Kein gerechter Zugang zu Impfstoffen: Unsere Gegenanträge

Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 4, Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Vorstandes die Entlastung zu verweigern.

Begründung:

Der Vorstand kommt nicht hinreichend seiner Verantwortung nach, sich für den gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen und Impfstoffen für Indikationen, die vornehmlich im Globalen Süden vorkommen, weltweit einzusetzen.

Der Zugang zu Covid-19-Impfstoffen ist weiterhin höchst ungleich verteilt. Während weltweit 70% der Menschen mindestens eine Impfdosis erhalten haben, wurden nur 29,8% der Menschen in Ländern mit geringem Einkommen mindestens einmal geimpft (Stand Mai 2023).^[1]  Gleichzeitig hat BioNTech durch Covid-19-Impfstoffe seit Beginn der globalen Covid-19-Pandemie immense Profite erzielt. 2022 betrug der Umsatz durch den Verkauf von rund zwei Milliarden Dosen 17,3 Mrd. Euro. Für 2023 rechnet BioNTech noch immer mit Einnahmen aus COVID-19-Impfstoffen von 5 Mrd. € ^[2] und geht davon aus, dass das Covid-19-Impfstoffportfolio ein langfristiges und nachhaltiges Geschäftsfeld bleiben wird.^[3] Währenddessen verlängert der ungerechte Zugang zu Covid-19 Impfstoffen die Pandemie und gefährdet weitere Menschenleben.

Trotz enorm hoher Umsätze und öffentlicher finanzieller Unterstützung durch die Bundesregierung von bis zu 375 Mio. €^[4] und einem Kredit von bis zu 100 Mio. € durch die European Investment Bank (EIB)^[5] ist BioNTech seiner globalen und menschenrechtlichen Verantwortung bisher nicht ausreichend gerecht geworden. Auch die Preisgestaltung von Seiten BioNTechs war und ist höchst intransparent, obwohl die Entwicklung des Impfstoffs durch öffentliche Gelder gefördert wurde.

Zu BioNTechs globaler Verantwortung gehört, endlich Technologie und Know-How mit Herstellern aus dem Globalen Süden zu teilen und in der Forschung und Entwicklung (F&E) auf gleichberechtigter Basis zu kooperieren. Hersteller in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMICs) müssen in der Lage sein, die mRNA-Technologie nutzen, Impfstoffe unabhängig herstellen, kontrollieren und bei Bedarf anpassen zu können und selbstständig Preise zu bestimmen. Ein umfassender Transfer von Technologie und Know-How könnte dazu beitragen, dass sich das gleiche Muster einer extrem ungerechten Verteilung von Impfstoffen bei einer zukünftigen Pandemie und bei Impfstoffen für Indikationen, die vornehmlich im Globalen Süden vorkommen, nicht wiederholt.

Tuberkulose- und Malaria-Impfstoffe

Neben der Entwicklung von variantenangepassten COVID-19-Impfstoffen leistet BioNTech wichtige Arbeit in der Krebsforschung und bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Tuberkulose und Malaria. Die beiden Impfstoffkandidaten BNT164a1 and BNT164b1 gegen Tuberkulose werden voraussichtlich im Juli 2023^[6] in Testphase 1 eintreten. Der Impfstoffkandidat BNT165b1 gegen Malaria befindet sich seit Dezember 2022^[7] in der klinischen Testphase 1.

BioNTech hat, auch durch hohe finanzielle Unterstützung durch die deutsche Bundesregierung und die European Investment Bank (EIB), einen Covid-19-Impfstoff bis zur Marktreife entwickelt und davon massiv profitiert. Wir würden es vor diesem Hintergrund begrüßen, wenn BioNTech zukünftig Impfstoffe für Indikationen, die vornehmlich im Globalen Süden vorkommen, wie Tuberkulose und Malaria, so bereitstellt, dass alle Menschen, die dringend Zugang zu diesen Impfstoffen benötigen, diesen auch bekommen. Zudem fordern wir BioNTech auf, die Herstellung eines künftigen Tuberkulose- und Malaria-Impfstoffs so zu diversifizieren und lokale Produktion zu ermöglichen, dass es nicht wieder zu Produktionsengpässen kommt. Außerdem muss der Impfstoff zu einem erschwinglichen Preis abgegeben werden. Der Preis des Endprodukts darf kein Hindernis für den Zugang sein.

Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 5, Beschlussfassung über die Entlastung des Aufsichtsrates

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Aufsichtsrats nicht zu entlasten.

Begründung

Der Aufsichtsrat hat seine Aufgabe als Kontrollorgan des Vorstands nur unzureichend ausgeübt. Die bisherigen Maßnahmen von BioNTech reichen nicht aus, den gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen und eine unabhängige regionale Produktion sicherzustellen.

Regionale Produktion

Im ersten Quartal 2023 hat der erste BioNTainer Ruanda erreicht, 12 bis 18 Monate später soll die Produktion von Impfstoffen beginnen können.^[8] BioNTech möchte damit dazu beitragen, „den Zugang zu innovativen Medikamenten weltweit zu demokratisieren”.^[9] Der Standort in Kigali, Ruanda, soll dabei “als potenzieller erster Knotenpunkt in einem dezentralisierten und robusten afrikanischen End-to-End-Produktionsnetzwerk“ dienen.^[10]

Laut operativem Geschäftsführer Sierk Poetting und Vorstandsvorsitzendem Uğur Şahin produziere BioNTech bei dem Projekt zum Selbstkostenpreis und habe noch keine wirtschaftlichen Ziele.^[11] Allerdings hat BioNTech dazu bisher keine festen Zusagen und keine Angaben über den konkreten Zeitraum gemacht. Es ist daher vollkommen unklar und intransparent, inwiefern die BioNTainer aktuell und in Zukunft einen Beitrag zu einer nachhaltigen und unabhängigen Impfstoffproduktion leisten, oder ob es sich doch um ein primär profitorientiertes Projekt handelt. 

Zudem kündigte BioNTech an, die BioNTainer nach einer Startphase zur Aufnahme der Produktion das Projekt „langfristig an die afrikanischen Partner zu übergeben“.^[12] Bisher gibt es aber auch hierzu weder konkrete Zusagen, Angaben zu Konditionen noch einen Zeitplan, so dass die anderen am Projekt beteiligten Akteure und die Öffentlichkeit in Ungewissheit gelassen werden. Durch diese Intransparenz ist auch unklar, inwiefern die Technologie auch für die Herstellung von anderen Impfstoffen, wie gegen Tuberkulose und Malaria, genutzt werden soll.

Sollte BioNTech einen gemeinwohlorientierten Ansatz mit den BioNTainern verfolgen, könnten diese ein wichtiger und innovativer Schritt in Ländern mit begrenzten Produktions- und Regulierungskapazitäten für einen verbesserten Zugang zu Impfstoffen sein. Allerdings gibt es in LMICs, u.a. auch auf dem afrikanischen Kontinent, bereits Produktions- und Regulierungskapazitäten, die für einen schnellen Technologietransfer genutzt und umgewandelt werden könnten. BioNTech hat jedoch keinen der über 100 fähigen Hersteller in LMICs für einen Technologietransfer und Kooperationen in Forschung und Entwicklung (F&E) in Betracht gezogen und erhält so strukturelle Ungleichheiten zwischen Ländern unterschiedlicher Einkommensstärken aufrecht.

Auch globale Initiativen, wie z. B. das WHO mRNA Technology Transfer Programme, zielen darauf ab, die lokalen und regionalen F&E- und Produktionskapazitäten zu verbessern, die es LMICs ermöglichen würden, die von ihnen benötigten Impfstoffe und Medikamente nachhaltig und unabhängig zu entwickeln und zu produzieren. Seit der Zulassung des Covid-19-Impfstoffs hat BioNTech Forderungen nach dem Transfer der nötigen Technologie und Know-Hows für die Produktion in LMICs ignoriert und weder das technische Know-how zur Herstellung von Covid-19-Impfstoffen noch die mRNA-Plattformtechnologie mit dem WHO mRNA Technology Transfer Programme geteilt.

[1] https://ourworldindata.org/covid-vaccinations

[2] https://investors.biontech.de/de/news-releases/news-release-details/biontech-veroeffentlicht-ergebnisse-fuer-das-vierte-quartal-0

[3] https://investors.biontech.de/static-files/5389d1da-05f1-40df-87a8-d678a00bc975

[4] https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/sonderprogramm-zur-beschleunigung-von-forschung-und-entwicklung-dringend-benotigter-12534.php

[5] https://www.eib.org/en/press/all/2020-144-eib-to-provide-biontech-with-up-to-eur-100-million-in-debt-financing-for-covid-19-vaccine-development-and-manufacturing

[6] https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT05547464

[7] https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT05581641?term=BioNTech+SE&draw=3&rank=11

[8] https://investors.biontech.de/de/news-releases/news-release-details/update-zu-erstem-biontainer-fuer-afrikanische-mrna/

[9] https://investors.biontech.de/static-files/5389d1da-05f1-40df-87a8-d678a00bc975

[10] https://investors.biontech.de/static-files/5389d1da-05f1-40df-87a8-d678a00bc975

[11] https://www.businessinsider.de/wissenschaft/biontainer-biontech-setzt-auf-impfstoff-container-in-afrika-a/

[12] https://www.businessinsider.de/wissenschaft/biontainer-biontech-setzt-auf-impfstoff-container-in-afrika-a/