„Ludwigshafen ist arm wie eine Kirchenmaus. Wie kann dies sein?“: Rede einer besorgten Bürgerin

Sehr geehrte Damen und Herren des Vorstands und des Aufsichtsrats,
sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre!

Ich bin ehemalige Beschäftigte der BASF und wohne in Ludwigshafen. Ich spreche heute als Bürgerin von Ludwigshafen, als sehr besorgte Bürgerin ob der fast katastrophal zu nennenden Entwicklung unserer Stadt. Ich spreche zu dem Verhältnis BASF – Stadt – Geld.

Ludwigshafen ist mit 1,5 Mrd Euro verschuldet – und damit an der Spitze der verschuldeten Kommunen in der Bundesrepublik. Ludwigshafen ist zugleich eine Stadt der Mangelwirtschaft, in der der allgemeine Zerfall offensichtlich ist.

Einige wenige Beispiele: Die Fensterrahmen in den Schulen werden festgeschraubt, weil das Holz morsch ist und die Scheiben sonst herausfallen könnten. Die Schultoiletten können nicht mehr renoviert werden, der Straßenbahnverkehr wird reduziert, die Grünflächen werden nicht mehr ausreichend gepflegt, an der Rattenbekämpfung wird eingespart, die Gemeindehäuser verfallen. 10 % Kürzung bei der Kultur, der Etat des Kulturbüros um 25 % gekürzt. Straßen sind marode, an Maßnahmen zur Klimaanpassung ist nicht zu denken. Der Sanierungsstau beträgt inzwischen mehrere Hundert Millionen Euro. Dies alles ist für die Bürger/innen verbunden mit ständig steigenden kommunalen Steuern und Gebühren.

Ludwigshafen ist aber zugleich der Hauptsitz des weltgrößten Chemiekonzerns mit dem weltweit größten Verbundstandort, mit mehr als 35.000 Beschäftigten vor Ort und nochmals Tausende von Leiharbeitskräften.

Die BASF SE schüttet dieses Jahr erneut rund 3 Mrd Euro an Dividende aus, 3.000 Millionen Euro = das ist das Doppelte der Schulden von Ludwigshafen.

Und doch ist Ludwigshafen arm wie eine Kirchenmaus. Wie kann dies sein? Ludwigshafen müsste doch gewaltige Gewerbesteuereinnahmen haben und recht wohlhabend sein.

Meine Damen und Herren, Ludwigshafen hat in keiner der letzten 8 Jahre auch nur 200 Mio. Euro an Gewerbesteuer eingenommen – alle Unternehmen vor Ort eingerechnet

Die BASF hütet das Geheimnis ihrer Gewerbesteuerzahlen an die deutschen Kommunen wie ihren Augapfel. Berechnungen ergaben, dass sie auch in guten Ertragsjahren, maximal 50 Mio. Euro, Gewerbesteuer in Ludwigshafen – wahrscheinlich noch weniger – entrichtete. Wenn es mehr gewesen sein sollte – gerne berichtigen.

Ich möchte, werte Anteilseigner, ein kleines Beispiel geben, um die Größenordnung zu verstehen.

Der viel kleinere aber ebenfalls global agierende Konzern Boehringer, mit weltweit 176 Unternehmen, und einem Umsatz von nur etwa einem Drittel der BASF (ca. 24,1 Mrd Euro) zahlt ein Vielfaches an Gewerbesteuern an die Kleinstadt Ingelheim in einer Höhe, von der Ludwigshafen nicht einmal zu träumen wagt.

Wie kommt das?

Vielleicht, weil wie Böhringer – zumindest bislang – darauf verzichtete, die Kunst der sogenannten Steueroptimierung auszuschöpfen. Diese Kunst – ein ausgeklügeltes Systeme des Verschiebens von Gewinnen in ausländische Gesellschaften, um Steuern zu vermeiden beherrscht die BASF hervorragend. Deshalb glaube ich übrigens auch nicht an das schlechte Ergebnis in Ludwigshafen.

Unwidersprochen von Ihrer Kommunikationsabteilung, werte Herren des Vorstands, fand eine Studie der GRÜNEN im Europaparlament heraus, dass Sie in vier Jahren von 2010 – 2014 fast 1 Mrd Euro Steuern am Fiskus vorbeigeschleust hatten. In den Folgejahren war es sicher nicht anders.

Ein Steuerexperte der BASF erklärte vor einem Ausschuss der Europäischen Union, dies sei im Interesse der Anteilseigner, also von uns. Diese wollen wenig Kosten und das heißt: wenig Steuern bezahlen. Wollen wir alle hier dies wirklich?

Ich weiß, diese Art des Steuervermeidung ist legal, leider.

Nicht umsonst gibt die BASF allein in Deutschland 4 Millionen Euro für Lobbyarbeit aus, – mehr als sie in Deutschland Steuern bezahlt.

Im Lobbyregister werden die Steuern als ein Interessensfokus der BASF genannt (Rheinpfalz 4.04.2024). Wir müssen wohl davon ausgehen, dass auf diesem Wege die legalen Steuerlöcher weiterhin offen bleiben.

Gewerbesteuerrückzahlung

Dies ist noch nicht alles. Fast ein Viertel Jahrhundert (seit 2001) führte die BASF eine juristische Auseinandersetzung gegen die Landesfinanzbehörde Rheinland-Pfalz um die Höhe der sowieso schon mickrigen Gewerbesteuern. Es endete letztes Jahr mit einem Sieg für das Unternehmen.

Folge:

Die hoch verschuldete Stadt Ludwigshafen muss 170 Mio. Euro an Gewerbesteuer zurückzahlen, darunter allein Zinszahlungen von über 32 Mio. Euro. „Wir sind bei den Gewerbesteuereinnahmen jetzt auf dem Niveau einer Kleinstadt angelangt, sagt der Kämmerer, und „haben Ausgaben wie eine Großstadt“. Im Jahr 2023 hat die Stadt nur noch Gewerbesteuereinnahmen von ca. 12 (11,8) Millionen Euro zur Verfügung.

Werte Damen und Herren des Vorstands, Sie behaupten von sich, in ihrer Arbeit stets einen hohen ethischen Standard einzuhalten.

Ludwigshafen ist die Stadt, in der die BASF gegründet und groß wurde, ihren Stammsitz hat und wo alles auf die BASF hin orientiert ist, eine Stadt, die attraktiv sein sollte, um hoch-qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen. Die BASF sollte sich hier verpflichtet fühlen, diese Stadt mit einer ethischen, das heißt nicht-optimierten Gewerbesteuer zu unterstützen?

Das Untersuchungsergebnis Ihrer Studie im Rahmen von LUunited – ein Programm zur Zusammenfassung von Ehrenamtlichen – ergab u.a., die Ludwigshafener Sporthallen sind „Drecklöcher“. Allein dies könnten man mit dem Verzicht auf die Gewerbesteuerrückzahlung abschaffen.

Frage: Wie verträgt sich Ihr postulierter hoher Anspruch der sozialen Verantwortung mit der Steuervermeidungsstrategie zum Nachteil der Stadt Ludwigshafen und ihrer Bürger?

Herr Kamieth (der neue Vorstandsvorsitzende, Anm.) erklärte, ihm sei Offenheit wichtig. Hier schließt sich die Frage zu Ihrem Transparenzanspruch an:

In Ihren Unternehmensleitlinien habe ich folgenden Satz gefunden: „Wir alle sind dafürverantwortlich, dass wir mittels einer korrekten Buchführung und Rechnungslegung eine wahre, transparente und vollständige Darstellung unserer geschäftlichen Aktivitäten erreichen.“

Wieso schließen Sie die Steuertransparenz davon gänzlich aus ? Aus Angst vor Imageverlust?

Frage:

Welche Auswirkungen haben die Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung („Pillar-Two“), die mit Wirkung zum 28. Dezember 2023 in Deutschland in Form des Mindeststeuergesetzes („MinStG“) in Kraft getreten sind, auf die Höhe der Steuerzahlungen der BASF in Deutschland – um wie viel Euro werden sie höher sein?

Ich komme zum Schluss.

Die Aktionärinnen und Aktionäre fordere ich auf, den Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund seiner Steuerpolitik nicht zu entlasten.

Antwort des Vorstands auf die Fragen:

Der Vorstand Elvermann bestätigte den Gesamtbetrag von nur 3 Mio. Euro gezahlter Körperschafts- und Gewerbesteuer an allen Standorten in 2023 in Deutschland. Mehr als im Vorjahr, da seien es 2 Mio. Euro gewesen. Hurrah, eine Million mehr, man sollte dankbar sein? Und dann kam der reichlich vermessene Hinweis, durch die BASF erhalte Ludwigshafen große Steuerzahlungen, nämlich durch die Lohn-und Einkommenssteuer der Beschäftigten. Er vergaß zu erwähnen, dass die hoch bezahlten BASF-Beschäftigten es mehrheitlich vorziehen, außerhalb Ludwigshafens zu wohnen. Man zahle Steuern nach Recht und Gesetz. Eine Steueroptimierung werde nicht vorgenommen. Die Ertragslage sei einfach so schlecht in Deutschland.

Wer’s glaubt wird selig.

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