„Setzen Sie sich dafür ein, dass BASF nicht zum Profiteur des Völkermordes an den Uiguren wird!“: Rede von Haiyuer Kuerban, Weltkongress der Uiguren


Guten Tag,

mein Name ist Haiyuer Kuerban, ich bin Uigure und lebe seit 17 Jahren in Deutschland. Als ich 2006 zum Studieren hierher kam, wusste ich nicht, dass es mir schon bald nicht mehr möglich ist, in meine Heimat Ostturkistan, Autonome Region Xinjiang (wie sie auf Chinesisch heißt) zurückzukehren. Auch zwang mich die chinesische Regierung, den Kontakt zu meiner Familie abzubrechen, um nicht ihr Leben zu gefährden.

Meine Geschichte ist kein Einzelschicksal, sie steht für das, was Uiguren und Uigurinnen weltweit tagtäglich durchmachen müssen. Deshalb möchte ich mich herzlichst bei den Kritischen Aktionären bedanken, dass sie es mir ermöglichen, auf der BASF-Hauptversammlung für die uigurische Community weltweit zu sprechen. Sie werden sich wundern, warum ich heute hier zu Ihnen spreche, aber die BASF ist massiv in meiner Heimat tätig, in der die chinesische Regierung im Moment einen Völkermord begeht.

Zahlreiche geleakte Dokumente, wie zuletzt die Xinjiang Police Files, haben die katastrophale Menschenrechtslage in den Internierungslagern in der uigurischen Region dokumentiert. In diesen werden Millionen von Uiguren und anderen Turkvölkern indoktriniert, gefoltert und vergewaltigt. Das Ausmaß der Brutalität lässt sich nur schwer begreifen. Die gesamte uigurische Region gleicht mittlerweile einem Freiluftgefängnis. Uiguren werden dort auf Schritt und Tritt von einem Überwachungsapparat beschattet, der kein Vergleich zu der orwellschen Vorstellung ist. Zerstörung von Jahrtausend alten Kulturgütern, Zwangsarbeit, Trennung von Familien und Zwangssterilisierung, diese Verbrechen werden von der chinesischen Regierung systematisch jeden Tag begangen. Das Ziel: das uigurische Volk soll seiner Existenz beraubt werden. 10 Parlamente, darunter auch die EU, Frankreich, Großbritannien und die Niederlande, stuften mittlerweile die Menschenrechtsverbrechen der chinesischen Regierung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und/oder Völkermord ein.

In dieser Region betreibt die BASF zwei Joint Ventures mit dem chinesischen Unternehmen Xinjiang Markor Chemical Industry in der Korla Economic Development Technology Zone der Stadt Korla. In den beiden Joint Ventures der BASF arbeiten auch Uiguren. Laut offiziellen chinesischen Dokumenten wurden tausende uigurische Arbeiter in diese Industriezone der Stadt Korla unfreiwillig transferiert. Dort müssen Sie unter Bedingungen arbeiten, die einem sehr starken Verdacht der Zwangsarbeit stehen. Auch werden die Arbeiter gezwungen, Abendschulen in chinesischer Sprache zu besuchen, um ihrer uigurischen Identität abzuschwören.

Zudem besorgt uns, dass der BASF Joint Venture Partner Xinjang Markor Chemikal indirekt im Besitz der Xinjiang Zhongtai Group ist. Diese ist aktiv an den uigurischen Arbeitstransfers der chinesischen Regierung beteiligt, sowie an Indoktrinierung und Überwachung von uigurischen Arbeitern.

Die BASF hat wiederholt versichert, dass es in seinem Joint Ventures zu keiner Zwangsarbeit käme und dass Überprüfungen durchgeführt worden seien. Allerdings schließt die Ethnical Trading Initiative (ETI) eine unabhängige Überprüfung der Arbeitsbedingungen aufgrund der weitreichenden Repression aus. Auch deutsche Auditunternehmen wie der TÜV Süd haben sich aus der Region 2020 zurückgezogen, da Arbeiter und Arbeiterinnen nicht frei über die Menschenrechtslage sprechen können. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) äußerte sich alarmiert über die sogenannte „Armutsbekämpfungspolitik“ der chinesischen Regierung in der uigurischen Region.

Daher meine Fragen an Sie, Herr Brudermüller:

1.      Zunächst möchte ich Sie fragen, wie viele Uiguren und Angehörige anderer Turkvölker arbeiten in Ihrem Joint Venture mit Xinjiang Markor Chemikal?

2.      Welchen Anteil haben diese an der Gesamtbelegschaft der beiden Joint Ventures?

3.      Wie wollen sie effektiv internationale Arbeitsstandards in ihrem Joint Venture überprüfen, wenn dies selbst Auditfirmen, wie dem TÜV Süd, nicht mehr möglich ist? Bitte legen Sie dabei transparent dar, wie Sie dabei vorgehen.

4.      Bei den Überprüfungen, die durchgeführt wurden, wurden die Überprüfungsmechanismen an die spezifischen Gegebenheiten in der uigurischen Region angepasst?

5.      Welche Schwierigkeiten gab es während der Durchführung der Überprüfungen?

6.      Ist der Code of Conduct von BASF auch für die beiden Joint Ventures mit Xinjang Markor Chemikal gültig?

7.      Welche Schritte unternimmt die BASF, um nicht zum Profiteur des Völkermordes an den Uiguren und anderer Turkvölker zu werden?

Aber nicht nur in Bezug auf die katastrophale Menschenrechtslage, bleibt China ein großes wirtschaftliches und politisches Risiko, sondern auch in Bezug auf Chinas Position zum russischen Angriffskrieg sowie der Taiwan-Frage. Die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnte nach ihrer Rückkehr aus China davor, die Fehler in der Russlandpolitik zu wiederholen. Im Bundestag bezeichnete die Außenministerin ihren Besuch in Peking als „zum Teil mehr als schockierend“. Sie forderte in diesem Zusammenhang in der Tagesschau die Wirtschaft dazu auf, sich nicht von China erpressbar zu machen und stärker zu diversifizieren.

Herr Brudermüller, in Deutschland sollen in den nächsten Jahren mehrere Tausende Stellen gestrichen werden und Produktionskapazitäten von Deutschland nach China verlagert werden. Ist das Ihre Vorstellung von De-Risking bzw. Diversifizierung? Insgesamt soll das Chinageschäft der BASF massiv ausgebaut werden. So ist die BASF zusammen mit den drei großen Automobilhersteller Volkswagen, BMW und Daimler für den Großteil der deutschen Direktinvestitionen in China verantwortlich. Die BASF sowie die drei Autobauer begeben sich somit in eine äußerst gefährliche Abhängigkeit zu China. Sollte sich der Konflikt mit China weiter zuspitzen, gehen vor allem erst einmal die Lichter bei der BASF aus. Dazu folgende Fragen Herr Brudermüller:

8.    Wie bewerten Sie die Risiken einer zunehmenden Abhängigkeit der BASF von China auf den Unternehmenserfolg sowie die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands?

9.      Teilen Sie die Sorge, dass wichtige Kompetenzen der BASF nach China abwandern könnten?

Laut den Einschätzungen des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages können die Verbrechen der chinesischen Regierung an den Uiguren als Völkermord nach dem Römischen Statut bezeichnet werden. Auch die UN-Hochkommissariat für Menschenrechte spricht in diesem Zusammenhang von Internationalen Verbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit:

10.   Unter welchen Umständen würde sich die BASF, Herr Brudermüller, aus der uigurischen Region zurückziehen?

11.   Was außer einem Völkermord braucht es noch, bis die BASF eine rote Linie in der uigurischen Region überschritten sieht?

Uns Uiguren im Exil begleitet die ständige Ungewissheit, ob unsere Kinder, Eltern und Geschwistern noch am Leben sind. Ich appelliere an Sie, Herr Brudermüller, liebe Aufsichtsräte und Aktionäre, setzen Sie sich dafür ein, dass die BASF nicht zum Profiteur des Völkermordes an den Uiguren wird. Handeln Sie jetzt! Zeigen Sie, dass „Nie wieder” mehr als nur Worte sind!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/basf/setzen-sie-sich-dafuer-ein-dass-basf-nicht-zum-profiteur-des-voelkermordes-an-den-uiguren-wird-rede-von-haiyuer-kuerban-weltkongress-der-uiguren/

1 Ping

  1. […] Wir fordern Sie auf, aus den systematischen Risiken von Zwangsarbeit in China Konsequenzen zu ziehen. Ziehen Sie sich aus Osturkistan/Xinjiang zurück, die Unterdrückung der Uigur:innen ist zu umfassend, und eine unabhängige Überprüfung aufgrund der staatlichen Repression nicht möglich. Haiyuer Kuerban vom Weltkongress der Uiguren hat Ihnen diese Probleme bereits eindrücklich geschild… […]

Kommentare sind deaktiviert.