Rede Christian Russau

Sehr geehrte Damen und Herren von Vorstand und Aufsichtsrat der Allianz, werte Aktionärinnen und Aktionäre,

meine Name ist Christian Russau und ich spreche hier im Namen des von GegenStrömung, einer Initiative, die sich für menschenrechtskonformes Handeln von Unternehmen einsetzt.

Die Allianz schreibt sich NACHHALTIGKEIT ganz groß auf ihre Fahnen! Kaum eine Broschüre der Allianz, die nicht auf ökologische Nachhaltigkeit, Verantwortung für Umwelt und soziale Nachhaltigkeit des Konzernagierens verweist.

Aber – wie sieht das denn in der Praxis aus?

Herr Diekmann erwähnte eingangs die vermeintlich „bindenden Richtlinien“, die sich die Allianz gegeben hätte, sowohl für das Versicherungsgeschäft als auch für die eigenen Anlagen. Ich will daraus nur zwei Stichworte herausgreifen: „Zwangsumsiedlungen“ und „Nicht-Einhaltung von Auflagen“.

Schauen wir uns das in der Allianz-Praxis mal genauer an.

Staudämme und Wasserkraft, wenn es dabei um „Monsterprojekte“ geht, sind alles andere als sozial und ökologisch nachhaltig. Und die Allianz hat den Staudamm Belo Monte im brasilianischen Amazonasgebiet versichert. Die Allianz hat 5 Prozent der Versicherungssumme der rund 8 Milliarden Euro Baukosten des Belo Monte-Staudamms übernommen.

Bereits im vergangenen Jahr waren wir deshalb hier und haben gemeinsam mit brasilianischen Vertreterinnen der lokalen Widerstandsbewegungen gegen die Großstaudämme protestiert.

Für den Staudamm Belo Monte werden 20.- bis zu 40.000 Menschen zwangsumgesiedelt, die ersten Umsiedlungen haben im Januar dieses Jahres in Altamira begonnen. Herr Diekmann, wie war das mit dem Stichwort „Zwangsumsiedlungen“? Wo sind denn nun Ihre „Ausschlusskriterien“?

Ihre Antwort damals: Belo Monte erbringe „erheblichen und dauerhaften Nutzen“ und „Die Wasserkraft ist für Brasilien mit Abstand die wichtigste Energiequelle und vermeidet eine bedeutende Menge an schädlichen CO2-Emissionen“ und „Brasilien ist ein demokratischer Rechtsstaat“.

Dem ließe sich eine ganze Reihe von Punkten entgegnen: die Fakten wissenschaftlicher Untersuchungen über Methanausstoß durch tropische Stauseen sprechen deutlich gegen die vermeintliche „Klimafreundlichkeit“ eines solchen Projekts, der Verlust an Biodiversität ebenso, von den 40.000 durch den Staudammbau betroffenen Menschen ganz zu schweigen. Und die Vielzahl an Verfassungsklagen gegen Belo Monte zeigt, dass Großprojekte bis heute oftmals ohne alle erforderlichen Genehmigungen realisiert werden

Zudem muss ich Ihnen leider noch ein update geben: Es hat in den vergangenen Jahren wiederum mehrere gerichtlich verordnete Baustopps gegeben, wieder hat es Bauplatzblockaden gegeben und wieder sind neue Klagen gegen das Projekt eingereicht worden und wieder hat es richterliche Entscheidungen gegeben, die auf grundlegende Probleme hinweisen. So wurde u.a. höchstrichterlich festgestellt, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung des Projektes fehlerhaft und unvollständig ist, dass wichtige Auflagen, die schon vor Beginn der Bauarbeiten hätten erfüllt sein müssen, noch immer nicht umgesetzt worden sind. Die Umweltverträglichkeitsprüfung muss binnen 90 Tagen neu gemacht werden, sonst erleidet das Bauprojekt erneut einen Baustopp.

Wie war das mit dem Stichwort „Nicht-Einhaltung von Auflagen“?

Wie kann es sein, dass die Allianz ein solches Projekt versichert, wo doch „Nachhaltigkeit“ so eines der zentralen Ziele des Konzernhandelns sei?

Ich frage Sie als Vorsitzenden des Vorstands der Allianz. Ich frage Sie: Wie kann die Allianz meinen, den Belo Monte-Staudamm zu versichern, wenn bei diesem Staudamm nationale Gesetze immer wieder missachtet werden? Welche konkreten Maßnahmen hat die Allianz mit welchem Erfolg unternommen, um das Baukonsortium zur Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und die Einhaltung der Bauauflagen zu bewegen?

Darüber hinaus würde uns interessieren, wie viele und welche weiteren Staudämme die Allianz aktuell in Brasilien versichert?

Unsere Recherchen haben ergeben, dass die Allianz zumindest auch den Bau des Staudamms Jirau am Rio Madeira in Rondônia mitversichert.

Jirau und Santo Antonio, beide am Rio Madeira. Dort gab es unlängst die seit Menschengedenken größten Überschwemmungen – und die Staudammbetreiber mussten den von den Fluten betroffenen Menschen Entschädigungen zahlen. Tja, wenn selbst Gerichte das feststellen, wie weit kann man denn den vorangegangenen Umweltverträglichkeitsprüfungen (die nun gerichtclich als unzureichend deklariert wurden) trauen? Wieso berufen Sie sich immer auf diese UVP? Tun Sie das noch immer, nun wo die UVPs vom Rio Madeira (und neuerdings die vom Xingu) alle von gerichts wegen geschasst wurden?

Beim Fall Jirau würde mich zudem interessieren: wie ist der Stand der Klage des Versicherungsverbunds? Laut Zeitungsmeldungen hatten Allianz und Co. geklagt, weil sie Entschädigungen (laut Dow Jones Newswire 550 Mio Dollar, siehe http://english.capital.gr/News.asp?id=1438696) zahlen sollten, weil Arbeiter/innen auf dem Baugelände aus Wut über die Arbeitsbedingungen Einrichtungen zerstört hatten. Wieso war erwogen worden, den Fall vor ein internationales Schiedsgericht in Großbritannien zu verlegen? Wenn wir das Vorgehen der Allianz kritisieren, dann berufen Sie sich ganz schnell auf die Rechtsstaatlichkeit in Brasilien und das Funktionieren der dortigen Justiz. Aber dann scheinen Sie der Justiz dort doch nicht so ganz trauen oder wie kann ich den Ausweichversuch zu einem internationalen Schiedgericht verstehen? Wie ist der aktuelle Stand dieses Vorgangs?

Es stünde der Allianz gut zu Gesicht, sich in Zukunft aus solchen umstrittenen und fragwürdigen Projekten herauszuhalten, sich an international etablierten Standards wie den Empfehlungen der Weltstaudammkommission zu orientieren und sich endlich umfassende und verbindliche Standards zu geben, damit auch ein/e jede/r in jeder Abteilung klare Ansagen hat, welche Art von Projekten die Allianz versichert und welche eben prinzipiell nicht.

Leider sind die Staudammbeteiligungen im Versicherungsgeschäft nicht der einzige Skandal, meine Kolleginnen und Kollegen haben hierzu bereits ausführlich gesprochen.

Die Allianz ist zum Beispiel im Bereich Asset Managment mit 278 Millionen Euro beim Bergbaukonzern Vale investiert. Ich würde gerne wissen: wie teilt sich dieser Betrag auf in eigne Anlagen, Anlagen für Dritte und für Schuldverschreibungen?

Vale ist nicht nur eines der Unternehmen, die zum Betreiberkonsortium von Belo Monte gehören, sondern ist an einer ganzen Reihe weiterer Projekte beteiligt, deren Umweltvergehen und Beteiligung an Menschenrechstverletzungen lang ist: seiens es Arbeitsrechtsverletzunge bei Inco Vale in Kanada, Umweltzerstörung und Mißachtung lokaler Communieties in NewCaledonia oder in Peru, sei es das ThyssenKrupp-Stahlwerk in Rio de Janeiro, das gerade vor kurzem wiederum die definitive Betriebsgenehmigung nicht bekommen hat, sondern die provisorische Genehmigung durch den TAC-Vertrag (mit 1344 Bestimmungen) noch einmal um 2 Jahre verlängert bekommen hat, weil der Konzern noch immer nicht in der Lage ist, die Auflagen zu erfüllen (Wie war das mit dem Stichwort „Nicht-Einhaltung von Auflagen“?), sei es die Eisenerzförderung in Carajás in Amazonien, wo in der Zuliefererkette bei den Holzkohlfirmen immer wieder Sklavenarbeit entdeckt wird, seien es so höchstproblematische Bergbauprojekte in Mozambik, wo die Tausende von Familien von ihrem Land vertrieben wurden, um Platz zu machen für eine der größten Kohleminen der Welt, Moatize.

Es ist dringend erforderlich, dass die Allianz sich in Zukunft aus solchen Firmenbeteiligungen auch im Bereich des Asset-Managments nicht nur für die Eigenanlagen , sondern auch für für Dritte herauszuhält, sich endlich umfassende Standards gibt, die diesen Namen auch verdienen, damit auch ein/e jede/r in jeder Abteilung klare Ansagen hat, welche Art von Projekten die Allianz versichert und welche eben prinzipiell nicht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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