„Sehen Sie weitere Boykott-Risiken in China?“: Rede von Tilman Massa


Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Tilman Massa, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir von Adidas deutliche effektivere Maßnahmen für die Umsetzung von Sozialstandards in den Textillieferketten von Adidas ein.

Wir haben einen Gegenantrag zu Ihrem Vorschlag zur Verwendung des Bilanzgewinns eingereicht, den ich hiermit auf formal stelle.

Wir schlagen vor: Ein höherer Teil des Bilanzgewinns sollte für effektive Maßnahmen verwendet werden, um strukturelle Probleme in den Lieferketten von Adidas zu lösen, damit grundlegende Arbeitsrechte und Sozialstandards gewahrt werden können.

Hohes Risiko von Lohndiebstahl in den Lieferketten von Adidas

Abfindungs- und Lohndiebstahl und die Verletzung grundlegender Gewerkschaftsrechte sind seit langem Probleme in den globalen Textil-Lieferketten, die sich für die Beschäftigten seit der Pandemie nochmal verschärft haben. Wir sehen auch in Ihren Lieferketten weiterhin ein hohes Risiko, dass grundlegende Arbeits- und Sozialstandards sowie Gewerkschaftsrechte nicht hinreichend geachtet werden.

Herr Gulden: Zusammen mit der Kampagne Saubere Kleidung und einer Initiative, die von die von mehr als 280 Gewerkschaften und Organisationen weltweit getragen wird, fordern wir Sie auf, das verbindliche Abkommen „Pay Your Workers – Respect Labour Rights“ zu unterzeichnen. Das Abkommen schützt die Rechte der Textilarbeiter*innen auf ihren Lohn, Abfindungen sowie Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen. Dies haben wir auch bereits in unserem Gegenantrag vorgeschlagen.

Dazu meine Fragen an Sie:

Erst bis zum Jahr 2025 wollen Sie ein System etablieren, mit dem Sie in Ihrer gesamten Wertschöpfungskette hohe Menschenrechtsrisiken identifizieren und behandeln können. Wie ist hier der aktuelle Stand?

In Ihrem Jahresbericht schreiben Sie, dass Sie in Ihrer Lieferkette weltweit 1.222 Audits haben durchführen lassen. Wie viele dieser Bewertungen ergaben Menschenrechtsrisiken oder Missstände, die weitere Prüfungen erfordern?

Existenzsichernder Lohn:

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, damit bei allen Ihren Zulieferern existenzsichernde Löhne gezahlt werden?

Kennen Sie die Anzahl Ihrer Produzenten, die einen gewählten Betriebsrat haben? Wenn ja, wie hoch ist der Anteil? Sind Sie bei Ihren Risikoanalysen auf Fälle gestoßen, bei denen gewerkschaftliches Engagement verhindert oder erschwert wird? Wenn ja, um wie viele und welche Zulieferer handelt es sich und wie reagieren Sie?

Beschwerden: Sie schreiben in Ihrem Geschäftsbericht, dass fast 48.000 Beschwerden im Zusammenhang mit Menschen- und Arbeitsrechten 2022 über die „Workers Voice“-Plattform eingereicht wurden, davon mehr als 6.000 zu Sozialleistungen. In wie vielen Fällen hat es sich um klare Rechtsverstöße gehandelt und wie genau sahen Ihre Reaktionen und Konsequenzen aus?

Zwangsarbeitsrisiken bei Baumwolle aus Ostturkistan/China

Wie schätzen Sie aktuell das Risiko von Zwangsarbeit bei Baumwolle aus Ostturkistan/Xinjiang in China ein? Halten Sie Ihre Maßnahmen zur Vermeidung des Bezugs entsprechender Baumwolle weiterhin für hinreichend?

Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für Ihr China-Geschäft? Wie hoch schätzen Sie das Risiko ein, dass Sie in China aufgrund dieses Themas beispielsweise Boykott-Aufrufen ausgesetzt werden?

EU-Lieferkettengesetz

Das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) nimmt weiter konkrete Formen an. Vor zwei Wochen hat der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments seine Positionierung zum EU-Lieferkettengesetz beschlossen. Wie bewerten Sie diese Positionierung und werden Sie Einfluss auf den politischen Prozess nehmen?

Zu TOP 6: Ergänzung von § 19 der Satzung

Wir lehnen Ihren Vorschlag ab, den Vorstand zu ermächtigen, über die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung entscheiden zu können.

Das Format und die Art und Weise, wie eine Hauptversammlung durchgeführt wird, betreffen elementare Aktionärsrechte. Daher sollte die Hauptversammlung und nicht der Vorstand darüber entscheiden, zu welchen Bedingungen bzw. in welchem Format zukünftige Hauptversammlungen durchgeführt werden sollen. Zudem sollte die Hauptversammlung auch darüber entscheiden, ob als weitere Option ein hybrides Format umgesetzt werden soll, welches die Vorteile einer Präsenz-Hauptversammlung mit jenen einer rein virtuellen Veranstaltung vereint.

Planen Sie, die Möglichkeit einer hybriden Hauptversammlung zu prüfen? Bitte begründen Sie Ihre Antwort. Haben sie schon eine Tendenz, die nächste Hauptversammlung rein virtuell oder wieder in Präsenz stattfinden zu lassen? Was sind die Kriterien für Ihre Entscheidung?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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