Zu Tagesordnungspunkt 3: Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2021 nicht zu entlasten.
Begründung:
Der Aufsichtsrat kann seiner Aufgabe als Kontrollorgan des Vorstands weiterhin nicht glaubwürdig gerecht werden, um die Neuausrichtung der BASF unabhängig und kritisch-konstruktiv zu beaufsichtigen.
Die Unzufriedenheit der Aktionär:innen mit dem Aufsichtsrat bleibt hoch: Auf der Hauptversammlung 2021 verweigerten fast 20 Prozent dem Aufsichtsrat unter der neuen Leitung von Dr. Kurt Bock die Entlastung. Das ist sowohl im Vergleich mit üblichen Zustimmungswerten anderer DAX-Aufsichtsräte als auch zu früheren BASF-Aufsichtsräten ein deutliches Misstrauensvotum.
Fehlende Unabhängigkeit: Kurt Bock verantwortlich für Deals mit Gazprom und Abhängigkeit von russischem Gas
Auch wir können weiterhin nicht sehen, dass der Aufsichtsrat unter der Führung von Dr. Kurt Bock als ehemaliger Finanzvorstand und Vorstandsvorsitzender mit der nötigen Distanz und Unabhängigkeit dafür sorgen kann, den aktuellen Vorstand gerade bei Defiziten und mangelndem Tempo beim Umbau hin zu deutlich klimafreundlicheren Geschäftsmodellen (siehe unseren Gegenantrag zu TOP 4) kritisch-konstruktiv zu beaufsichtigen.
Im Gegenteil: Viele der strategischen Entscheidungen, die Dr. Kurt Bock mitzuverantworten hat, holen die BASF heute wieder ein: die massive Abhängigkeit von fossilem Erdgas, vor allem von Erdgas auch und gerade aus Russland. Fossiles Erdgas macht mehr als 80 Prozent der fossilen Brennstoffe aus, die für zentrale Strom- und Dampferzeugungsanlagen der BASF benötigen werden.
Spätestens seit dem Pariser Klimaschutzabkommen 2015 hätte auch die BASF die Weichen für die Abkehr von fossilen Energieträgern stellen müssen. Die Nichtreaktion macht den Umstieg heute und in den kommenden Jahren nur noch schwieriger.
Trotz der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland verkaufte die BASF das Gashandels- und Gasspeichergeschäft der Tochter Wintershall in Deutschland vollständig an den russischen Staatskonzern Gazprom. Im Gegenzug erhielt Wintershall einen anteiligen Zugriff auf ein Erdgasfeld in Westsibirien. Der BASF erschien die Förderung von Öl und Gas lukrativer als der politisch regulierte Gashandel. Die politischen Risiken gemeinsamer Geschäfte mit Gazprom waren schon damals bekannt, hielten aber niemanden bei der BASF davon ab, Gazprom auch Zugriff auf Erdöl und Erdgas in der Nordsee zu gewähren. Wenn die BASF heute versucht, die Verantwortung für diesen Deal allein auf die Politik zu schieben, darf nicht vergessen werden, dass damals auch dem aktuellen Chefaufseher der BASF gemeinsame Gewinne mit Gazprom zu Lasten des Klimas wichtiger erschienen als eine Umstellung der Energieinfrastruktur Europas hin zu erneuerbaren Energien. Vielmehr forcierte auch die BASF den Bau der Gas-Pipeline Nord Stream 2 und verschärfte damit die Abhängigkeit insbesondere Deutschlands von russischem Gas. Fakt ist: Der Stopp von Nord Stream 2 und die folgende Milliardenabschreibung hat zu einem Gewinneinbruch der BASF im ersten Quartal 2022 geführt.
Wenn nun trotz Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine der BASF-Vorstand sowohl das langjährige Festhalten an Nord Stream 2 als auch gemeinsame Geschäfte mit Gazprom verteidigt und sich gegen Importstopps von Gas aus Russland ausspricht, sind vom Aufsichtsrat weder kritische Anmerkungen noch produktive Impulse in Richtung nachhaltigen Umbaus der Energieinfrastruktur zu erwarten.
Unzureichende Reaktion auf die Gräueltaten und mutmaßlichen Kriegsverbrechen in der Ukraine
Als Reaktion auf die Gräueltaten und mutmaßliche Kriegsverbrechen der russischen Armee in der Ukraine hätte der Aufsichtsrat zumindest den Vorstand der BASF und von Wintershall Dea auffordern können, die Produktion von Öl und Gas der Wintershall Dea in Russland zu stoppen. Wintershall Dea produzierte 2021 fast die Hälfte seines Öls und Gases in Russland und beabsichtigt, die laufende Produktion und die Joint Ventures mit Gazprom, Novatek und Lukoil in und außerhalb Russlands aufrechtzuerhalten. Zwar ist die Beteiligung Nord Stream 2 abgeschrieben, die Beteiligung an Nord Stream 1 besteht jedoch weiterhin und ist ebenfalls mit sehr hohen Risiken verbunden. Es ist offensichtlich, dass die russische Armee auf eine funktionierende Ölproduktion in Russland angewiesen ist.
Nach den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) sollten Unternehmen in bewaffneten Konflikten eine verstärkte menschenrechtliche Sorgfalt walten lassen, um erhöhte Risiken zu erkennen, zu vermeiden und zu mindern und einen konfliktsensiblen Ansatz zu verfolgen. Die Unternehmen müssen dies tun, weil die Gefahr grober Menschenrechtsverletzungen groß ist. Unternehmen müssen es auch vermeiden, zu Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht beizutragen.
Zu Tagesordnungspunkt 4: Entlastung der Mitglieder des Vorstands
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2021 nicht zu entlasten.
Begründung:
Der Vorstand der BASF kommt weiterhin nicht hinreichend seiner Verantwortung nach, wirksamere Maßnahmen für den Schutz von Klima, Biodiversität und Gesundheit umzusetzen.
Sorge um Erdgasmangel offenbart Defizite beim Klimaschutz
Nicht erst seit Putins Angriffskrieg ist dem Vorstand die fatale Abhängigkeit nahezu aller Produktionsabläufe der BASF von fossilen Energieträgern, vor allem von fossilem Erdgas, bekannt. Doch mit der Diskussion um mögliche Sanktionen und Engpässe bei der Erdgasversorgung offenbart sich dramatisch die große Schwäche des eigentlichen Standortvorteils der BASF, die Verbundintegration zur effizienten Ressourcennutzung.
Wenn nun Dr. Martin Brudermüller öffentlich davor warnt, dass die BASF am größten Standort in Ludwigshafen die Produktion vollständig herunterfahren müsste, sollte die Erdgasversorgung dauerhaft unter die Hälfte des lokalen Bedarfs der BASF fallen, ist das auch ein Eingeständnis, dass die nötige Transformation, die konsequente Abkehr von fossiler Energie, nicht mit dem durch die Klimakrise nötigem Tempo vorangetrieben wird.
Klimaziele in Gefahr
Ist nun kurzfristig ein Umstieg auf Flüssiggas (LNG) nötig, ist das Erreichen der ohnehin nicht ambitionierten Klimaziele der BASF in Gefahr: Die Herstellung von LNG ist besonders energieintensiv, und während des gesamten Lebenszyklus von LNG treten Methanlecks auf. Zur Herstellung von LNG wird fossiles Gas zunächst stark abgekühlt, um es zu verflüssigen, dann auf LNG-Tanker geladen und zu weit entfernten Häfen verschifft, wo es wieder in Gas umgewandelt werden muss, bevor es in einem Kraftwerk verbrannt werden kann. Fast die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen von LNG entsteht also, bevor überhaupt Strom oder Wärme erzeugt wird. Wenn das fossile Gas dazu noch durch Fracking gefördert wurde, dann ist LNG ähnlich klimaschädlich wie Kohle und deutlich klimaschädlicher als Pipelinegas aus konventionellen Lagerstätten.
Kaum sinkende direkte Treibhausgasemissionen, steigende Emissionen in der Wertschöpfungskette
Auch aktuell bleibt die Klimabilanz der BASF katastrophal. Nach einem Anstieg der direkten Emissionen (Scope 1 und 2) sind diese 2021 um weniger als drei Prozent gesunken. Die Emissionen der BASF-Wertschöpfungskette (Scope 3) stiegen 2021 sogar um fast zehn Prozent auf 101 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Für die Wertschöpfungskette fehlen weiterhin klare Reduktionsziele und effektive Maßnahmen, diese schnellstmöglich entsprechend den Anforderungen des Pariser Klimaschutzabkommens zu senken.
Pestizide: Doppelte Standards mit erheblichen gesundheitlichen und finanziellen Risiken
BASF vertreibt in Ländern des globalen Südens hoch gefährliche Pestizide, die in der EU nicht genehmigt sind. So zum Beispiel in Brasilien: Im Jahr 2019 befanden sich in BASF-Produkten Wirkstoffe wie Chlorfenapyr, Clothianidin, Cyanamide (H & Ca Cyanamide), Fipronil, Flocoumafen, Flufenoxuron, Glufosinat, Imazapic, Imazapyr, Imazethapyr, Quinclorac, Saflufenacil, Sethoxydim. Darüber hinaus unterstützt BASF über ihre Mitgliedschaft in mindestens vier Industrieverbänden, wie die brasilianischen Investigativjournalist:innen von De Olho nos Ruralistas herausfanden, das industriefreundliche Lobbyinstitut Instituto Pensar Agropecuária (IPA), das laut der genannten Recherche direkt Gesetzestexte erarbeitet, die dann von der Großfarmerfraktion der sog. „ruralistas“ in den brasilianischen Nationalkongress eingebracht wird.
BASF hatte dem Dachverband der Kritischen Aktionär:innen gegenüber bereits 2019 die bezahlte Lobbyarbeit von BASF zur Einwirkung auf die Gesetzgebung in Brasilien eingeräumt. Diese durch die Recherchen von De Olho nos Ruralistas bekannt gewordene Einflussnahme über das IPA zeigt jedoch eine noch viel weitergehende Einflussnahme auf die brasilianische Gesetzgebung, ganz im Sinne der Agrarchemikalienproduzenten und unter Inkaufnahme der Gefährdung von Mensch und Umwelt.
Die Praxis doppelter Standards beim Gesundheitsschutz sollte die BASF spätestens jetzt einstellen. Die deutsche Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag eindeutig festgelegt, von den rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, den Export von bestimmten Pestiziden zu untersagen, die in der EU aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit nicht zugelassen sind.
BASF sollte ohnehin dringend das Agrargeschäft überarbeiten, denn neben den Gefahren des Pestizideinsatzes für die Biodiversität ist schon mittelfristig der ökonomische Nutzen fraglich: Die EU strebt im Rahmen ihres Green Deal bis 2030 eine Pestizidreduktion um 50 Prozent an.
Zu Tagesordnungspunkt 6: Billigung des Vergütungsberichts nach § 162 Aktiengesetz
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Vergütungsbericht für das Geschäftsjahr 2021 nicht zu billigen.
Begründung
Der Vergütungsbericht bzw. das Vergütungssystem sind noch nicht an die neuen Klimaziele der BASF angepasst und nicht transparent genug, um kurzfristige und langfristige Leistungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung (ESG) im Vergleich mit der Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung nachvollziehen zu können.
Selbst ein Plus an Treibhausgasemissionen wird belohnt
Die Entwicklung der Treibhausgasemissionen sollte als Short-Term-Incentive (STI) und mit stärkerer Gewichtung in den Long-Term-Incentives (LTI) beachtet werden, sodass klare Anreize für eine jährliche Reduktion gegeben sind. Aktuell ist dies nicht der Fall, da allein das alte Klimaziel des „klimaneutralen Wachstums“ gilt. So wird nur ein Anreiz gegeben, den CO2-Ausstoß nicht über den Wert von 2018 steigen zu lassen. Die Folge: Selbst der Anstieg der CO2-Emissionen der BASF zwischen 2019 und 2020 führte zu einer Zielerreichung von 137 Prozent.
Die Entwicklung der CO2-Emissionen muss aber entsprechend der neuen Klimaziele der BASF langfristig Richtung netto Null gehen. Die neuen kurzfristigen und langfristigen Klimaziele der BASF müssen umgehend auch in das Vergütungssystem aufgenommen werden, zumindest sollte der Vergütungsbericht die Anwendung bereits überholter Zielvorgaben transparent machen. Das sollte auch gelten, sollten in Zukunft die Klimaziele erneut angepasst werden.
Vertikaler Vergütungsvergleich nicht vorhanden
Zudem sollten auch andere Aspekte von sozialen Wirtschaften beachtet werden. Zwar gibt der Vergütungsbericht die jährliche Veränderung der durchschnittlichen Arbeitnehmervergütung an, sodass diese mit den Veränderungen der Vorstandsvergütung verglichen werden kann. Es ist unklar, ob abweichende Entwicklungen der Vorstandsvergütung im vertikalen, also internen Vergleich zur Vergütung der Gesamtbelegschaft des Konzerns überhaupt vom Aufsichtsrat gemäß den Leitlinien des Deutschen Corporate Governance Kodex beachtet werden. Es sollte zumindest begründet werden, dass drei Vorstandsmitglieder 2021 über 200 Prozent mehr als 2020 verdient haben, die Belegschaft hingegen weniger als 20 Prozent. Es wäre transparenter, wenn das Verhältnis und die Entwicklung der Vorstandsvergütung und Arbeitnehmervergütung (vertikaler Vergütungsvergleich) aufgezeigt würde. So könnte die Angemessenheit der Vorstandsvergütung besser bewertet werden. 2020 verdiente der Vorstand das 39-fache der durchschnittlichen Arbeitnehmervergütung. Ob diese Ungleichheit im Konzern nun vergrößert oder reduziert wurde, lässt der Vergütungsbericht 2021 offen.