Können Sie versichern, dass Ihre Baumwolle nicht unter Einsatz von Zwangsarbeit gepflückt wurde? Unsere Fragen an den Adidas-Vorstand

Fragen an Adidas von Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre, Kampagne für Saubere Kleidung e.V. und Clean Clothes Campaign zur Hauptversammlung 2022: 

Weiterhin Baumwolle mit hohem Zwangsarbeits-Risiko

Aktuelle Recherchen des investigativen Formats STRG_F (NDR/funk) zeigen, dass Adidas weiterhin Baumwolle aus der Region Xinjiang im Westen Chinas bezieht. Adidas hatte bisher öffentlich beteuert, keine Baumwolle mehr aus Xinjiang zu nutzen, da es dabei ein hohes Risiko gibt, dass die Baumwolle unter Zwangsarbeit produziert worden sein könnte.

In Zusammenarbeit mit dem Agroisolab Jülich und der Fachhochschule Niederrhein weist STRG_F mittels Isotopen-Analyse die Herkunft der Baumwolle in Kleidung von Adidas eindeutig aus Xinjiang nach: https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2022/Adidas-Hugo-Boss-Adidas-Baumwolle-aus-Zwangsarbeit,zwangsarbeit262.html

Knapp 90 Prozent der chinesischen Baumwolle und damit mehr als ein Fünftel der weltweiten Baumwolle stammt nach offiziellen Zahlen aus der Region. Die STRG_F-Recherchen zeigen daher auch, dass Baumwolle aus Xinjiang offenbar nicht nur in Produkten aus China steckt, sondern auch in Kleidung, die etwa in Vietnam oder Indonesien produziert wurde.

In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Berichte über die systematische Unterdrückung ethnischer Gruppen in Xinjiang, insbesondere der muslimischen Uiguren. So besteht auch der Verdacht, dass diese Minderheiten zur Ernte und Verarbeitung von Baumwolle gezwungen werden. Ernstzunehmende Berichte beispielsweise von Amnesty International legen nahe, dass die chinesische Regierung Uiguren systematisch verfolgt und unter anderem zur Arbeit in der Textilindustrie, der Baumwollernte oder im Konfektionsbereich zwingt. Diese systematische Verfolgung der Uiguren wurde als Völkerstraftat eingestuft, u.a. als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Deshalb haben die USA den Import von Baumwolle aus der Region verboten, auch Adidas hatte erklärt, keine Baumwolle aus Xinjiang zu beziehen oder zukünftig nicht mehr beziehen zu wollen. In der EU wird über ein Importverbot diskutiert.

Adidas hatte bisher betont, keinerlei Zwangs- oder Pflichtarbeit oder Formen moderner Sklaverei zu tolerieren und alle Zulieferer entlang der Lieferkette verpflichtet, für die Einhaltung der Menschenrechte zu sorgen und keine Verstöße zu dulden. Dies scheint offenbar nicht effektiv genug zu sein.

  • Was sagt sagen Sie zu diesem Vorwurf, dass Sie weiterhin Baumwolle aus der Region Xinjiang beziehen? Haben Ihre Audits und Prüfungen hier eventuell nicht richtig funktioniert?
  • Können Sie eindeutig versichern, dass Ihre Baumwolle nicht unter Einsatz von Zwangsarbeit gepflückt wurde?
  • Können Sie eindeutig versichern, dass keine Baumwolle aus der Region Xinjiang in anderen Teilen Chinas oder in anderen Produzentenländern weiterverarbeitet wurde?
  • Welche Belege haben Sie dafür?
  • Planen Sie, Baumwolle aus Usbekistan einzukaufen oder sich woanders neue Lieferketten zu erschließen?

Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und Lieferkettengesetze

  • Ab nächstem Jahr müssen Sie gemäß Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vorbeugend gegen menschenrechtliche Verstöße im Rahmen Ihrer Auslandsgeschäfte bzw. bei Ihren Zulieferern vorgehen. Was haben Sie konkret dazu an Ihren bisherigen Aktivitäten zur Erfüllung Ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten geändert?
  • Die EU-Kommission hat einen Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz vorgestellt, das europaweit verpflichtende Menschenrechts- und Umweltstandards für Unternehmen schaffen soll. Wie ist Ihre Position zu diesem Gesetzentwurf; welche Regeln finden Sie sinnvoll und welche Kritikpunkte haben Sie?

Covid-Pandemie & Arbeitsbedingungen

  • Wird Adidas im Jahr 2022 mit den Gewerkschaften verhandeln und ein verbindliches Abkommen unterzeichnen, um den Abfindungsdiebstahl und das pandemiebedingte Lohngefälle in seiner Beschaffungskette zu beheben?
  • Wurde durch das Nachverfolgungssystem (Tracking-System) von adidas ermittelt, in wie vielen Fabriken und in welchen Ländern das Einkommen der Beschäftigten während der Pandemie gesunken ist? Wenn ja, stellen Sie bitte eine Liste mit den Namen und Adressen der Fabriken und dem Prozentsatz der Einkommenseinbußen in jeder Fabrik zur Verfügung. Wenn nein, warum hat das Rückverfolgungssystem diese Informationen nicht erfasst?
  • Wurde durch das Nachverfolgungssystem (Tracking-System) von Adidas ermittelt, wie viele Zulieferbetriebe von adidas während der Pandemie geschlossen wurden oder mehr als 50 Beschäftigte entlassen haben? Wenn ja, stellen Sie bitte eine Liste mit den Namen und Adressen der Fabriken zur Verfügung. Wenn das Nachverfolgungssystem diese Informationen nicht erfasst hat, warum nicht?
  • Konnte das Nachverfolgungssystem (Tracking-System) von adidas feststellen, in welchen dieser Fabriken die Arbeitnehmer*innen die vollen gesetzlich geschuldeten Abfindungen erhielten, nur einen Teil davon oder gar keine? Wenn ja, stellen Sie bitte eine Liste mit Namen und Adressen der Fabriken, dem vollen Betrag der geschuldeten Abfindungen und dem bisher gezahlten Betrag zur Verfügung. Wenn das Nachverfolgungssystem diese Informationen nicht erfasst hat, warum hat es dies nicht getan?
  • Im Fall PT Panarub beklagten die Gewerkschaftsbewegung und ihre Vertreter*innen das Fehlen von Beschwerdemechanismen in Bezug auf das Recht auf Vereinigungsfreiheit. Der deutsche Nationale Kontakt empfahl daher eine Verbesserung der Berichts- und Beschwerdemechanismen des Unternehmens. Was wurde in Bezug auf die Berichterstattung und die Unterstützung der Vereinigungsfreiheit getan?
  • Wie viel Geld hat Adidas für den Aufruf der IAO zum Handeln in der Bekleidungsindustrie bereitgestellt? Wie viel davon wurde an die Beschäftigten in der Beschaffungskette von adidas verteilt?
  • Haben Sie in 2021 Kurzarbeit in Anspruch genommen? Wenn ja, in welcher Höhe wurden Kosten durch den Einsatz von Kurzarbeit 2021 eingespart?
  • In welcher Höhe haben Sie im Rahmen der Kurzarbeit Arbeitgeber-Sozialversicherungsbeiträge in 2021 erstattet bekommen?
  • Zuwendungen der öffentlichen Hand betrugen im Jahr 2021 84 Mio. €. Zuwendungen wurden von lokalen, nationalen oder internationalen Regierungsbehörden erhalten. Können Sie uns Einzelheiten zu den im Jahr 2021 erhaltenen Zuwendungen nennen, aufgeschlüsselt nach Betrag, öffentlicher Einrichtung und Grund?
  • Zuwendungen der öffentlichen Hand betrugen im Jahr 2020 66 Mio. €. Können Sie uns Einzelheiten zu den im Jahr 2020 erhaltenen Zuwendungen nennen, aufgeschlüsselt nach Betrag, öffentlicher Einrichtung und Grund?
  • Zuwendungen der öffentlichen Hand, die sich auf die Coronavirus-Pandemie beziehen, betrugen 2021 5 Mio. € (2020: 29 Mio. €). Können Sie uns Einzelheiten zu den im Jahr 2021 und 2020 erhaltenen Zuwendungen (die sich auf die Coronavirus-Pandemie beziehen) nennen, aufgeschlüsselt nach Betrag, öffentlicher Einrichtung und Grund?
  • Obwohl Adidas freiwillig nach den GRI-Standards (Global Reporting Initiative) berichtet, legt das Unternehmen keine Informationen gemäß Angabe 201-4 der GRI offen (Finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand). In dieser Hinsicht, können sie den gesamten monetären Wert der finanziellen Unterstützung, die Adidas im Jahr 2021 von der öffentlichen Hand erhalten hat offenlegen, einschließlich:
  • Steuererleichterungen und ‑gutschriften;
    • Subventionen;
    • Investitionszuschüsse, Zuschüsse für Forschung und Entwicklung sowie sonstige relevante Arten von Zuschüssen;
    • Auszeichnungen;
    • Lizenzbefreiungen;
    • finanzielle Unterstützung von Exportkreditagenturen (EKA);
    • finanzielle Anreize;
    • sonstige finanzielle Leistungen, die die Organisation für eine Tätigkeit von einem Staat erhalten hat oder von ihm einfordern kann?
  • Können Sie die oben genannten Informationen (aus 201‑4‑a), aufgeschlüsselt nach Ländern offenlegen? Können Sie die Informationen als Gesamtbetrag für alle Posten und als Teilbeträge für jeden der aufgeführten Posten veröffentlichen?
  • Wird Adidas künftig gemäß der GRI-Angabe 201-4 Informationen veröffentlichen? Wenn ja, ab wann?
  • Während des erneuten Ausbruchs von Covid-19 und des Lockdowns im April und Mai 2021 verloren die 784.000 Beschäftigten in der kambodschanischen Textil-, Schuh und Lederwarenindustrie schätzungsweise 109 Millionen US-Dollar an Löhnen. Dies ist das Ergebnis einer Hochrechnung der Clean Clothes Campaign, die auf einer umfassenden Bestandsaufnahme durch Gewerkschaftsverbände in 114 Fabriken beruht. In der Stichprobe haben 204.000 Arbeiter*innen alleine in diesen zwei Monaten 28,4 Millionen US-Dollar an Löhnen eingebüßt. Mit den ausstehenden Löhnen und Abfindungszahlungen aus den ersten 13 Monaten der Pandemie wird der Gesamtbetrag, der den Textilarbeiter*innen in Kambodscha geschuldet wird, auf bis zu 393 Millionen US-Dollar geschätzt. Die größte Lohnlücke in der Fabrikstichprobe ist mit Adidas verbunden: Die Verluste von 30.190  Arbeiter*innen in acht Adidas-Zulieferfabriken summieren sich gemäß Berechnung von März 2020 bis Mai 2021 auf 11,7 Millionen US-Dollar, das sind 387 Dollar pro Kopf. Für die Arbeiter*innen und ihre Familien ist dies eine existenzielle Krise. Adidas hingegen könnte ohne Probleme sicherstellen, dass alle Arbeiter*innen in der Lieferkette während der Pandemie ihre regulären Löhne erhalten: Allein im ersten Quartal 2021 hat der Sportartikelriese 650 Millionen US-Dollar Gewinn erzielt. Adidas hat im Jahr 2021 Zuwendungen der öffentlichen Hand in Höhe von 84 Mio. € erhalten. Warum werden diese Gelder nicht genutzt, um die Lohnlücke in der Lieferkette des Unternehmens zu schließen, anstatt immer höhere Dividenden an die Aktionäre auszuschütten (3,30 € pro Aktie im Jahr 2022 gegenüber 3 € pro Aktie im Jahr 2021)?

Fußball-Weltmeisterschaft in Katar

  • Adidas ist offizieller Fifa-Sponsor und Ausrüster der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Wie viel hat Adidas für die offizielle Partnerschaft gezahlt?
  • Adidas ist offizieller Partner und Ausstatter der WM. Rüstet unter anderem die deutsche Nationalmannschaft aus, die Schiedsrichter und liefert den Spielball. Wo wurden die Trikots der Schiedsrichter und der Spieler der deutschen Nationalmannschaft gefertigt und wurden existenzsichernde Löhne den Näher*innen gezahlt, die die Trikots fertigen?
  • Wie hoch schätzen Sie Ihre zu erwartende Gewinne durch die WM in Katar ein?
  • Inwiefern sind die menschenrechtsverachtende Politik der absoluten Monarchie in Katar, die Todesfälle auf den WM-Baustellen, die sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitsmigrant*innen mit dem Imagegewinn von Adidas kompatibel?
  • Inwiefern ist die menschenrechtsverachtende Politik der absoluten Monarchie in Katar mit dem Imagegewinn von adidas kompatibel? Macht sich Adidas hier nicht zum Schirmherr für Sportswashing?

Klimaschutz

  • Bis 2030 wollen Sie die CO2-Emissionen ihrer Wertschöpfungsketten nur um 30 Prozent senken. Damit sind die die jüngsten und zukünftigen Generationen mit den wirklichen Herausforderungen bei der CO2-Reduktion belastet. Angesichts des jüngsten IPPC-Berichts und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz: Finden Sie es angemessen, dass nach Ihren Plänen 70 Prozent der C02-Emissionen in Ihren Wertschöpfungsketten erst nach 2030 erfolgen soll – zu eindeutig größeren Lasten derjenigen, die dies dann umsetzen müssen?
  • Prüfen Sie, inwieweit Sie ihre Klimaziele in Bezug auf Scope 3 bzw. Wertschöpfungsketten deutlich ambitionierter gestalten können?

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/adidas/koennen-sie-versichern-dass-ihre-baumwolle-nicht-unter-einsatz-von-zwangsarbeit-gepflueckt-wurde-unsere-fragen-an-den-adidas-vorstand/