Gerechter Zugang zu Impfstoffen und aktueller Entwicklungsstand: Fragen und Antworten Biontech-Hauptversammlung 2024

Der Zugang zu Impfstoffen, Tests und Medikamenten ist weltweit weiterhin zum Teil extrem ungleich verteilt. Diese Ungerechtigkeit verletzt die Menschenrechte im Globalen Süden und verschärft strukturelle Ungleichheiten. Im Rahmen der Biontech-Hauptversammlung 2024 haben wir dazu Fragen gestellt und folgende Antworten erhalten:

Welche konkreten Maßnahmen hat BioNTech ergriffen, um in den Bereichen, in denen es BioNTech möglich ist, den Zugang zu Versorgung mit Impfstoffen in Ländern mit niedrigem Einkommen zu verbessern?

Antwort Biontech: „Im Mittelpunkt unserer Geschäftspraktiken steht, dass Menschen auf der ganzen Welt von den Bemühungen des Unternehmens profitieren. Diesem Prinzip folgend haben wir zusammen mit unserem Partner Pfizer entsprechend der Nachfrage etwa 1,8 Milliarden Dosen COMIRNATY® an Länder mit einem niedrigen oder mittleren Einkommen geliefert.
Vor kurzem haben wir auch unsere mRNA-Impfstoffproduktionsanlage in Ruanda eingeweiht. Nach erfolgreicher Validierung wird die Anlage in Kigali als Leuchtturmprojekt für weitere mRNA-basierte Impfstoffproduktionsanlagen in kleinerem oder größerem Maßstab dienen, um die klinische Entwicklung und die kommerzielle Herstellung entsprechend den lokalen oder regionalen Bedürfnissen zu unterstützen.
Die BioNTainer-Einheiten in dieser Anlage werden so ausgestattet sein, dass sie eine Reihe von mRNA-basierten Impfstoffen herstellen können. Dazu könnten neben dem Pfizer-BioNTech COVID-19-Impfstoff die Malaria- und Tuberkulose-Impfstoffe von uns gehören, wenn sie erfolgreich entwickelt, genehmigt und von den Aufsichtsbehörden zugelassen werden.“

Im Fall einer Zulassung Ihrer Impfstoffe gegen Tuberkulose und Malaria hatten Sie erklärt, deren Erschwinglichkeit in Ländern mit niedrigem Einkommen zu berücksichtigen. Wie ist hierzu der aktuelle Stand in Bezug auf Zulassungen und Preisgestaltungen?

Antwort Biontech: „Bei erfolgreicher Entwicklung planen wir, Ländern mit niedrigerem Einkommen die vier in der Entwicklung befindlichen prophylaktischen Impfstoffe gegen Tuberkulose, Malaria, HIV und Mpox zu einem „not-for-profit“ Preis bereitzustellen.
Unser Tuberkulose-Produktkandidat befindet sich in Phase-1-Studien, während unser Malaria-Produktkandidat in Phase-1/2-Studien ist. Es ist noch zu früh, um konkret über Details zu einer möglichen Zulassung zu sprechen.“

Mit welchen Maßnahmen will BioNTech die Erschwinglichkeit sicherstellen?

Antwort Biontech: „Wir haben bereits mit unserem ersten kommerziellen Produkt – unserem COVID-19-Impfstoff – darauf geachtet, die Interessen von Ländern mit einem niedrigen oder mittleren Einkommen zu berücksichtig. Im Rahmen unserer und Pfizers Zusage, insgesamt zwei Milliarden COVID-19-Impfstoffdosen zur Förderung eines gerechten Zugangs zu Arzneimitteln für Länder mit niedrigem und mittleren Einkommen zur Verfügung zu stellen, haben wir gemeinsam mit Pfizer bisher entsprechend der Nachfrage insgesamt rund 1,8 Milliarden Dosen Comirnaty an diese Länder geliefert.
Derzeit arbeiten wir an Prinzipien für die verantwortliche Preisgestaltung von künftigen BioNTech-Produkten. Diese Prinzipien werden mit den sozialen und gesellschaftlich orientierten Motiven unserer Unternehmensgründer und mit BioNTechs Unternehmenswerten im Einklang stehen. Die Erwartungen von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen werden wir berücksichtigen. Prinzipien für die verantwortliche Preisgestaltung sind insgesamt ein wichtiger Baustein für unser Ziel, die Gesundheit von Menschen weltweit zu verbessern.“

Wird BioNTech die Impfstoffe zum Selbstkostenpreis abgeben? Falls nein, mit welcher Methode bemisst BioNTech die F&E-Kosten zu diesen Impfstoffen, die es eventuell zu refinanzieren gilt?

Antwort Biontech: „Siehe Frage 3.“

Sie haben eine Produktionsstätte für mRNA-Impfstoffe in Ruanda eingeweiht. Bleibt es bei dieser Investition von insgesamt 150 Millionen Euro oder ist ggf. nun mehr oder weniger geplant? Wenn ja, aus welchen Gründen?

Antwort Biontech: „BioNTech investiert ihre eigenen Ressourcen in die Anlage. Die Produktionsanlage in Kigali wurde bisher vollständig von BioNTech finanziert. Das Unternehmen rechnet mit Gesamtinvestitionen von rund 150 Millionen US-Dollar für den Bau des Standorts, einschließlich der BioNTainer-Produktionseinheiten. Dies wurde im Dezember 2023 angekündigt und daran hat sich nichts geändert.“

Dort soll bald ein Malaria-Impfstoff produziert werden. Wie ist dazu der aktuelle Stand der Testphasen etc.? Wann kann mit einer Produktion und Markteinführung gerechnet werden?

Antwort Biontech: „Wir planen, sämtliche Produktionsgebäude am Standort Kigali noch in diesem Jahr fertigzustellen. Die mRNA-Testproduktion zur Prozessvalidierung soll 2025 anlaufen.
Unser Malaria-Produktkandidat befindet sich in Phase-1/2-Studien. Daher können wir uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu einem angestrebten Datum zur Markteinführung äußern.“

Dort ist auch die Produktion von Impfstoffen gegen Tuberkulose und HIV hinzukommen. Wie ist dazu der aktuelle Stand?

Antwort Biontech: „Unser Tuberkulose-Produktkandidat befindet sich erst in Phase-1-Studien, und unser HIV-Produktkandidat befindet sich noch in präklinischen Studien. Daher können wir uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu einem angestrebten Markteinführungsdatum äußern.“

Hersteller in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMICs) müssen in der Lage sein, die mRNA-Technologie nutzen, Impfstoffe unabhängig herstellen und bei Bedarf anpassen sowie selbstständig Preise bestimmen zu können. Inwiefern unterstützen Sie dies mit welchen konkreten Maßnahmen?

Antwort Biontech: „Wir haben im Jahr 2023 ein Global Health Office bei BioNTech eingerichtet. Diese Einheit bringt eine Public-Health-Perspektive in die Entwicklung innovativer Arzneimittel über die gesamte Wertschöpfungskette mit ein. Der Fokus liegt hier auf dem ungedeckten Bedarf der öffentlichen Gesundheit in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen bzw. in Ländern mit Ungleichheiten bei der Versorgung oder der Pandemievorsorge.“

Die Weitergabe von Technologie und Know-How und Kooperation im F&E-Prozess mit Herstellern in LMICs könnten dazu beitragen, global gerechten Zugang zu Impfstoffen sicherzustellen, zukünftigen Pandemien schneller zu begegnen, eine rasche Ausbreitung zu verhindern und so Menschen weltweit schützen. Letztes Jahr haben Sie auf notwendige Due Dilligence Prüfungen verwiesen, die notwendig wären für einen Technologietransfer an einen der 100 Hersteller in LMICs (Liste der 100 Hersteller: https://msfaccess.org/pharmaceutical-firms-across-asia-africa-and-latin-america-potentialmanufacture-mrna-vaccines). Für welche der Hersteller auf der Liste sind Due Dilligence Prüfungen geplant, und zu welchem Zeitpunkt sollen diese abgeschlossen sein?

Antwort Biontech: „Wie bereits im Rahmen der Hauptversammlung im letzten Jahr dargelegt, planen wir den Aufbau einer nachhaltigen End-to-End-Produktion auf dem afrikanischen Kontinent zur Versorgung der Afrikanischen
Union mit mRNA-basierten Impfstoffen und wollen so eine unabhängige Produktion fördern. Wir sind überzeugt, dass dies eine Lösung sein kann, um nachhaltig Produktionskapazitäten aufzubauen.“

Plant BioNTech weiterhin diesen Weg zum Technologietransfer zu gehen oder setzt BioNTech vollständig auf BioNTainer?

Antwort Biontech: „Wir haben uns, wie bereits erwähnt, zum Ziel gesetzt, den Aufbau nachhaltiger mRNA-Herstellungslösungen in Afrika und anderswo zu unterstützen, um zu einem gleichberechtigten Zugang zu Impfstoffen beizutragen. Dies ist eine gemeinsame Anstrengung mit Mitgliedern der Afrikanischen Union und den zuständigen Behörden, wie in unserer Mitteilung vom 27. August 2021 dargelegt.
Dabei arbeiten wir eng mit den lokalen Behörden zusammen und stimmen uns gegebenenfalls mit den zuständigen nationalen und internationalen Behörden und Organisationen ab; dazu gehören die WHO, Africa CDC, die afrikanische Arzneimittelagentur African Medicines Agency und die Entwicklungsbehörde African Union Development Agency. Wir glauben, dass die BioNTainer und eine damit verbundene Vermittlung von Know-How ein effektiver Weg sind, um Produktionskapazitäten und -fähigkeiten aufzubauen.
Darüber hinaus haben wir im Jahr 2023 das Global Health Office bei BioNTech eingerichtet. Das Global Health Office bringt eine Public-Health-Perspektive in die Entwicklung innovativer Arzneimittel über die gesamte Wertschöpfungskette mit ein.“

Ist geplant, BioNTainer vollständig (durch Verkauf, Schenkung, o.Ä.) in die Hände der Akteure in LMICs zu übergeben? Falls nein, welches Interesse hat BioNTech die BioNTainer in LMICs langfristig zu betreiben?

Antwort Biontech: „Wir haben uns, wie bereits erwähnt, zum Ziel gesetzt, den Aufbau nachhaltiger mRNA-Herstellungslösungen in Afrika und anderswo zu unterstützen, um zu einem gleichberechtigten Zugang zu Impfstoffen beizutragen. Dies ist eine gemeinsame Anstrengung mit Mitgliedern der Afrikanischen Union und den zuständigen Behörden, wie in unserer Mitteilung vom 27. August 2021 dargelegt. Aktuell liegt unser Fokus darauf, die Anlage fertigzustellen und die Produktion in unseren BioNTainer-Einheiten aufzunehmen. Zum heutigen Zeitpunkt ist eine Veräußerung unserer BioNTainer-Einheiten nicht geplant.“

Was hat BioNTech dazu bewegt, sein Interesse an Zugang zu Impfstoffen in LMICs zu bekunden? Warum war der WHO Vorschlag eines Patentpools (C-TAP) aus Sicht von BioNTech kein gutes Mittel dazu?

Antwort Biontech: „Seit ihrer Gründung wird BioNTech von der grundlegenden Motivation angetrieben, verantwortungsvoll gegenüber Patientinnen und Patienten und der Gesellschaft zu handeln. Dies gilt auch heute noch und wird auch in Zukunft unsere treibende Kraft sein. Diese Motivation prägt unsere Vision, unseren Auftrag, unsere Kultur und unsere Arbeitsweise. Unser Ziel ist es, die Wissenschaft in die Praxis umzusetzen, indem wir neue Immuntherapien und Impfstoffe entwickeln, um die Gesundheit der Menschen weltweit zu verbessern.
Die Herstellung von mRNA-Impfstoffen erfordert spezielle Einrichtungen und Fachwissen. Wir sind daher der Meinung, dass es im besten Interesse aller Beteiligten ist, eine Produktionsstätte für mRNA-Impfstoffe in Afrika zu errichten, um mRNA-Impfstoffe für den afrikanischen Kontinent bereitzustellen.“

Unterstützt BioNTech in potentiellen zukünftigen Pandemien die vorübergehende Freigabe von Patenten in Form einer TRIPS-Waiver-Übereinkunft?

Antwort Biontech: „Vieles würde von der Art der Pandemie und der jeweiligen Situation abhängen. Wir können uns daher nicht zu dieser hypothetischen Situation äußern.“

Zum Format der Hauptversammlung:

Könnten Sie sich vorstellen und konkret prüfen, zumindest über Gastzugänge mit Rede- und Fragerecht den direkten Dialog mit Ihren Aktionär*innen zu ermöglichen?

Antwort Biontech: „ADS-Inhaber hatten die Möglichkeit, Fragen an unsere AGM-Inbox unter HV@BioNTech.de zu stellen. Außerdem wurde eine Hotline eingerichtet, um alle organisatorischen Fragen zu beantworten.“

Könnten Sie sich ferner vorstellen und konkret prüfen, dies in Form einer hybriden Veranstaltung zu tun, an der sowohl online als auch in Präsenz aktiv teilgenommen werden kann?

Antwort Biontech: „Dies ist eine Möglichkeit für die Zukunft, wir haben allerdings noch keine Entscheidung für unsere Hauptversammlung 2025 getroffen.“

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/biontech/gerechter-zugang-zu-impfstoffen-und-aktueller-entwicklungsstand-fragen-und-antworten-biontech-hauptvesammlung-2024/