Volkswagen muss Mobilitätswende aktiv gestalten, um nicht unterzugehen: Unsere Gegenanträge

Zu TOP 2, Beschlussfassung über die Gewinnverwendung der Volkswagen Aktiengesellschaft

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die von Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschlagene Verwendung des Bilanzgewinns abzulehnen.

Begründung:

Staatshilfen zur Finanzierung der Dividende statt nachhaltiger Konzernumbau? Ohne uns!

Es passt nicht zusammen: Während die Volkswagen AG im Geschäftsjahr 2020 Staatshilfen in Form von Kurzarbeitergeld für breite Teile ihrer Belegschaft erhalten und von erhöhten Kaufbeihilfen für Plug-in-Hybride und Elektroautos profitiert hat, schüttet sie eine erneut zum Vorjahr unverändert hohe Dividende aus. Eine Dividende, gesponsert von Steuerzahler*innen – gesellschaftlich verantwortliches Handeln sieht anders aus.

So tragen die Beschäftigten von Volkswagen und die Gesellschaft auch maßgeblich dazu bei, dass Volkswagen gut durch die Corona-Krise kommen konnte. Das Kurzarbeitergeld ist seit 2020 de facto steuerfinanziert und so als eine weitere staatliche Unternehmenshilfe in der Corona-Krise anzusehen. Die Leistungen wurden erhöht und Arbeitgeber-Sozialabgaben erstattet, wodurch die Bundesregierung aufgrund der hohen Nachfrage erhebliche Liquiditätshilfen für die Bundesagentur für Arbeit bereitstellen musste. Steuergelder, die eigentlich Beschäftigung sichern sollten, dienen so auch zur Finanzierung der vorgeschlagenen Dividende.

Eine langfristige, strategische und ökologische Unternehmensstrategie erfordert zudem Investitionen. Die ständige Ausschüttung von Dividenden unterwandert das. Im weltweiten Produktionsverbund wurden 2020 mit 8,9 Millionen Fahrzeugen fast 20 Prozent weniger gebaut als im Vorjahr. Der Umsatz sank um zwölf Prozent auf 223 Milliarden Euro. Das Ergebnis (Gewinn) fiel mit 8,8 Milliarden Euro nach Steuern geringer aus als 2019. Und dennoch bleiben fast 1.000 Euro Reingewinn pro verkauftes Fahrzeug für den Konzern bzw. seine Aktionär*innen. Entsprechend verhältnismäßig hoch ist die Dividende mit 4,80 Euro je Stamm- und 4,86 Euro je Vorzugsaktie.

Eine solche Vorgehensweise ist für Anleger*innen bzw. eine Anlagestrategie, die auf den langfristigen Wert des Unternehmens und nicht auf permanente Ausschüttung, sondern auf langfristige Wertsteigerung der Aktien abzielen, nicht sinnvoll. Nötig hierfür wäre eine Verpflichtung der Reinvestition von Gewinnen und ein weitgehender Verzicht auf Ausschüttung von Dividenden. Die Verpflichtung zur Reinvestition muss zumindest mittelfristig festgeschrieben werden und darf bis zur kompletten Neuaufstellung des Konzerns nicht angetastet werden. 

Zu TOP 3, Beschlussfassung über die Entlastung der im Geschäftsjahr 2020 amtierenden Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2020

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Vorstands die Entlastung zu verweigern.

Begründung:

Der Vorstand der Volkswagen AG kommt nicht hinreichend seiner Verantwortung nach, wirksamere Maßnahmen für den Klimaschutz umzusetzen und den Konzern zukunftssicher umzubauen. Die durchaus positiven Entwicklungen in Bezug auf den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor reichen nicht aus – der Konzern muss sich völlig neu aufstellen.

Ausrichtung auf Elektromobilität bei weitem nicht ausreichend – weder ökonomisch noch ökologisch

Im Nachhaltigkeitsbericht 2020 steht, dass die Volkswagen AG sich konsequent auf profitables Wachstum ausrichtet, Stichwort: „Wettbewerbsfähige Ertragskraft“. Dabei wird sich weiterhin konsequent massiv aufs Auto ausgerichtet – mit Schwerpunkt auf elektrische und elektrifizierte Pkw. Problem dabei bleiben weiterhin Fahrzeuggröße und Gewicht, SUVs waren 2020 mit 5,5 Millionen der insgesamt 13 Millionen Pkw der größte Teil der gebauten Autos.

Neben der Tatsache, dass diese Strategie, auch bei einer Ausrichtung auf Elektromobilität, aus einer rein ökologischen Perspektive eine Katastrophe ist, ist sie jedoch auch ökonomisch nicht zukunftsfähig. Hier muss zukünftig effizienter mit den für die Herstellung der Fahrzeuge und Batterien benötigten Ressourcen und der Energie umgegangen werden. Es darf weder einen Wettbewerb um die größten Reichweiten geben, noch darf mit Zertifikaten der Einsatz von fossilen Energiequellen schöngerechnet werden. Der vom Konzern eingesetzte Strom aus erneuerbaren Energien muss für diese Zwecke zugebaut werden.   

Tatsächlich ist der Absatz in allen großen Märkten bereits seit 2017 rückläufig und steht nicht mit der Corona-Krise im Zusammenhang. Die Produktion von Autos in Deutschland sank 2018 um fast 10 Prozent von 5,6 auf 5,1 Millionen, im Jahr 2019 um 8 Prozent von 5,1 auf 4,7 Millionen Fahrzeuge. Damit waren die kumulierten Rückgänge in 2018/2019 bereits größer als in den Krisenjahren 1993 und 2009.

Volkswagen muss Mobilitätswende aktiv gestalten, um nicht unterzugehen

Betrachtet man zudem das Gerichtsurteil gegen Shell, den CO2-Ausstoß bis 2030 deutlich zu verringern, und die Dynamiken, die das Urteil derzeit auslöst, weitere solcher Klagen anzustreben, werden alle halbwegs auf Langfristigkeit setzenden Investor*innen die Strategie der Konzerne mit Blick auf diese Urteile einordnen und ihre Investitionen daran orientieren. Auch in der Automobilindustrie wird es dadurch perspektivisch zu rechtlich erzwungenen, schnellen und massiven Veränderungen kommen. Darauf muss die Volkswagen AG ausgerichtet sein.

Es ist also auch aus der Perspektive langfristig denkender Aktionär*innen und VW-Mitarbeiter*innen sinnvoll, Maßnahmen in einen mutigen und zukunftsfähigen Umbau des Geschäftsmodells in Betracht zu ziehen, die zwar auf den ersten Blick Gewinne und Verantwortungsbereiche kürzen, aber für langfristige monetäre und berufliche Perspektiven sorgen und das Überleben des Konzerns in einer veränderten Mobilitätsbranche sichern.

Die Volkswagen AG braucht einen Plan für die ökologische Umgestaltung ihrer Produkte, über das (E-)Auto hinaus. Diese Umorientierung kann nur gelingen, wenn eine noch stärkere Konzentration auf die nachhaltige Ausrichtung der Produktion bspw. auch eine Konversion hin zu anderen Produkten angestrebt wird. Nach derzeitigen Schätzungen besteht in den folgenden Bereichen alternativer Produktion ein besonders hoher Bedarf, für die innerhalb des Konzerns Arbeitnehmer*innen qualifiziert und Kapazitäten aufgebaut werden müssen: Schienenfahrzeugbau, Wagon- wie Triebwagenproduktion (für S- und U-Bahnen, Straßenbahnen, Regional-, Fern- und Güterzüge) Entwicklung und Ausweitung der Produktion von E-Bus-Systemen (Oberleitung, autonom etc.), Klein- und Rufbussen, spezialisierten Nutzfahrzeugen etc. (auch für den maßvollen Export), Produktion von Cargo- und E-Bikes. Hinzu kämen die Entwicklung und der Bau von smarten Verkehrsleitsystemen sowie die Schaffung zusätzlicher Energieinfrastruktur.

Zu TOP 4, Beschlussfassung über die Entlastung der im Geschäftsjahr 2020 amtierenden Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2020

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Aufsichtsrats die Entlastung zu verweigern.

Begründung:
Der Aufsichtsrat hat es versäumt, die sozial-ökologische Umgestaltung der Volkswagen AG voranzutreiben. Dazu wären strategische Vorgaben und Anreize für den Vorstand erforderlich, damit dieser die notwendigen Maßnahmen für einen Konzernumbau einleitet.

Nachhaltiger Konzernumbau muss langfristig festgeschrieben werden

Um die Ausrichtung der Geschäftsführung in dieser Richtung zu ermöglichen, müssen zuvor eingeführte Maßnahmen zurückgenommen werden. Dazu gehört auch die Vorgaben, das Management durch Anreizmechanismen wie beispielsweise Boni und Aktienoptionen und vertragliche Verpflichtung auf die Erhöhung des Aktionärswerts (Shareholder-Value) zu verpflichten. Zudem ist es notwendig, dass der Unternehmensgegenstand neu definiert und auf nachhaltige Produktion ausgerichtet wird. Dazu sollten beispielsweise Klimaschutzziele, gerecht entlohnte Arbeit und im Allgemeinen eine Orientierung an den ‚Stakeholdern‘ des Unternehmens festgeschrieben werden.

Von Anfang an lag unser Fokus darauf, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie unser Geschäft gegen die Bedrohung durch Covid-19 zu schützen.“ So steht es in der Präambel des Nachhaltigkeitsberichtes 2020. Nimmt VW – bzw. nehmen die Aktionär*innen diese Verantwortung für die Mitarbeiter*innen über die aktuelle Pandemie hinaus ernst, nehmen sie die gesellschaftliche Spaltung ernst und die Konsequenzen die die diese mit sich bringt, müssen sie sich für oben genannten, konsequenten Umbau des Konzerns und seines Geschäftsmodells einsetzen. Nur mit einem oben beschriebenen Umbau kann die Sicherung der Arbeitsplätze langfristig gewährleistet werden. Die Notwendigkeit eines weitreichenden Umbaus ist oft bei den Mitarbeitenden schon viel stärker angekommen als beim Konzernvorstand oder gar großen Teilen der Politik.

Für Konversionsprozesse braucht es die starke Stimme der Belegschaft und das dort vorhandene Produzent*innenwissen und damit mehr Mitbestimmung für Mitarbeiter*innen als Mitbestimmung über ein nachhaltiges Zukunftsmodell. Es braucht aber auch einen Konzernvorstand, der die Notwendigkeiten erkennt und sein Handeln auf das langfristige erfolgreiche Bestehen des Konzerns ausrichtet. Ein Konzern, der auf immer mehr, immer größere und leistungsstarke Fahrzeuge für den motorisierten Individualverkehr setzt, wird den Herausforderungen, die sich im 21. Jahrhundert stellen, nicht gerecht und deshalb langfristig nicht bestehen können.

Zu TOP 10, Beschlussfassungen über die Zustimmung zu Vergleichsvereinbarungen mit dem ehemaligen Vorsitzenden des Vorstands, Professor Dr. Martin Winterkorn, und dem ehemaligen Mitglied des Vorstands, Rupert Stadler

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre stimmt den Vergleichsvereinbarungen der Volkswagen AG mit dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden, Prof. Dr. Martin Winterkorn, und dem ehemaligen Vorstandsmitglied Rupert Stadler, nicht zu.

Begründung:

Volkswagen sollte warten, bis im Verfahren wegen mutmaßlichen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs gegen Martin Winterkorn und vier weitere Ex-Manager, das im September vor dem Landgericht Braunschweig eröffnet wird, ein Urteil gefallen ist.  Hier geht es um die Abgas-Manipulationen an Millionen Autos, Schädigung der Umwelt und der Gesundheit der Menschen sowie Betrug an den Kund*innen. Sollte Martin Winterkorn in Braunschweig verurteilt werden, drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

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