„Klimavokabeln auswendig gelernt, statt sich ernsthaft mit der Klimakrise zu beschäftigen“: Rede von Linda Kastrup, Fridays for Future

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Linda Kastrup. Ich bin Klimagerechtigkeitsaktivistin und Sprecherin von Fridays for Future Deutschland. Durch die kritischen Aktionäre wurde mir die Möglichkeit gegeben, heute hier zu sprechen. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

Während wir hier sprechen, wird in Frankreich Wasser rationiert, in Spanien um die Olivenernte gebannt, in Italien Überflutungsbedingt der Notstand ausgerufen. 

Und hier wird heute von der Zukunft gesprochen, der Strategie 2024. Einer Strategie, welche die Commerzbank wohl zukunftsgerecht gestalten soll. Wenn wir auf die Zahlen der letzten Jahre schauen, frage ich mich, wie sich der Vorstand eine zukunftsgerechte Welt vorstellt. Durch weitere Investitionen in fossile Energieträger die Klimakrise eskalieren lassen – Klimakatastrophen nicht nur in Kauf nehmen, sondern mit verursachen?

Werfen wir einen Blick auf die Investitionsgeschäfte der Commerzbank:

Die Commerzbank gehört zu den Top 60 der Banken mit den meisten Investitionen in fossile Energieträger. Sie investiert Milliarden-Beträge immer noch in die Zerstörung unserer Lebensgrundlage.

Die Rhetorik der Bank zeichnet aber ein anderes Bild, man möchte bis 2040 den eigenen Bankbetrieb klimaneutral gestalten und bis 2050 dafür sorgen, dass die Kredit- und Investmentportfolios klimaneutral gestaltet werden.

Das ist zunächst jeweils wissenschaftlich betrachtet, viel zu spät und ambitionslos. Wir erleben bei Krisen wie der Pandemie oder Putins Angriffskrieg, dass Krisen als solche behandelt werden können. Wieso schaffen Sie das nicht bei der Klimakrise? Die Klimakrise ist nicht 2040. Sie ist erst recht nicht 2050. Die Klimakrise ist jetzt.

Waldbrände, Überflutungen und Ernteausfälle – all das ist in Anbetracht der immer weiter steigenden Temperatur nichts Neues mehr. Wieso ruhen Sie sich als massiver Mitverursacher all dessen jetzt hinter leeren Versprechungen aus, während die Welt unter Ihnen leidet? Die Commerzbank wirbt mit Nachhaltigkeit und fördert gleichzeitig die Verletzung der Rechte indigener Völker durch Kohleminen in Kolumbien.

Während überall der Weg zu Net-Zero groß beworben wird, werden Bestandskunden von zahlreichen Maßnahmen zu Klimaschutz ausgenommen und dürfen weiter Hand in Hand mit Ihnen unseren Planeten zerstören.

Ich brauche auf die wissenschaftlichen Fakten nicht weiter einzugehen, weil diese seit Jahrzehnten bekannt sind. Ich gehe davon aus, dass Sie die Inhalte vom Pariser Klimaabkommen und die IPCC-Berichte kennen. Genau das wäre Ihre Aufgabe als Vorstand gewesen und ebenso müssten Sie dafür sorgen, dass die Commerzbank ihr Versprechen einhält. Die Commerzbank ist mit ihrem Versprechen zum Pariser Klimaabkommen maßgeblich überfordert und das sieht man an allen Stellen.

Menschenrechte vor Profite, Klimaschutz vor fossilen Energieträgern – das sollte selbstverständlich sein, ist es bei Ihnen aber nicht. Bei den Investitionsregelungen wird sich laut Ihrem Geschäftsbericht 2022 unter anderem an der EU-Taxonomie orientiert. Diese steht aber selbst aus Klimaperspektiven so massiv in der Kritik, dass man sie als Richtwert nicht ernst nehmen kann. Investitionen in Atomenergie und klimaschädliches Gas werden hiermit als Grün und Nachhaltig deklariert, obwohl sie genau das Gegenteil sind. Wenn man im Bereich des Klimaschutzes mit dieser Taxonomie wirbt, wirbt man für Greenwashing auf dem höchsten Niveau.

Im Geschäftsbericht 2022 heißt es weiter: “Die Bank hat eine klare Haltung zu kontrovers diskutierten Themen wie Rüstung, Palmöl, Abholzung oder fossilen Energien”. Diese angebliche klare Haltung wird einem aber dann doch nicht ganz so klar. Sie verpflichten sich zum Pariser Klimaabkommen, aber halten trotzdem weiter an fossilen Energieträgern fest und riskieren Menschenleben weltweit? Im gesonderten, nicht finanziellen Bericht steht als erster Punkt “Verantwortung übernehmen” – lieber Vorstand, lieber Aufsichtsrat, Sie übernehmen hier leider gar nichts, sonst müssten wir hier diese Kritik nicht anbringen.

Bei großen Finanzierungsprojekten, welche sich nicht direkt auf den Energiesektor beziehen, fehlen Umweltüberprüfungen. Bestandskunden dürfen weiter erhebliche Summen mit dreckiger Kohle verdienen. Es wird mit zahlreichen klimaschädlichen und menschenfeindlichen Konzernen, wie HeidelbergCement zusammengearbeitet. Die Einhaltung von Natur und Umweltüberprüfungen in Lieferketten wird ausgeblendet. Millionen Investitionen in Total, dem Konzern der gerade die EACOP, die längste beheizte Öl-Pipeline der Welt in Afrika bauen will. Verantwortung zu übernehmen sieht anders aus. Verantwortung zu übernehmen, bedeutet, sich an das Pariser Klimaabkommen zu halten, aber all das ist das Gegenteil von diesem.

Die Commerzbank hat Klimavokabeln auswendig gelernt, statt sich ernsthaft mit der Klimakrise zu beschäftigen.

Warum bisher niemand bei der Commerzbank aufgeschrien hat, erklärt sich, wenn man sich mal die Besetzung im Aufsichtsrat näher anguckt:  

In Ihrem Geschäftsbericht zu 2022 steht folgendes geschrieben: “Nach dem Deutschen Corporate Governance Kodex sowie Paragraph 3 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats haben Aufsichtsratsmitglieder der Commerzbank Interessenkonflikte unverzüglich gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden beziehungsweise dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden offenzulegen, der wiederum den Aufsichtsrat informiert.” – Wirklich spannend wird aber jetzt der folgende Satz: – „Im Berichtszeitraum hat kein Aufsichtsratsmitglied einen Interessenkonflikt angezeigt.” Der Aufsichtsrat ist derzeit unter anderem mit Sabine Ulrich Dietrich besetzt, die Jahrzehnte für den fossilen Konzern BP gearbeitet hat und in dessen Vorstand saß.  BP hat das Märchen in die Welt gesetzt, dass wir als Individuen die Klimakrise lösen können, um von sich selbst abzulenken und hat erst kürzlich die eigenen Klimaziele runtergeschraubt. Genau in diesen Konzern investierte die Commerzbank bis Januar 2023 mehr als 267 Mio US Dollar.

Sabine Ulrich Dietrich ist aber nicht die Einzige, die Verbindungen zu fossilen Konzernen aufweist. Dr. Jutta Dönges ist vor wenigen Wochen in die Chefetagen des fossilen Konzerns Uniper eingetreten.

Eigentlich sollte der Aufsichtsrat als Kontrollmechanismus für den Vorstand dienen, aber wie soll das funktionieren, wenn dieser von den internationalen, fossilen Lobbys beansprucht wird. Der Einfluss von fossilen Konzernen im Aufsichtsrat der Commerzbank ist nicht abzustreiten und es mehr als fraglich, dass diese nicht als Interessenkonflikte gekennzeichnet werden.

Sie, Herr Gottschalk, haben gesagt, dass Klimaschutz nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, aber ist das wirklich so? Mir erscheint das anders. Herr Knof, Sie haben dargelegt, dass die Commerzbank noch viel vor hat. “Ohne wenn und auf jeden Fall ohne Aber”. Ich sehe gerade noch sehr viel “Aber”. Ich sehe alles, aber keine Ambitionen das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.

Die Commerzbank möchte sich als Grün deklarieren, aber zeigt wieder und wieder, dass das nicht mehr als ein Scheintrug ist.

Die Zeit für fossile Investitionen ist vorbei, ob Sie wollen oder nicht. Es können noch so viele aus der fossilen Lobby bei Ihnen in den Aufsichtsräten sitzen, es wird ein Ende haben. Die Klimakrise ist jetzt und das müssen auch Sie irgendwann begreifen.

Meine Fragen an Sie sind deshalb:

  • Wann geben Sie öffentlich bekannt, das Pariser Klimaabkommen nicht einhalten zu können?
  • Wie werden Sie die Unabhängigkeit von fossilen Konzernen in Ihren Aufsichtsräten feststellen?
  • Und wann stoppen Sie Ihre Investitionen in den klimaschädlichen Konzern BP?

Danke!

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