AKW-Neubauprojekte, atomares Risiko und Klimaschutz: Unsere Fragen an den Vorstand

Zum Thema atomares Geschäftsmodell

Jochen Stay von .ausgestrahlt .e.V. fragt:

Ausstieg aus dem atomaren Geschäftsmodell

  1. Ist Ihnen bewusst, dass während der gesamten Nutzungskette der Atomkraft radioaktive Emmissionen entstehen, dass der Betrieb von Atomkraftwerken mit Unfallrisiken verbunden ist, die von keinem Versicherungsunternehmen der Welt getragen werden, und dass es für den Umgang mit dem entstehenden Atommüll weltweit keine Lösung gibt?
  2. Wie passt  Bilfingers Beitrag zum Ausbau und Erhalt der Atomkraft angesichts der in der letzten Frage thematisierten und mit dieser Technologie unweigerlich verbundenen Probleme und Gefahren zur Selbstverpflichtung des Konzerns,  im Umgang mit Umweltproblemen einen vorsorgenden Ansatz zu unterstützen (Prinzip 7 Global Compact) und die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien zu fördern (Prinzip 9 Global Compact)?
  3. Welcher Anteil des Umsatzes und welcher Anteil des Gewinnes von Bilfinger SE ist auf Geschäftsaktivitäten im Zusammenhang mit Atomkraft zurückzuführen (Nuklear, Dienstleistungen und Komponenten für Atomkraftwerke, Rückbau, etc.)? Bitte unterteilen Sie die Antwort in die Segmente Engineering & Maintenance Europe, Engineering & Maintenance International und Technologies.
  4. Im Geschäftsbericht 2019 heißt es auf Seite 92: „Nuklearbedarf für Neubauten und Wartungsarbeiten steigt, insbesondere in Frankreich, Großbritannien und im Nahen Osten“.  In welchen Ländern weltweit hat Bilfinger SE bereits geschäftliche Aktivitäten im Zusammenhang mit Atomkraft zu verzeichnen oder plant, dort aktiv zu werden? Bitte listen sie auch geplante Exporte, Aufträge, sowie Letters of Intent und Vorabsprachen auf.
  5. Im Geschäftsbericht 2019 heißt es auf Seite 154: „Ebenso könnte eine zusätzliche Belebung der Nachfrage im Bereich der Kernenergie aufgrund der Zielsetzung zur Reduktion des CO2-Ausstoßes weitere  Ertragspotenziale in ausgewählten nationalen Märkten eröffnen.“ Um welche Länder handelt es sich dabei? Wie plant Bilfinger dort aktiv zu werden?
  6. Im Geschäftsbericht 2019 heißt es auf Seite 240: „Im Bereich Technologies liegen der Planung eine Beteiligung an den anstehenden Neubauprojekten  im  Kernenergiemarkt […] zugrunde.“ Mit welchen Neubrauprojekten in welchen Ländern plant Bilfinger?
  7. Studien belegen, dass Neubauten von Atomreaktoren vor allem in Ländern stattfinden, in denen hohe staatliche Subventionen für die Hochrisikotechnik gezahlt werden, die ein militärisches Interesse an der Nutzung der Atomkraft haben, oder in denen Freiheitsrechte eingeschränkt werden. Wie stellt Bilfinger sicher, dass es in keinen Projekten involviert ist, die nur durch die Einschränkung von Freiheitsrechten möglich wurden, oder bei denen ein militärisches Interesse an der Atomkraft besteht?

Beitrag zum atomaren Risiko

  1. Bilfinger beteiligt sich mit Flamanville 3, Hinkley Point C und Olkiluoto 3 an allen aktuellen Reaktorneubauprojekten in der EU. Dies sind die ersten neuen Projekte nach der Katastrophe von Tschernobyl. Alle diese Projekte zeichnen sich durch explodierende Kosten, zahlreiche Pannen und Unfälle und massive staatliche Subventionierung aus. In welchen Bereichen ist oder war Bilfinger in diesen Projekten jeweils involviert?  Welche Verhandlungen zu weiteren Aktivitäten laufen aktuell jeweils?
  2. Laut Pressemitteilung  vom 12.11.2020 setzt Bilfinger „ferngesteuerten Roboter zum Schneiden und Neuverschweißen der Hauptdampfübertragungsrohre“ beim französischen Atomkraftprojekt Flamanville 3 ein. Wie viele andere Firmen weltweit könnten diese Arbeiten zur Reparatur der fehlerhaft verschweißten Hauptdampfübertragungsrohre nach Einschätzung des Vorstandes übernehmen? Was ist der aktuelle Stand dieser Arbeiten? Wann wurde diese Art der Reparatur von der französischen Atomaufsicht genehmigt?
  3. Laut Pressemitteilung vom 12.11.2020 trage der Reaktor Hinkley Point C „über seine 60-jährige Lebensdauer hinweg zu einer Vermeidung von über 600 Millionen Tonnen Kohlendioxidemissionen“ bei. Auf welchen Quellen beruht diese Aussage? Welche Alternativszenarien wurden als Vergleich herangezogen? Wurden dabei auch komplett auf erneuerbare Energien beruhende Szenarien einbezogen? Wenn nein: warum nicht?
  4. Wie stellt Bilfinger sicher, dass der Reaktor Hinkley Point C nicht zur Förderung einer militärischen Nutzung von Atomenergie dient? Welche Studien und Hinweise sind dem Vorstand bekannt, die eine solche Verbindung thematisieren?
  5. Ist dem Vorstand bewusst, dass im Zusammenhang mit Hinkley Point C, Flamanville 3 und eine Reihe weiterer Atomkraftwerke Klagen gegen den Staat Großbritannien, den Staat Frankreich und die Firma „Electricité de France“ (EDF) als AKW-Betreiber laufen? Welche Auswirkungen können diese Klagen auf die Aktivitäten Bilfingers haben? Bitte differenzieren sie dabei nach Klage und deren Inhalt.

Atomkraft verhindert Klimaschutz

  1. Vorstandsvorsitzender Thomas Blades hat 2019 und 2020 in mehreren Interviews die Atomenergie als Teil der Lösung für die Klimakrise dargestellt. Handelt es sich dabei um eine offizielle Sichtweise von Bilfinger SE? Welche Studien und Szenarien wurden einbezogen, die darstellen, dass Atomkraft teurer und in der Errichtung langsamer ist als erneuerbare Energien, zu langsam für einen effektiven Klimaschutz und zu unflexibel, um sie mit erneuerbaren Energien zu kombinieren?
  2. Ist Bilfinger bewusst, dass der Neubau von Atomkraftwerken kein effektiver Beitrag zum Klimaschutz ist, sondern stattdessen Finanzmittel bindet und den Umbau zu einem nachhaltigen Energiesystem blockiert?

Zum Thema menschenrechtliche Sorgfaltspflicht:

Tilman Massa vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre fragt:

  1. Uns ist nicht ersichtlich, wie Bilfinger die Anforderungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) an unternehmerisches Verhalten erfüllt. Es scheint nicht ausreichend dokumentiert zu werden, wie und ob Menschenrechtsrisiken identifiziert, bewertet und minimiert werden. Wie wird der Vorstand sicherstellen, die Anforderungen der UN-Leitprinzipien vollumfänglich zu erfüllen?
  2. Im Geschäftsjahr 2019 gab es 15 Hinweise auf Verstöße gegen die Einhaltung von Menschenrechten bei Ihren Zulieferern, dabei wurden 6 Untersuchungen eingeleitet und es gab als Folge eine Disziplinarmaßnahme. Um welche Hinweise und Zulieferer bzw. Fälle handelt es sich dabei und was wurde konkret untersucht? Hat die Disziplinarmaßnahme zu Verbesserungen geführt?
  3. Haben die sieben Disziplinarmaßnahmen aus dem Geschäftsjahr 2018 zu Verbesserungen geführt? Wenn ja, welche? Falls nein, warum nicht und wurde hier eventuell die Geschäftsbeziehung beendet?

Zum Thema Klimaschutz und Klimaziele von Bilfinger:

Tilman Massa vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre fragt:

  1. Das Wort „Klima“ kommt nicht ein einziges Mal im nicht-finanziellen Konzernbericht vor. Wie hoch ist die aktuelle Klimabilanz bzw. der CO2-Fußabdruck von Bilfinger, aufgeschlüsselt nach Scope 1 (direkte Emissionen), Scope 2 (Emissionen aus bezogener Energie) und Scope 3 (indirekte Emissionen)?
  2. Wird der Vorstand für Bilfinger spezifische Klimaziele inklusive Scope 3 vorgeben, die sich an den Anforderungen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens orientieren? Wenn ja, wann und mit welchen Maßnahmen? Falls nein, warum nicht?
  3. Unterziehen Sie Projekte und Investments einer Neuüberprüfung bezüglich ihrer Klimarisiken oder planen sie dies zu tun? Wenn ja, wann und in welchem Umfang? Falls nein, warum nicht?

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