Rede Markus Dufner

Sehr geehrte Mitglieder des Aufsichtsrats!
Sehr geehrte Mitglieder des Vorstands!
Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre von Adidas!

Ich heiße Markus Dufner und bin Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit unseren 30 Mitgliedsorganisationen setzen wir uns ein für die Einhaltung von Umweltschutz, Menschenrechten und soziale Rechten durch die Unternehmen.

Vor drei Monaten hatte ich Gelegenheit, mit einer Delegation der Christlichen Initiative Romero nach El Salvador zu reisen. Wir haben uns zwei Wochen in dem kleinen mittelamerikanischen Land aufgehalten, um uns ein eigenes Bild von den Produktionsbedingungen in der Textilbranche zu machen. Die Gespräche mit Näherinnen und Stickerinnen, mit Gewerkschaften und Frauenkooperativen, mit der Arbeitsministerin von El Salvador und dem Arbeitgeberverband der Textilbranche machten eines deutlich: die Abhängigkeit von den multinationalen Konzernen ist sehr groß.

Die großen Marken, wie Adidas, Puma & Co in El Salvador genannt werden, lassen ihre Schuhe und T-Shirts in Maquilas nähen. Das sind Fabriken, die in Freihandelszonen liegen und für den Weltmarkt produzieren. Die Marken haben dabei alle Vorteile auf ihrer Seite: niedrige Löhne und Steuern und von ihnen abhängige Auftragnehmer.

80.000 bis 100.000 Menschen arbeiten in den Maquilas. Sie sind die Leidtragenden. Viele der Näherinnen, meist junge Frauen vom Land, wurden nie über ihre elementaren Rechte aufgeklärt. Der staatlich festgesetzte Mindestlohn von rund 160 Dollar in der Textilbranche reicht bei weitem nicht aus, um eine Familie über die Runden zu bringen. Immer wieder werden Arbeitsrechte von den Fabrikbesitzern verletzt. Die Frauen müssen unbezahlte Überstunde leisten, eine gewerkschaftliche Organisation wird oft behindert.

Herr Hainer, wir haben uns mal aus einer anderen Perspektive mit der Vergütung beschäftigt, die Sie als Vorstandsvorsitzender von Adidas erhalten. 2013 betrug Ihr durchschnittliches Einkommen 325.000 Euro – nicht im Jahr, sondern im Monat! Damit haben Sie ca. das 2000-fache einer Näherin in einem Ihrer Zulieferbetriebe in El Salvador verdient. Herr Hainer, welches Gefühl haben Sie dabei? Lässt es Sie kalt, so viel mehr zu verdienen als eine Arbeiterin, die Schuhe mit den drei Streifen zusammennäht?

Die Kampagne für Saubere Kleidung hat mal recherchiert, wie sich die Kosten bei einem Adidas-Schuh zusammensetzen:

– Handelsmarge und Mehrwertsteuer: 50 %

– Gewinn der Marke – also von Adidas: 13,5 %

– Forschung und Produktentwicklung: 11 %

– Werbung und Sponsering: 8,5 %

– Materialkosten: 8 %

– Fracht und Steuern: 5 %

– andere Produktionskosten: 1,6 %

– Lohnkosten:  0,4 %

Ja, Sie haben richtig gehört: der Lohnkostenanteil an einem Schuh der Marke Adidas beträgt unglaubliche 0,4 %. Das bedeutet: Von einem Adidas-Schuh, den Sie im Laden für 100 Euro verkaufen, erhalten die Hersteller gerade mal 40 Cent.

Meine Damen und Herren, ich finde diese Vorstellung kaum erträglich. Herr Hainer, haben Sie sich mal bewusst gemacht, dass es die Näherinnen sind, die den Mehrwert der Adidas-Produkte erst möglich machen und Ihr Monatsgehalt von 325.000 Euro mit erwirtschaften? Ich fordere Adidas deshalb auf, alles dafür zu tun, den Lohnkostenanteil auf 0,8 % zu verdoppeln. Die Arbeitsministerin von El Salvador, Sandra Edibel Guevara Pérez, versicherte unserer Delegation bei einem zweistündigen Treffen, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tue, um die Situation der Arbeiterinnen zu verbessern. Das ist glaubhaft: Bis vor einem Jahr war die Ministerin noch Leiterin einer Frauenorganisation.

Die Arbeitsministerin und ihr Chefinspektor machten kein Hehl daraus, mit welchen Schwierigkeiten sie in El Salvador zu kämpfen zu haben. Aber leider stehen die viel zu wenigen Arbeitsinspektoren im wahrsten Sinn des Wortes oft vor verschlossenen Fabriktoren. Die Maquila-Besitzer zahlen lieber das Bußgeld für die verweigerte Inspektion, als diese zuzulassen.

Herr Hainer, haben die Zulieferfirmen, die für Adidas arbeiten, auch schon staatlichen Inspektoren den Zugang verwehrt? Bei welchen Zulieferern ist dies passiert und wie oft?

Anders sieht es aus, wenn Adidas oder Puma aufgrund von Beanstandungen Audits durchführen. Weil die Fabrikbesitzer fürchten, dass die Marken ihnen die Aufträge entziehen, beheben sie Mängel umgehend.

Aber es gibt auch Zeichen, die mir Hoffnung machen. In Kooperativen wie der Organisation „Mujeres Transformando“ werden die Frauen über ihre Rechte aufgeklärt und erhalten Unterstützung. Sie erfahren, dass sie einen Betriebsrat bilden und einer Gewerkschaft beitreten dürfen. Sie lassen sich von den Patrones und Aufsehern nicht mehr alles gefallen.

Meine Damen und Herren, Adidas nutzt die niedrigen lokalen Mindestlöhne und seine eigene Stellung als dringend benötigter Investor gezielt aus, um die Lohnkosten in den Produktionsländern weiterhin gering zu halten. Der staatlich festgesetzte Mindestlohn von rund 160 Dollar in der Textilbranche reicht bei weitem nicht aus, um eine Familie über die Runden zu bringen. Auch im Hinblick auf die Kontrollen der Produktionsstätten versteckt sich Adidas hinter staatlichen Bestimmungen und entzieht sich so seiner Verantwortung.

Wie sieht die Beschaffung bei Adidas aus?

Die Adidas Sourcing Ltd. (mit Sitz in Hong Kong) verantwortet die weltweite Beschaffung des Konzerns. Die Produkte werden hauptsächlich von ca. 1.200 Direktlieferanten aus 69 Ländern bezogen. Diese wiederum werden von rund 300 Unternehmen aus 45 Ländern beliefert (vgl. Christliche Initiative Romero 2014a). Bei wie vielen Ihrer Direktlieferanten haben Sie schon Audits durchgeführt?

Adidas hat unter dem Namen Workplace Standards Richtlinien für Geschäftspartner veröffentlicht. Von den Partnern wird verwartet, dass sie sich „fair, integer und verantwortungsbewusst verhalten“. Im Abschnitt Löhne und Sozialleistungen der Workplace Standards heißt es unter anderem: „Grundlöhne müssen mindestens den Lebensunterhalt und darüber hinaus einige zusätzliche Ausgaben der Mitarbeiter sowie ein Mindestmaß an erspartem Vermögen ermöglichen“ (Adidas 2006). Wären diese Standards bereits umfassend durchgesetzt, gäbe es weniger Anlass zur Kritik an Adidas.

Meine Damen und Herren, Adidas muss sich endlich seiner Verantwortung für die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Produktionsstätten stellen, anstatt die Situation in Schwellen- und Entwicklungsländern auszunutzen. Meine Kollegin wird Sie gleich über unsere Kampagne „Meine Stimme für gerechte Löhne“ informieren.

Ich überreiche Ihnen jetzt unseren „Steckbrief Adidas“.

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