
Sehr geehrtes Aktionariat,
sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats,
mein Name lautet Hana Obser; ich spreche heute für den Dachverband der kritischen Aktionär:innen.
„Bei adidas ist die Achtung und Wahrung der Menschenrechte von grundlegender Bedeutung für die Art und Weise, wie wir operieren. Von unseren Mitarbeitenden bis hin zu den Beschäftigten, die unsere Produkte herstellen – wir verpflichten uns, Menschenrechte entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette zu schützen.“
Dies ist ein Zitat welches sich auf adidas offizieller Seite bei der Kategorie “Nachhaltigkeit: Menschenrechte“ findet.
Klingt so weit so gut, oder?
Doch ich würde, trotz der von adidas ambitionierten Bekenntnisse zu diesem Thema, gerne einen Blick auf die Realität in der Lieferkette werfen.
In Myanmar zahlt der adidas-Zulieferer Pou Chen Löhne, die nicht einmal ein Drittel eines existenzsichernden Einkommens erreichen. Arbeiterinnen und Arbeiter, die es wagen, sich gewerkschaftlich zu engagieren, werden systematisch unterdrückt oder gekündigt. Ein klarer Verstoß gegen grundlegende Arbeitnehmerrechte – zwar wurde die Hälfte der damals gekündigten Arbeiter:innen wieder eingestellt, doch halten die Repressionen immer noch an. Als „gelöst“, so wie adidas sich 2023 dazu geäußert hat, gilt der Fall noch lange nicht.
Als weiteres Beispiel möchte ich die Lage in Kambodscha ranziehen: Über 200 ehemalige Beschäftigte der Hulu Garment-Fabrik kämpfen seit Jahren um die Auszahlung rechtmäßiger Abfindungen in Höhe von einer Million US-Dollar. Eine Summe, die im Verhältnis zum Gewinn von adidas 2024 – stolze 832 Millionen Euro – kaum ins Gewicht fällt. Doch Adidas bleibt stur und verweigert verbindliche Zusagen zur Entschädigung.
Es geht hier nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem. adidas schöpft Profite aus einem System, das systematisch Arbeitsrechte missachtet und gewerkschaftliches Engagement unterdrückt. Das zeigt sich auch daran, dass das Unternehmen weiterhin gegen die Einführung digitaler Zugangsrechte für Gewerkschaften im eigenen Betrieb opponiert.
Während adidas seine Nachhaltigkeitsstrategie betont, sieht die Realität anders aus: Die Verweigerung von Abfindungen, die Zahlung von Armutslöhnen und die Unterdrückung gewerkschaftlicher Aktivitäten widersprechen fundamental dem Anspruch eines sozialverantwortlichen Unternehmens.
Ich möchte deswegen hier nun einige Fragen stellen:
Welche konkreten Maßnahmen plant adidas nach der Wiedereinstellung von 13 entlassenen Arbeiter:innen bei Pou Chen, um künftige gewerkschaftsfeindliche Maßnahmen zu verhindern?
Wie effektiv ist die von adidas genutzte „Workers’ Voice“ (WOVO)-Plattform, wie sieht der konkrete Vorgang bei einer eingereichten Beschwerde aus? Können Sie uns den aktuellen Stand der eingegangenen Beschwerden nennen?
Welche Sanktionen drohen Zulieferern, die trotz vereinbarter Standards weiterhin Lohndiebstahl und Unterdrückung von Gewerkschaften betreiben; wie oft wurden die Geschäftsbeziehungen tatsächlich beendet? Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Plant adidas, trotz des Urteils des Bundesarbeitsgerichts, alternative Formen der digitalen Kommunikation für Gewerkschaften zu ermöglichen, z. B. durch spezielle Plattformen oder unabhängige Tools?
Welche genauen Maßnahmen plant adidas zur Förderung von Gewerkschaftsrechten in Ländern, in denen gewerkschaftliche Aktivitäten gesetzlich eingeschränkt sind? Welchen konkreten Abläufen folgen die von adidas durchgeführten Schulungen zur Vereinigungsfreiheit?
Wird adidas die Gespräche mit der IG BCE über digitalen Zugang zu Arbeitnehmer:innen in Deutschland und anderen Standorten fortsetzen? Bitte erläutern Sie dazu Ihren Grund der Entscheidung.
Warum wurden die Forderungen der ehemaligen Hulu Garment Beschäftigten trotz gegenteiliger Aussagen von adidas nicht beigelegt? Wieso sieht sich adidas nicht in der Pflicht, diese Entschädigung zu zahlen, zumal sie noch während den Vorfällen im März/April 2020 in einer Geschäftsbeziehung mit Hulu Garment verwickelt waren und diese erst einige Monate später gekündigt wurde?
Haben Sie die Geschäftsbeziehung nur gekündigt um die Zahlung erfolgreich verweigern zu können, angesichts der Tatsache, dass der kambodschanische Arbitration Council in solchen Fällen öfter Zugunsten der Arbeitgeber entscheidet?
Welche Kriterien wurden bei der Entscheidung herangezogen, keine Entschädigungszahlungen an die entlassenen Arbeitnehmer:innen in Kambodscha zu leisten?
Gibt es Überlegungen, einen unabhängigen Mediator oder eine Ombudsstelle zur Schlichtung des Konflikts mit den ehemaligen Hulu Garment-Beschäftigten einzusetzen?
Welche konkreten Kriterien werden in den unangekündigten Audits zur Bewertung von Arbeitsbedingungen und Gewerkschaftsfreiheit herangezogen? Finden sich irgendwo die Ergebnisse dieser oder können Sie uns mitteilen wie der Stand dieser Audits im letzten Geschäftsjahr war?
Inwiefern fließen die Ergebnisse der SLCP- und Better Work-Bewertungen in die Geschäftspolitik von adidas ein? Warum werden die Ergebnisse nicht umfassend veröffentlicht? Können Sie uns hier die Ergebnisse mitteilen?
Wird adidas künftig die Ergebnisse aller Audits, einschließlich derjenigen mit negativen Befunden, vollständig veröffentlichen? Warum werden die Audits in der Fair Factories Clearinghouse (FFC)-Datenbank nicht vollständig öffentlich zugänglich gemacht?
Wie rechtfertigt adidas die massive Dividendenausschüttung angesichts ungelöster Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette?
Wie genau lassen sich adidas finanzielle Performance und Nachhaltigkeitsziele damit vereinbaren, dass Sie diese Faux-pas geschehen lassen? Wieviel Profit (bitte in Zahlen) haben Ihnen die von mir genannten Fälle eingebracht?
Inwiefern wurden Arbeitnehmer:innen in der Lieferkette in die Ausgestaltung des Lohnbenchmarking-Programms einbezogen?
Sie planen bis Ende 2025, ein umfassendes System zur Identifizierung und Bewältigung von Menschenrechtsrisiken in der Lieferkette umzusetzen. Konkrete langfristige Zielvorgaben zur Lohnanpassung wurden jedoch von Ihnen noch nicht explizit genannt. Plant adidas, langfristige Zielvorgaben zur Erhöhung der Löhne in der Lieferkette zu entwickeln und diese öffentlich zu kommunizieren?
Ein Konzern, der sich ernsthaft zu Menschenrechten bekennt, darf diese Zustände nicht hinnehmen. adidas muss verbindliche Maßnahmen ergreifen, um existenzsichernde Löhne zu garantieren und gewerkschaftsfeindliche Praktiken zu beenden – und zwar entlang der gesamten Lieferkette.
Vielen Dank.