Gegenanträge des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
zur Hauptversammlung der Adidas AG am 16.05.2024
Zu TOP 2: Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die von der Verwaltung vorgeschlagene Verwendung des Bilanzgewinns abzulehnen.
Begründung:
Die vorgeschlagene Dividende von 0,70 Euro pro dividendenberechtigter Stückaktie ist zu hoch. Daher fordert der Dachverband, dass anstatt der Ausschüttung der Dividende ein größerer Teil des Bilanzgewinns für umfassende Maßnahmen verwendet wird, um strukturelle Probleme in der Lieferkette von Adidas anzugehen und grundlegende Arbeitsrechte und Sozialstandards umzusetzen.
Das erste Mal seit mehr als 30 Jahren hat Adidas im Geschäftsjahr 2023 einen Jahresverlust eingefahren. Zum Ausgleich seiner Verluste greift der Konzern auf seine Rücklagen (‚retained earnings‘) in Höhe von 411 Mio. Euro zurück. Es ist kaum verständlich, dass der Konzern diese Rücklagen für die Auszahlung einer unverändert hohen Dividende im Vergleich zum Geschäftsjahr 2022 zahlen will anstatt bspw. in höhere Lohnzahlungen für die Angestellten oder in eine zukünftig bessere Performance in jeglicher Hinsicht zu investieren. Auch mit Rücksicht auf die Aktionär*innen der Adidas AG sollte dieses Jahr ein großer Teil des Umsatzes nicht zur Auszahlung einer Dividende genutzt werden.
Lohndiebstahl in der Lieferkette der Adidas AG
Adidas verletzt grundlegende Arbeitsrechte und Sozialstandards: Hier sind bspw. die fortlaufende Praxis von Lohndiebstahl, die Zahlungsverweigerung gesetzlich vorgeschriebener Abfindungen und Sozialleistungen sowie die grundlegende Verletzung von Gewerkschaftsrechten, die seit Beginn der Covid-19-Pandemie nochmals zugenommen haben, zu nennen. Anstatt eine unverändert hohe Dividende im Vergleich zum Geschäftsjahr 2022 auszuzahlen, sollten die finanziellen Mittel vielmehr zur Beseitigung der menschenrechtsfeindlichen Praktiken eingesetzt werden. Solche Methoden dürfen nicht länger Teil der Grundlage des Geschäftsmodells von Adidas und der daraus resultierenden Gewinne sein.
Strukturelle Probleme erfordern systemische Lösungen: Adidas und das verbindliche Abkommen „Pay Your Workers – Respect Labour Rights“ (PYW-RLR)
Angesichts des Ausmaßes dieser arbeitsrechtlichen Verstöße in der globalen Lieferkette der Adidas AG und der Erwartung, dass im Zuge der Klimakrise u.a. Überschwemmungen und Hitzewellen zu unvermeidbaren Fabrikschließungen führen werden, macht deutlich, dass eine systemische Lösung der Adidas AG erforderlich ist. Wie andere Unternehmen muss sich auch Adidas vermehrt darauf vorbereiten, dass Fabrikschließungen und Massenentlassungen entlang der Lieferkette u.a. in Folge des Klimawandels oder Pandemien zunehmen werden. Das verbindliche Abkommen „Pay Your Workers – Respect Labour Rights“ (PYW-RLR), (vgl. https://www.payyourworkers.org), das von Gewerkschaften und Arbeitsrechtsorganisationen ins Leben gerufen wurde, bietet einen solchen strukturellen Ansatz zum Schutz der Grundrechte der Arbeitnehmenden.
Die finanziellen Mittel, die für die Einhaltung der Verpflichtungen im Rahmen PYW-RLR-Abkommens für Adidas notwendig sind, betragen schätzungsweise 0,5 Prozent der jährlichen Freight on Board – Kosten (FOB-Kosten) des Adidas-Konzerns. Anstatt trotz des Verlusts im vergangenen Geschäftsjahr eine Dividende an die Aktionär*innen auszuzahlen, wäre es lobenswerter, wenn Adidas Rückstellungen bildet, um auch in nicht so umsatzstarken Geschäftsjahren den Verpflichtungen des PYW-RLR-Abkommens gerecht werden zu können. Somit könnte ein effektiver Beitrag dazu geleistet werden, um auch in unsicheren Zeiten das Recht der Textilarbeiter*innen auf Abfindungszahlungen sowie ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen zu schützen.
Präventive Maßnahmen statt rein reaktive Risikoanalysen
Der Beitritt zum PYW-RLR-Abkommen entbindet nicht von der Verantwortung, auch eigenständig auf Missstände zu reagieren. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz fordert, angemessene Präventiv- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, um die Risiken von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette zu reduzieren. Daher entspricht die Durchführung einer rein reaktiven Risikoanalyse zu einem Zeitpunkt, zu dem es bereits zu spät ist, angemessen reagieren zu können, nicht hinreichend den gesetzlichen Anforderungen. Werden diese jedoch nicht eingehalten, setzt sich Adidas möglicherweise rechtlichen Konsequenzen aus – darunter Geldbußen von bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes.
Für Adidas ist das PYW-RLR-Abkommen eine kosteneffiziente Lösung zur Risikominderung, zur Einhaltung von Gesetzen und zur Bearbeitung kritischer Aspekte im Lieferkettenmanagement auf systematische und umfassende Weise. Somit sollten ausreichende Rückstellungen gebildet werden, um jetzt und in Zukunft den Verpflichtungen des Abkommens nachkommen zu können.
Zu TOP 3: Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2023
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Vorstands nicht zu entlasten.
Begründung:
Der Vorstand der Adidas AG kommt weiterhin seinen Verpflichtungen gegenüber den Beschäftigten in seiner Lieferkette nicht nach. Durch die Pandemie gibt es verstärkt Lohngefälle, Abfindungsdiebstahl und Verletzung grundlegender Arbeitsrechte. Außerdem unternimmt der Vorstand nicht genügend, um sich grundsätzlich auf zu erwartende Lieferkettenstörungen im Zuge der Klimakrise vorzubereiten.
Lohndiebstahl in der Adidas-Lieferkette
Lohndiebstahl, einschließlich der Nichteinhaltung von gesetzlich vorgeschriebenen Abfindungszahlungen und Sozialleistungen, ist zu einem der wichtigsten Umwelt-, Sozial- und Managementrisiken (ESG) in der Textil-, Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie (TGSL) geworden. Untersuchungen zeigen, dass seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie über 11 Mio. US-Dollar[1] an kambodschanische Textilarbeiter*innen in acht Adidas-Zulieferbetrieben ausstehen. Dies ist nur eine Momentaufnahme des viel größeren Problems des Lohndiebstahls in der Adidas-Lieferkette seit Beginn der Pandemie. Lohndiebstahl und die Verletzung grundlegender Arbeitsrechte sind bereits seit langem ein Problem in der Lieferkette von Adidas. Das hat sich für die Beschäftigten während der Pandemie noch verschärft.
Gewerkschaftsarbeit und Forderungen nach fairen Löhnen werden systematisch unterdrückt
Aufgrund des in der Branche vorherrschenden Geschäftsmodells ist es für die Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie bekanntermaßen schwierig, dass ihnen rechtlich zustehende Geld zu erhalten, wenn es zu einem Verstoß kommt. Teilweise sind sie gezwungen, über längere Zeiträume hinweg mühsame Kampagnen zu führen. Viele Beschäftigte, die sich aktiv für ihre Rechte eingesetzt haben, werden bei anderen Fabriken auf die schwarze Liste gesetzt und haben daher Schwierigkeiten, eine neue Beschäftigung zu finden. Lohndiebstahl und die Untergrabung von Gewerkschaftsrechten halten die Arbeiter*innen in einem oft unausweichlichen, generationenübergreifenden Kreislauf der Armut gefangen.
Folgende drei Beispiele zeigen Menschenrechtsverletzungen in der globalen Lieferkette von Adidas, die der Konzern bisher nicht auf der erforderlichen systemischen Ebene anzugehen bereit ist (siehe unseren Gegenantrag zu TOP 2).
Kambodscha: Dreiste Verschleierung von Kündigungen
Zu Beginn der Covid-19-Pandemie Anfang März 2020 suspendierte Hulu Garment, ein Adidas-Zulieferbetrieb in Kambodscha, alle 1.020 Beschäftigten. Ende April 2020 wies die Betriebsleitung die Beschäftigten an, mit einem Daumenabdruck ein Dokument zu unterzeichnen, um ihre Entlassungsentschädigung und den nicht genommenen Jahresurlaub zu erhalten. Das es sich tatsächlich um ein Kündigungsdokument handelte, sagte sie nicht. Somit brachte die Leitung der Fabrik Hunderte von Beschäftigten zu einer Kündigung, um den Abfindungszahlungen ausweichen zu können. Zwar wurde einen Monat später die Fabrik wiedereröffnet, doch die Hälfte der Belegschaft wurde bis heute nicht wieder eingestellt. 500 Beschäftigte kämpfen noch immer um die rechtmäßigen Abfindungszahlungen in Höhe von mehr als 1 Mio. US-Dollar. (vgl. https://www.workersrights.org/factory-investigation/hulu-garment-co-ltd/ und https://www.publiceye.ch/en/topics/fashion/fashion-brands-fail-to-address-pandemic-era-wage-theft-in-cambodia-garment-workers-deprived-of-109-million).