Wir fordern einen Garantiefonds für Abfindungszahlungen für Arbeitnehmer*innen in den Adidas-Zuliefererbetrieben: Rede von Mauro Meggiolaro, Fondazione Finanza Etica

Mauro Meggiolaro spricht auf der Adidas-Hauptversammlung 2024

Guten Tag,

ich bin Mauro Meggiolaro und vertrete die Fondazione Finanza Etica, eine Bankstiftung mit Sitz in Florenz, Italien. 2017 gehörten wir zu den Gründern des europäischen Netzwerks für nachhaltiges Investorenengagement „SfC – Shareholders for Change“, das heute 17 Mitglieder mit einem verwalteten Vermögen von über 35 Milliarden Euro zählt.
Neben der Fondazione Finanza Etica haben drei weitere Mitglieder des Netzwerks Aktien oder Anleihen von Adidas in ihren Portfolios: Ecofi in Frankreich, Forma Futura Invest AG in der Schweiz und Friends Provident Foundation in Großbritannien. Auch sie vertrete ich heute bei der Versammlung. Diese Rede und die Fragen, die ich stellen werde, sind mit ihnen abgesprochen.

Der Grund, warum Shareholders for Change beschlossen hat, heute an der Adidas-Hauptversammlung teilzunehmen, ist die Besorgnis über die Kritik der Kampagne #payyourworkers, die von der Clean Clothes Campaign und anderen Organisationen unterstützt wird. Die Kampagne fordert Adidas, aber auch Nike, Hugo Boss und andere große Marken auf, einen Garantiefonds für Abfindungszahlungen für diejenigen Arbeitnehmer*innen einzurichten, die bei Zulieferunternehmen in solchen Ländern beschäftigt sind, in denen umfassende Sozialschutzsysteme fehlen oder keine Garantiefonds für entlassene Arbeitnehmer*innen existieren. Diese Forderung entspringt einer echten Notlage, die schon seit einiger Zeit besteht. Man kann sogar sagen, dass sie in diesem Sektor strukturell bedingt ist, sich aber durch die Covid-19-Pandemie noch verschärft hat. Die Einzelheiten der Forderungen der #payyourworkers-Kampagne sind Adidas bekannt, deshalb halte ich es nicht für sinnvoll, sie zu wiederholen. Stattdessen möchte ich mich auf die finanziellen Aspekte konzentrieren, die für uns als Investoren von besonderem Interesse sind.

Im Rahmen der von #payyourworkers vorgeschlagenen Vereinbarung würde Adidas einmalig 0,5 % seiner gesamten FOB (Free on Board) Kosten und damit der Gesamtkosten der von den Subunternehmern produzierten Waren zurückstellen. Die Rückstellung würde dann in den Garantiefonds für Entlassungsabfindungen eingezahlt werden. Da die gesamten FOB Kosten von Adidas nicht bekannt sind, haben wir eine sehr konservative Schätzung vorgenommen und uns dabei an einer Faustregel in der Bekleidungsindustrie orientiert, nach der die FOB 25 % der Gesamteinnahmen entspricht.
Der Gesamtumsatz der Adidas-Gruppe lag 2023 bei 21,427 Mrd. EUR. 25%, und damit unsere geschätzte FOB, würden 5,36 Mrd. EUR entsprechen. 0,5% dieser Summe, die in den Garantiefonds eingezahlt werden müsste, entspräche 26,78 Mio. EUR, d.h. 0,125% des Gesamtumsatzes von Adidas in 2023. Wenn wir davon ausgehen, dass die im Fonds angesammelte Summe den Bedarf von mindestens 5 Jahren deckt, sprechen wir von 0,025 % der Summe der Einnahmen von 5 Jahren, vorausgesetzt, sie bleiben gleich wie im Jahr 2023. Wenn wir dann bedenken, dass die Einnahmen in der Realität oft bis zum 8-fachen der FOB betragen, könnte der Prozentsatz der Gesamteinnahmen, der von Adidas in einem Jahr verlangt wird, um mehrere Jahre abzudecken, nur 0,06% betragen, also insgesamt 13,39 Millionen Euro. Das ist unserer Meinung nach eine lächerlich kleine Zahl.

Als verantwortungsbewusste Aktionär*innen fragen wir uns daher, warum Adidas sich nicht dazu entschließt, diesen Betrag zu zahlen, wenn man bedenkt, welch außerordentlich positive Auswirkungen dies auf die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der gesamten Lieferkette haben würde. Außerdem würden dadurch erhebliche Reputationsrisiken für Adidas vermieden.

Das ist also die erste Frage: Warum weigert sich Adidas, die Vereinbarung abzuschließen, obwohl es sich dabei um eine sehr kleine Summe handelt, die jedoch außerordentliche Auswirkungen hätte und das Unternehmen als Vorreiter bei der Achtung der Arbeitnehmer*innenrechte und der Verbesserung des Arbeitsklimas bei den Zulieferern positionieren würde?

Die zweite Frage betrifft die Methode zur Berechnung des Pauschalbetrags, den Adidas zu zahlen hätte. Vorhin habe ich versucht, die FOB zu schätzen. Aber wie hoch ist die Gesamt-FOB von Adidas im Jahr 2023 wirklich? Können wir diese Zahl erfahren?

Meine letzte Frage bezieht sich auf die Dividende, die heute beschlossen werden soll. Adidas bestätigt die letztjährige Dividende von 0,70 € pro Aktie. Der Unterschied zum letzten Jahr besteht darin, dass die Adidas Gruppe (Konzernbilanz) dieses Jahr zum ersten Mal seit 30 Jahren mit einem Verlust von 58 Millionen Euro abgeschlossen hat. Im letzten Jahr lag der Gewinn auf Konzernebene bei 254 Millionen Euro. Die Adidas AG hingegen, deren Jahresabschluss heute gebilligt wird, schloss 2023 mit einem Jahresfehlbetrag von 189 Mio. EUR ab, verglichen mit einem Gewinn von 2,057 Mrd. EUR im Jahr 2022. Den Gewinnvortrag der Adidas AG, in Höhe von 598 Millionen EUR wird zur Deckung der Verluste und zur Ausschüttung der Dividende verwendet. Nur für die Dividende werden etwa 125 Mio. EUR verwendet. Wir stellen fest, dass Adidas, um den Aktionären die gleiche Dividende zu garantiere, bereit ist, Rücklagen in Höhe von 125 Mio. EUR aufzubrauchen, obwohl es keinen Gewinn erzielt hat. Warum können dann nicht 13 bis 27 Millionen Euro (je nachdem, ob die Schätzungen mehr oder weniger konservativ sind) zur Verfügung gestellt und in den mehrjährigen Garantiefonds für Abfindungen in Ländern, die diese nicht vorsehen, eingezahlt werden?

Als nachhaltige Aktionäre kündigen wir an, gegen die Dividendenausschüttung (Tagesordnungspunkt 2) zu stimmen.

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