Rede Christian Russau

Sehr geehrte Damen und Herren von Vorstand und Aufsichtsrat der Allianz,
werte Aktionärinnen und Aktionäre,

mein Name ist Christian Russau und ich spreche hier im Namen von GegenStrömung, einer Initiative, die sich für menschenrechtskonformes Handeln von Unternehmen einsetzt, und für das Belo Monte-Netzwerk, in dem sich ca. 25 Organisationen und engagierte Einzelpersonen aus den Bereichen Brasiliensolidarität, Menschenrechte, Entwicklungspolitik und Umweltschutz zusammengeschlossen haben, um auf die katastrophalen Folgen aufmerksam zu machen, die die Großstaudämme in Brasilien anrichten.

Sehr geehrte Damen und Herren von Vorstand und Aufsichtsrat der Allianz, werte Aktionärinnen und Aktionäre,

Sehr geehrter Vorstand, ich muss leider nachhaken, denn eine Frage meiner Kollegin Frau Verena Glass war von Ihnen nicht beantwortet worden. „Welche Folge hätte ein vom Obersten Gericht Brasiliens ausgesprochener Baustopp für Ihren Firma: Wären Sie gegenüber den Baufirmen regresspflichtig? Deckt Ihre Versicherung das Risiko eines gerichtlichen Baustopps ab? Falls nicht, werden Sie im Falle einer Baustopps auf Erhalt ihrer Prämien bestehen?“ Des Weiteren möchte ich Sie bitten, mir die Vertragsklauseln zu erläutern. Gibt es Umwelt-und Sozialklauseln, und wenn ja, wie werden diese überprüft? Die Allianz schreibt sich NACHHALTIGKEIT ganz groß auf ihre Fahnen! Kaum eine Broschüre der Allianz, die nicht auf ökologische Nachhaltigkeit, Verantwortung für Umwelt und soziale Nachhaltigkeit des Konzernagierens verweist. Nun sind Staudämme und Wasserkraft, zumal Monsterprojekte wie der von meiner Kollegin Verena Glass angesprochene Staudamm Belo Monte alles andere als sozial und ökologisch nachhaltig. Zur Allianz-Gruppe zählt die Allianz Climate Solutions (ACS): diese „ist das Kompetenzzentrum der Allianz Gruppe rund um den Klimaschutz mit dem Fokus auf Erneuerbare Energien“.

Dr. Armin Sandhövel ist CEO der Allianz Climate Solutions. Noch im Juni 2010 hat er brasilianischen Medien zufolge gesagt, die mit dem Bau großer Wasserkraftwerke wie Belo Monte einhergehenden Schwierigkeiten würden die Allianz von solchen Projekten fernhalten. ER ERWÄHNTE BELO MONTE HIERBEI EXPLIZIT ALS NEGATIVBEISPIEL, das man nicht absichern wolle. Ein Jahr später hat die Allianz dennoch 5 Prozent der Versicherungssumme der rund 8 Milliarden Euro Baukosten des Belo Monte-Staudamms übernommen. Weiß bei Ihnen im Konzern die linke Hand nicht, was die rechte tut? Oder steckt da Strategie und Absicht hinter? Wenn Sie in Ihrer Entgegnung auf unseren Gegenantrag erklären, Belo Monte erbringe „erheblichen und dauerhaften Nutzen“ und „Die Wasserkraft ist für Brasilien mit Abstand die wichtigste Energiequelle und vermeidet eine bedeutende Menge an schädlichen CO2-Emissionen“ – so missachten Sie alle Fakten wissenschaftlicher Untersuchungen über Methanausstoß durch tropische Stauseen, ignorieren den damit einhergehenden Verlust an Biodiversität und scheren sich in keiner Weise um die betroffenen 40.000 Menschen. Dies ist zynisch. Angesichts dieser enormen sozialen und Umweltkosten mit dem obendrein falschen Argument des Klimawandels zu kommen.

Belo Monte ist ein Verbrechen – und die Beteiligung der Allianz daran ist der Tat ein Skandal, v.a. für die betroffenen Bevölkerungen, die nicht angemessen entschädigt und deren Rechte nicht respektiert werden. Das Baugelände wird derzeit seit Tagen von über 200 protestierenden Indigenen besetzt gehalten, ein Baugelände, das Sie über eine Deckungssumme versichert haben. Die Bauarbeiter vor Ort haben sich mit den protestierenden Indigenen solidarisiert. Wie ignorant, wie zynisch, ja, mit Verlaub und bei allem Respekt, wie menschenverachtend ist es, als Versicherungskonzern Millionenprämien einzustecken, während die betroffenen Indigenen und Flussanwohner vor Ort um ihre Lebensgrundlage bangen müssen? Haben Sie überhaupt Kenntnis über die Situation der Betroffenen vor Ort? Hat jemals auch nur ein Vorstandsmitglied sich die Mühe gemacht, mit einem oder einer der Betroffenen zu reden? Oder unterschreiben Sie nur die Verträge und stecken die Millionenprämie ein?

Die gravierenden Probleme mit Großstaudämmen sind seit Jahrzehnten bekannt. Als Reaktion auf die verheerenden sozialen und ökologischen Erfahrungen mit vielen Großstaudämmen hat die Weltbank vor 15 Jahren die sogenannte Weltstaudammkommission ins Leben gerufen, die sich aus Vertretern der wichtigsten Konfliktparteien zusammengesetzt hat. Diese Kommission hat dann Richtlinien erarbeitet, der seither als neuer Standard für Dammbauprojekte gilt. Zahlreiche Finanzdienstleister wie z.B. die Commerzbank oder die HvB wenden diese Richtlinie für sich als Maßstab an. Daher frage ich Sie: welche Richtlinien gelten für die Allianz im Bereich Staudämme? Wenden Sie die Richtlinien der Weltstaudammkommission an? Und wenn nein, warum nicht?

Beim Blick auf diese Richtlinien zeigt sich nämlich, dass die Absicherung des Belo Monte- Staudamms gegen diese Richtlinien gleich an mehreren Stellen verstößt: keine bzw. mangelhafte Konsultation der Projektbetroffenen und indigenen Gemeinschaften und somit das Fehlen der Einwilligung der Projektbetroffenen zu dem Damm, Probleme bei der Umsiedlung, Fehleinschätzungen der ökologischen Auswirkungen, fehlerhafte Umweltverträglichkeitsstudien und nicht zuletzt eine mehr als fragwürdige gesetzliche Legitimierung des Projektes. Wegen Belo Monte steht die Allianz nun in der Kritik. Ich frage den Vorstand: an welchen weiteren Staudämmen in Brasilien beteiligt sich die Allianz in welcher Form? Bitte genaue Namensangaben der Staudämme bitte.

Herr Diekmann, Sie sind Vorsitzender des Vorstands der Allianz. Ich frage Sie: Wie kann die Allianz meinen, sich am Belo Monte-Staudamm beteiligen zu können, wenn bei diesem Staudamm nationale Gesetze immer wieder missachtet werden? Welche konkreten Maßnahmen hat die Allianz mit welchem Erfolg unternommen, um das Baukonsortium zur Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und die Einhaltung der Bauauflagen zu bewegen? Warum sehen Sie bei Belo Monte aktuell noch nicht die Notwendigkeit zur Aufkündigung der Geschäftsbeziehungen? Inwiefern ist aufgrund der zahlreichen Projektverzögerungen durch Gerichtsentscheide, Streiks, Bauplatzbesetzungen und Baustopps im Zusammenhang mit Belo Monte bereits ein Versicherungsfall eingetreten? Inwiefern sind Sie angesichts der Erfahrungen mit dem Belo Monte-Staudamm bereit, weiter Großstaudämme in Brasilien oder anderswo abzusichern?

Wir stellen fest, dass die Allianz im Bereich Staudämme anscheinend noch keine konkreten Nachhaltigkeitskriterien besitzt, Und da frage ich mich natürlich, ob die Allianz in anderen ökologisch und sozial sensiblen Bereichen da besser aufgestellt ist? Sehr geehrte Damen und Herren, nehmen Sie die Erfahrungen rund um den Belo Monte-Staudamm zum Anlass, sich endlich konkrete Nachhaltigkeitskriterien zu geben. Nur so können Sie auf dem Weg zu einem verantwortungsvoll handelnden Unternehmen einen glaubhaften Schritt vorankommen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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