Was tun Sie für einen gerechteren Zugang zu Impfstoffen? Fragen an den BioNTech-Vorstand, mit Antworten

Fragen von Oxfam, Brot für die Welt und Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre, samt vorab uns schriftlich übermittelten Antworten

  • 2022 betrug BioNTechs Umsatz 17,3 Mrd. Euro. Für 2023 rechnet BioNTech noch immer mit Einnahmen aus COVID-19-Impfstoffen von 5 Mrd. € [1] und geht davon aus, dass das Covid-19-Impfstoffportfolio ein langfristiges und nachhaltiges Geschäftsfeld bleiben wird.[2]
    • Welche Maßnahmen wird BioNTech ergreifen, um sicherzustellen, dass die extreme Ungleichheit bei der Versorgung mit Impfstoffen und der Mangel an nachhaltiger, unabhängiger Versorgung in Ländern mit niedrigem Einkommen nicht weiter besteht und sich bei der Einführung variantenangepasster Impfstoffe nicht wiederholt?
    • Inwiefern setzt sich BioNTech dafür ein, dass sich das gleiche Muster einer extrem ungerechten Verteilung von Impfstoffen bei einer zukünftigen Pandemie und bei Impfstoffen für Indikationen, die vornehmlich im Globalen Süden vorkommen, nicht wiederholt?

Antwort BioNTech: „Wir wollen unseren Beitrag zum gerechteren Zugang zu Arzneimitteln leisten. Allerdings ist das keine Aufgabe, die von einem einzigen Unternehmen oder einem Land, geschweige denn einer Personengruppe allein realisiert werden kann. Es braucht Kapazitäten, die den Impfstoff bzw. das Therapeutikum herstellen, Behörden, die das Arzneimittel regulatorisch prüfen und zulassen, eine Infrastruktur, die den Transport, die Verteilung und die Verabreichung von Impfungen ermöglicht, Kommunikationsmaßnahmen, die Menschen über entsprechende Möglichkeiten informieren und eine Aufklärung sicherstellen. Das, um nur einige Beispiele zu nennen.

Wir als BioNTech wollen unseren Beitrag mit zwei konkreten Maßnahmen bzw. Projekten leisten: Zum einen bei der Bereitstellung von Impfstoffen, zum anderen durch den Aufbau nachhaltiger Produktionskapazitäten.

Wir haben uns gemeinsam mit unserem Partner Pfizer verpflichtet, in den Jahren 2021 und 2022 jeweils zwei Milliarden Dosen unseres COVID-19-Impfstoffs für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen bereitzustellen. Entsprechende Kapazitäten waren somit vorhanden und wurden bereitgestellt. Bis Ende 2022 wurden rund 1,7 Milliarden Impfstoffdosen an diese Länder ausgeliefert. Das Kontigent wurde nicht ausgeschöpft, weil die Nachfrage nicht gegeben war.“

  • Die Entwicklung des mRNA-Impfstoffs gegen Covid-19 war auch durch die finanzielle Förderung durch die Bundesregierung von bis zu 375 Mio. €[3] möglich. Trotz öffentlicher Förderung war und ist die Preisgestaltung von Seiten BioNTechs intransparent.
    • Wie gestaltet BioNTech die Preise für COVID-19-Impfdosen?

    • Wie stellt BioNTech sicher, dass der öffentlich geförderte Impfstoff auch gemäß dem öffentlichen Interesse als globales Gut betrachtet und gerecht verteilt wird?

Antwort BioNTech: „Diese Aussage ist nicht korrekt. Richtig, ist, dass BioNTech seit der Gründung des Unternehmens einen Großteil seiner Finanzierung über private Investoren beziehungsweise über den Kapitalmarkt erzielt hat. Die entsprechenden Zahlen können Sie unseren Geschäftsberichten entnehmen.

Im Rahmen einer Initiative des Bundesministeriums für Forschung und Bildung haben wir Fördermittel zur Unterstützung unseres COVID-19 Impfstoffprogramms in Summe von 375 Millionen Euro erhalten, die einen Teil unserer Kosten für Forschung und Entwicklung beziehungsweise den Ramp-Up unserer Produktion deckten. Als in Deutschland ansässiges Unternehmen kommen wir unseren öffentlichen Verpflichtungen nach und haben beispielsweise im Geschäftsjahr 2022 rund 3,5 Milliarden Euro Steueraufwendungen abgegrenzt.

In Bezug auf die Verteilung unseres COVID-19 Impfstoffes arbeiten wir mit Regierungen und Partnern auf der ganzen Welt zusammen, um den gerechteren Zugang zu Impfstoffen voranzutreiben und die entsprechende Verteilung in den Ländern zu unterstützen. Die Preisgestaltung des COVID-19 Impfstoffs berücksichtigt eine Reihe von Faktoren. Einer davon ist die Einkommensstärke des entsprechenden Landes oder der Region. Wir stellen Impfstoffdosen für Länder mit niedrigem Einkommen zu einem gemeinnützigen Preis zur Verfügung, an dem BioNTech keine Gewinne erzielt.“

  • Im März 2023 hat der erste BioNTainer Kigali, Ruanda, erreicht.[4] Der Standort in Kigali soll dabei “als potenzieller erster Knotenpunkt in einem dezentralisierten und robusten afrikanischen End-to-End-Produktionsnetzwerk“ dienen.[5]
    • Wie ist der aktuelle Stand dieses Projekts und wie wird ein nachhaltiger Betrieb der Container sichergestellt?

    • Plant BioNTech weiterhin, die BioNTainer and die afrikanischen Partner zu übergeben? Wenn ja, zu welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt?Plant BioNTech weiterhin bei dem Projekt zum Selbstkostenpreis zu produzieren? [6]

    • Welche Impfstoffe sollen neben Covid-19-Impfstoffen zukünftig in Ruanda hergestellt werden, jetzt wo er Bedarf an Covid-19 Impfstoffen gesunken ist?

    • Wird die Technologie für die Herstellung der Impfstoffe gegen Covid-19, Tuberkulose und Malaria mit Ruanda und weiteren Standorten der BioNTainer geteilt?

Antwort BioNTech: „Am 13. März berichteten wir, dass sechs ISO-normierte Schiffscontainer für den ersten BioNTainer nach Kigali, Ruanda, geflogen worden sind, wo sie von Dr. Sabin Nsanzimana, dem Gesundheitsminister von Ruanda, sowie Dr. Sierk Poetting, Chief Operating Officer von BioNTech in Empfang genommen wurden.

Parallel dazu baut BioNTech die hochmoderne Produktionsstätte für die Herstellung von mRNA-basierten Arzneimitteln und Produktkandidaten in Kigali, Ruanda, seit dem Spatenstich im Juni 2022 weiter aus. Die Produktionsstätte soll zunächst die ersten BioNTainer beherbergen und der erste Knotenpunkt in einem dezentralisierten und robusten End-to-End-Produktionsnetzwerk in Afrika werden. BioNTech verfolgt auch das Ziel, Anlagen im Senegal und in Südafrika in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Land zu entwickeln.

Wir arbeiten aktuell am Aufbau weiterer Herstellungskapazitäten weltweit, sowohl mithilfe von bestehenden Produktionsstätten als auch mithilfe unserer BioNTainer. Dabei geht es auch um nachhaltigen Betrieb der Herstellungsstätten. Diesen wollen wir gewährleisten, indem wir den Vorteil der mRNA als Plattformtechnologie nutzen: Wir planen, in den Herstellungsstätten verschiedene Impfstoffe und Therapien herstellen zu können, ohne große Umbauarbeiten vornehmen zu müssen. Die BioNTainer sind ein weiterer Beitrag zum Aufbau nachhaltiger Produktionskapazitäten für mRNA-basierte Medikamente.

BioNTech wird zunächst die Herstellungsstätten initial in Betrieb nehmen, um den sicheren und schnellen Beginn der Produktion von mRNA-basierten Impfstoffdosen unter strengen guten Herstellungsprozessen zu unterstützen und den Transfer zu lokalen Partnern vorzubereiten, damit diese unabhängig agieren können. Impfstoffe, die innerhalb dieser geplanten Infrastruktur hergestellt werden, sind für die Menschen in den Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union bestimmt.“

  • Die beiden Impfstoffkandidaten BNT164a1 and BNT164b1 gegen Tuberkulose werden voraussichtlich im Juli 2023[7] in Testphase 1 eintreten. Der Impfstoffkandidat BNT165b1 gegen Malaria befindet sich seit Dezember 2022[8] in der klinischen Testphase 1.
    • Wie wird BioNTech bei erfolgreicher klinischer Testung der Impfstoffe den Zugang zu diesen, vor allem für betroffene Menschen in Ländern niedrigem und mittlerem Einkommen (LMICs), sicherstellen?

    • Inwieweit gibt es Überlegungen die Produktion eines künftigen Impfstoffs gegen Tuberkulose und/oder Malaria vor allem in High Burden Countries zu ermöglichen, etwa durch die Vergabe von Lizenzen an Hersteller im Globalen Süden?

Antwort BioNTech: „Zu Ihrer Frage zu Impfstoffen mit hohem medizinischen Bedarf und deren Erschwinglichkeit: Bei einer Zulassung unserer Impfstoffe gegen Tuberkulose und Malaria beabsichtigen wir, deren Erschwinglichkeit in Ländern mit niedrigem Einkommen zu berücksichtigen. Dies hatten wir für den Tuberkulose-Impfstoff in der Pressemitteilung vom 4. September 2019 entsprechend bekanntgegeben. Ein ähnliches Vorgehen planen wir auch für unseren Kandidaten gegen Malaria, was ebenfalls in unseren Pressemitteilungen, u.a. am 26. Juli 2021, kommuniziert wurde.“

  • BioNTech möchte dazu beitragen, “den Zugang zu innovativen Medikamenten weltweit zu demokratisieren”[9], kooperiert jedoch nicht mit dem WHO mRNA Technology Transfer Programme in Südafrika, das darauf abzielt, die lokalen und regionalen Forschungs- und Entwicklungsprozesse (F&E) und Produktionskapazitäten zu verbessern.
    • Warum hat BioNTech das technische Know-how zur Herstellung des Covid-19-Impfstoffs sowie die mRNA-Plattformtechnologie nicht mit dem WHO mRNA Technology Transfer Programme geteilt?
    • Wird BioNTech die Durchführbarkeit eines Technologietransfers zum WHO mRNA Programme und Kooperation im F&E-Prozess erneut prüfen, um eine lokale Produktion und den Zugang zu lebensrettenden Impfungen für alle Menschen gleichermaßen zu ermöglichen?

Antwort BioNTech: „Wir sind ein biotechnologisches Unternehmen mit einem starken Fokus auf technologische Innovation. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir für die Herstellung unseres Impfstoffes die Innovationskraft mit höchsten Qualitätsstandards, der entsprechenden Good Manufacturing Practice kombinieren, um die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten.

Wir haben uns, wie bereits erwähnt, zum Ziel gesetzt, den Aufbau nachhaltiger mRNA-Herstellungslösungen in Afrika und anderswo zu unterstützen, um den gerechten Zugang zu Impfstoffen zu fördern. Dies ist eine gemeinsame Anstrengung mit Mitgliedern der Afrikanischen Union und den zuständigen Behörden, wie in unserer Mitteilung vom 27. August 2021 dargelegt.

Dabei arbeiten wir eng mit den lokalen Behörden zusammen und stimmen uns gegebenenfalls mit den zuständigen nationalen und internationalen Behörden und Organisationen ab; dazu gehören die WHO, Africa CDC, die afrikanische Arzneimittelagentur African Medicines Agency und die Entwicklungsbehörde African Union Development Agency. Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass wir uns auf die Entwicklung von Lösungen konzentrieren. Wir glauben, dass die BioNTainer und eine damit verbundene Vermittlung von Know-How ein effektiver Weg sind, um Produktionskapazitäten und -fähigkeiten aufzubauen.“

  • Die Weitergabe von Technologie und Know-How und Kooperation im F&E-Prozess mit Herstellern in LMICs könnten dazu beitragen, global gerechten Zugang zu Impfstoffen sicherzustellen, zukünftigen Pandemien schneller zu begegnen, eine rasche Ausbreitung zu verhindern und so Menschen weltweit schützen.
    • Warum hat BioNTech nicht einen der über 100 fähigen Hersteller in LMICS[10] für einen Technologietransfer in Betracht gezogen?

Antwort BioNTech: „Die von Ihnen zitierte Liste ist uns bekannt. Um eine abschließende Beurteilung jeder der gelisteten Produktionsstätten vornehmen zu können, müsste eine sogenannte Due Dilligence durchgeführt werden, bei der die Produktionsmöglichkeiten und Kompetenzen sowie die Anlagen gemäß GMP-Anforderungen umfassend geprüft werden. Zum Beispiel befinden sich auf der Liste Stätten, die keine Erfahrung in der Herstellung von Impfstoffen oder überhaupt biopharmazeutischen Produkten haben.

Wie bereits dargelegt planen wir den Aufbau einer nachhaltigen End-to-End-Produktion auf dem afrikanischen Kontinent zur Versorgung der Afrikanischen Union mit mRNA-basierten Impfstoffen und wollen so eine unabhängige Produktion fördern. Wir sind überzeugt, dass dies eine Lösung sein kann, um nachhaltige Produktionskapazitäten aufzubauen.“


[1] https://investors.biontech.de/de/news-releases/news-release-details/biontech-veroeffentlicht-ergebnisse-fuer-das-vierte-quartal-0

[2] https://investors.biontech.de/static-files/5389d1da-05f1-40df-87a8-d678a00bc975

[3] https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/sonderprogramm-zur-beschleunigung-von-forschung-und-entwicklung-dringend-benotigter-12534.php

[4] https://investors.biontech.de/de/news-releases/news-release-details/update-zu-erstem-biontainer-fuer-afrikanische-mrna-0

[5] https://investors.biontech.de/static-files/5389d1da-05f1-40df-87a8-d678a00bc975

[6] https://www.businessinsider.de/wissenschaft/biontainer-biontech-setzt-auf-impfstoff-container-in-afrika-a/

[7] https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT05547464

[8] https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT05581641?term=BioNTech+SE&draw=3&rank=11

[9] https://investors.biontech.de/static-files/5389d1da-05f1-40df-87a8-d678a00bc975

[10] A. Prabhala, A. Alsahani (2021): Pharmaceutical manufacturers across Asia, Africa and Latin America with the technical requirements and quality standards to manufacture mRNA vaccines.                                                      URL: https://msfaccess.org/pharmaceutical-firms-across-asia-africa-and-latin-america-potential-manufacture-mrna-vaccines

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