehmen Unipro in Russland sollten umgehend aufgegeben werden. Ein zeitnaher Verkauf der schwedischen Atomkraftwerke sollte in enger Kooperation mit der schwedischen Regierung angestrebt werden.

Nur wenn diese Forderungen umgesetzt werden, kann die Bundesregierung verhindern, dass die Rettung Unipers ein finanzielles Fass ohne Boden und ein klima- und sozialpolitisches Debakel wird. Wir bitten daher um ein zeitnahes Gespräch, in dem wir gerne noch weitere Hintergründe und Informationen beitragen können.

Mit freundlichen Grüßen

Tilman Massa, Co-Geschäftsführer Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe

Lisa Fischer, Programmleiterin E3G

Kathrin Gutmann, Kampagnendirektorin Europe Beyond Coal

Lutz Weischer, Politische Leitung Berlin Germanwatch

Martin Kaiser, Geschäftsführender Vorstand Greenpeace

Malte Hentschke-Kemper Stellvertretender Geschäftsführender Klima-Allianz Deutschland

Peter Fuchs, Geschäftsführender Vorstand PowerShift e.V

Heffa Schücking, Geschäftsführerin urgewald

Christoph Heinrich, Geschäftsführender Vorstand WWF Deutschland


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