Rede Barbara Happe

Sehr geehrte Damen und Herren vom Vorstand und Aufsichtsrat der Allianz, werte Aktionäre und Aktionärinnen,

mein Name ist Dr. Barbara Happe und ich arbeite seit 15 Jahren als Finanzreferentin bei der  Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald.

Zugleich spreche ich heute hier auch als Vorstandsmitglied des Dachverbandes der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Sehr geehrter Herr Diekmann, bevor wir Sie in den wohlverdienten Ruhestand entlassen, möchten wir Ihnen gerne nochmals aus der Perspektive einer Umweltorganisation, ein paar bilanzierende Worte zuwerfen zum Thema Nachhaltigkeit bei der Allianz.

Sie haben sich 2012 öffentlich zu diesem Thema bekannt, seither im Vorstand erste ernsthafte Beschlüsse dazu gefasst, ein Nachhaltigkeitsteam etabliert und sogar, was in der Branche wirklich eher unüblich ist, ein Nachhaltigkeitskomitee etabliert, das von Vorstandsmitgliedern geleitet wird. Sie haben Fragenkataloge für heikle Branchen entwickelt und lassen ihr Personal schulen. OK, das sind schon mal richtige, erste Schritte.

Strukturen wurden verändert – Prüfprozedere verstärkt. Doch welchem Ziel, welchen konkreten Zwecken dient das Ganze???

Es scheint, als wisse die Allianz selbst gerade noch nicht, wohin ihre Nachhaltigkeitsreise gehen soll.

Aus Umwelt- und Menschenrechtsperspektive betrachtet, haben wir den Eindruck, dass sich die Allianz GERADE verzettelt. Anstatt Portfolien konkret neu auszurichten und den großen Bekenntnissen auch praktische Taten folgen zu lassen, werden immer neue, immer umfassendere Strategiepapiere geschrieben.

Anscheinend haben Sie Angst, KONKRET zu werden, sich festzulegen und konkret zu positionieren. Sie wollen ihren Kunden nicht auf die Füße treten und sich auch auf nichts so richtig festnageln können.

Doch: Wohlklingenden Worten müssen um Ihrer Glaubwürdigkeit willen jetzt endlich auch einige konkrete Taten folgen!

Jetzt antworten Sie mir bestimmt gleich, Ihre konkreten Taten bestünden darin, den Dialog mit ihren Kunden zu suchen. Um dann im Gespräch auf die Kunden einzuwirken und sie zu einer nachhaltigeren Geschäftspraxis zu ermutigen.

Dazu möchte ich Ihnen, Herr Diekmann, dann aber bereits jetzt folgendes antworten: Dialog kann nur unter bestimmten Bedingungen funktionieren – mit schwarzen Schafen: notorischen Umweltsündern oder Menschenrechtsverletzern – macht er definitiv keinen Sinn.

  1. Inwiefern verfügt die Allianz bereits über eine „black list“ von Unternehmen, in denen Sie keine Eigenanlagen anlegen oder mit denen sie keine Versicherungsgeschäfte machen? Wie lang ist Ihre Liste?
  2. Inwiefern gibt es vielleicht doch schon Ausschlusskriterien, die nur noch nicht veröffentlicht worden sind? Was sind denn Geschäfte, die die Allianz kategorisch nicht versichern würde? In welche Art von Unternehmen aus welchen Sektoren würden Sie prinzipiell nicht investieren?

Definieren Sie hier und heute doch mal LAUT UND DEUTLICH, was für Sie „schwarze Schafe“ sind? Was für Sie wrong business, wrong client und wrong behaviour ist!

Auch global agierende Wirtschaftsunternehmen geben sich heutzutage einen Wertekanon, nach dem sie handeln. Daran kommt auch die Allianz nicht vorbei. Auch die Allianz braucht eine Investitionsstrategie und ein Versicherungsmodell, das neben Dialogstrategien auch Ausschlusskriterien für schwarze Schafe kennt.

Wenn man ganz genau auf ihre Praxis schaut, dann fallen einige kleine Kurskorrekturen rund um das Thema „Ausschlusskriterien“ auf. Aber die sollen anscheinend noch „streng-geheim“ bleiben. Weil sie vielleicht doch eher „zufällig“ sind und nicht Teil einer Strategie?

  • Beispiel: Kohlebergbau mit MTR: Auf der letzten HV haben Sie auf Nachfrage mitgeteilt, dass Sie im Rahmen ihrer Vermögensverwaltung keine Eigenanlagen mehr von den großen US-Unternehmen wie Arch Coal oder Alpha Natural Resources im eigenen Portfolio haben. Diese Unternehmen stehen in der Kritik, weil sie in einer besonders schädlichen Form des Kohleabbaus, dem Mountain Top Removal, verstrickt sind. SCHÖN! Ist es aktuell noch der Fall, dass die Allianz nicht in die wichtigsten MTR-Firmen investiert ist?

WENN JA, WARUM SCHREIBEN SIE DANN BITTE NICHT NIEDER, DASS SIE NICHT IN SOLCHE UNTERNEHMEN INVESTIERT SEIN WOLLEN?

So wie das zahlreiche andere Finanzinstitute vor ihnen schon längst gemacht haben, weil sie MTR für eine nicht mit ihrem Nachhaltigkeitsanspruch zu vereinbarende Technik halten.

  • Beispiel Atomwaffenhersteller: Nach neuesten Recherchen der Internationalen Kampagne zur Ächtung von Atomwaffen, ICAN, haben Sie im letzten Jahre ihre Investitionen in führende Atomwaffenhersteller deutlich zurückgefahren.

AUCH HIER: GUT ZU HÖREN, ABER WAS STECKT DAHINTER? Handelt es sich nur um eine spontane Momentaufnahme und haben Sie prinzipiell weiterhin nicht die Absicht, Investitionen in diese kontroversen Waffensysteme zumindest zu reduzieren oder gar einzustellen? Falls eine Strategie dahinter steckt, würde uns die natürlich interessieren.

Bei weiteren, von uns ebenfalls immer wieder angesprochenen Themen, bewegt sich aktuell noch nichts. Konkret würde uns in diesem Kontext noch Ihre Position zum Thema „Ölbohrungen in der Arktis“ interessieren? Haben Sie da schon was entschieden? Noch sind sie weiter stark in den russischen Staatskonzern Gazprom investiert, in den Konzern, der in der Arktis unter schlechten Sicherheitsbedingungen nach Öl bohrt.

Herr Diekmann, Sie können sich jetzt gelassen zurücklehnen. Sie haben den Nachhaltigkeits-Zug bei der Allianz auf den Weg gebracht. Jetzt ist es an Ihrem Nachfolger, an Ihnen, Herr Bäte, diesen Zug so richtig zum Fahren und Rollen zu bringen.

Es gibt viel zu tun! Starten Sie um Ihrer Glaubwürdigkeit willen endlich durch! Trauen Sie sich, zumindest einige Pflöcke einzuschlagen!!

Denn nur so kann die Allianz zukünftig weiteren Schaden – für den eigenen Ruf und für Mensch und Umwelt weltweit – begrenzen.

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