„Eine Näherin, die in Kambodscha für Adidas arbeitet, verdient nicht genug für ihren Lebensunterhalt“: Rede von Markus Dufner

Sehr geehrter Herr Gulden und Kolleg*innen im Vorstand, sehr geehrter Herr Rabe und Kolleg*innen im Aufsichtsrat! Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre!

Mein Name ist Markus Dufner. Ich bin Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Mit unseren 30 Mitgliedsorganisationen sowie Kooperationspartnern aus den Bereichen Umweltschutz, Menschen- und Arbeitnehmerrechte repräsentieren wir einen Teil der Zivilgesellschaft. Zudem ist der Dachverband Mitglied der Klimaallianz Deutschland mit 155 Mitgliedsorganisationen.

Ich freue mich, auf der heutigen Hauptversammlung der Adidas AG zu Ihnen sprechen zu können.

Heute bin ich auch für die Kampagne für Saubere Kleidung hier, und ich freue mich, dass auch mein Kollege Mauro Meggiolaro von der italienischen Banca Etica und den Shareholders for Change wie schon im vergangenen Jahr hier sprechen wird.
 
Herr Gulden und Herr Rabe, wir fordern Sie auf, Arbeitnehmerrechte in der globalen Lieferkette einzuhalten. Arbeiterinnen und Arbeiter in Myanmar und Kambodscha berichten von Menschenrechtsverletzungen wie Lohndiebstahl, illegalen Entlassungen und Behinderung von Gewerkschaftsaktivitäten.

Herr Gulden und Herr Rabe, im vergangenen Jahr stand hier am Rednerpult ein Gewerkschafter aus Kambodscha, Sithyneth Ry. Er sprach für die Arbeiter*innen aus seinem Land, die für Adidas produzieren.

Seit Jahren geht es immer wieder um das Thema Living Wage; also der Lohn, den ein Mensch erhalten muss, um in seinem jeweiligen Land oder in seiner Stadt überleben zu können. Der Living Wage hat erst mal nichts mit dem Mindestlohn zu tun. In Deutschland liegt der bei 13 Euro pro Stunde, aber nicht in Kambodscha oder El Salvador.

Herr Gulden, Sie wissen es: Eine Näherin, die in Kambodscha für Adidas arbeitet, verdient nicht genug für ihren Lebensunterhalt. Meist muss sie ihre Familie versorgen. Bei einem 10-Stunden-Tag verdient die Näherin 160 Euro im Monat. Das ist ein Stundenlohn von 67 Cent. Der gesetzliche Mindestlohn von 200 Euro im Monat, der in Kambodscha gilt, ist da kaum höher.

Herr Gulden, als CEO von Adidas haben Sie wahrscheinlich einen 12-Stunden-Tag. Und ja, Sie tragen seeeehr viel Verantwortung – weltweit für mehr als 60.000 Mitarbeiter*innen.
Just for fun – aber es ist eigentlich bitterer Ernst – vergleiche ich jetzt mal ihre Vergütung mit dem Lohn der Näherin in Kambodscha.
2024 ging ihre Vergütung gegenüber 2023 um ein Fünftel zurück: Laut Vergütungsbericht erhielten Sie statt 9,8 Millionen Euro im zurückliegenden Geschäftjahr nur noch 7,4 Millionen Euro. Gehen wir bei Ihnen mal von 3500 Arbeitsstunden im Jahr aus.
Meine Frage an Sie, Herr Gulden ist ein kleines Rechenexempel: Wieviel verdienen Sie pro Stunde?

[Björn Gulden antwortete: „Ich verdiene viel weniger als die, die bei Bayern München auf der Bank sitzen.“
Später ergänzte der Aufsichtsratsvorsitzende von Adidas, Thomas Rabe: „Herr Gulden hat als Vorstandsvorsitzender keine genau in Stunden festgelegte Arbeitszeit. Ausgehend von 3.500 Stunden im Jahr kommen wir auf ein Verdient von 2000 Euro pro Stunde.“]

Ich habe zudem eine Frage vom Gewerkschaftsverband IndustriALL erhalten: Viele globale Marken und Einzelhändler haben mit IndustriALL ein Kambodscha-Abkommen unterzeichnet, um durch Tarifverhandlungen höhere Löhne in Kambodscha zu gewährleisten. Kambodscha ist für Adidas das größte Produktionsland für Bekleidung.

Wie kann Adidas sich weigern, das Kambodscha-Abkommen zu unterzeichnen, während das Unternehmen gleichzeitig behauptet, sich für Vereinigungsfreiheit, Tarifverhandlungen und die Zahlung fairer Löhne für die Arbeiterinnen und Arbeiter einzusetzen, die Produkte für Adidas herstellen?

Vielen Dank.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/adidas/eine-naeherin-die-in-kambodscha-fuer-adidas-arbeitet-verdient-nicht-genug-fuer-ihren-lebensunterhalt-rede-von-markus-dufner/