Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
mein Name ist Tilman Massa, ich bin Co-Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Wir können weiterhin nicht erkennen, wie Sie, der Vorstand der Commerzbank, seiner Verantwortung zum Klima- und Umweltschutz gerecht wird.
Wir haben dazu einen Gegenantrag eingereicht, die ich hiermit formal stelle und kurz begründen möchte. Ich habe Kritik an und Fragen zu Ihren Richtlinien zum Ausschluss der Finanzierung klimaschädlicher Brennstoffe und Geschäftsmodelle sowie Finanzierung von Unternehmen, die Wald zerstören. Abschließend habe ich Fragen zur Umsetzung Ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten.
Commerzbank weiter in Russland aktiv
Die Commerzbank gehört laut einem Bericht der Financial Times[1] zu jenen westlichen Banken, die weiterhin in Russland aktiv sind und 2023 insgesamt mehr als 800 Millionen Euro an Steuern dort gezahlt haben. Damit unterstützen Sie indirekt Putins Kriegswirtschaft. Dazu folgende Fragen:
- Wie hoch waren Ihr Gewinn und Ihre Steuern in Russland 2023? Wie ist die Entwicklung im Vergleich zum Vorkriegsniveau?
- Stammt der Gewinn nur aus Fonds, die Sie nicht aus Russland abziehen konnten? Wenn nicht, woher noch?
Kohle-, Öl- und Gasrichtlinien verschonen Bestandskunden an vielen Stellen
Trotz fortschreitender Klimakatastrophe ist bei den Kohlefinanzierungen der Commerzbank noch kein Abwärtstrend zu sehen. Neben EnBW und RWE befindet sich 2023 auch das Kohleunternehmen NRG Energy auf der Kundenliste. Der Kohleanteil an der Stromproduktion liegt bei NRG Energy noch immer bei 50 Prozent. Die Commerzbank hatte im Jahr 2022 eine neue Richtlinie für fossile Brennstoffe veröffentlicht, nachdem sie keine neuen Unternehmen mehr finanziert, deren Kohleanteil über 20 Prozent liegen. Bestandskunden können jedoch noch bis Ende 2025 so dreckig und klimaschädlichen bleiben, wie sie wollen. Erst dann müssen sie einen Kohleausstiegsplan bis Ende 2030 vorlegen.
Für den Öl- und Gasbereich hat die Commerzbank auch im letzten Jahr verpasst, diese entsprechend des 1,5°C-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens kompatibel nachzuschärfen. Für Bestandskunden gibt es weiterhin keinerlei Unternehmensausschlüsse, weder für Öl- und Gasunternehmen auf Expansionskurs, noch für Unternehmen ohne 1,5°C-kompatiblen Transformationsplan. Unternehmen, die massiv in fossile Expansion investieren, wie Engie, das neue LNG-Infrastruktur mit einer jährlichen Kapazität von 5 Millionen Tonnen (Mtpa) plant, oder Vitol, einer der weltgrößten Ölhändler – sie alle befinden sich unter den Kunden der Commerzbank im letzten Geschäftsjahr.
Dazu folgende Fragen, die auch von unserer Mitgliedsorganisation urgewald an Sie gestellt werden:
- Sie schließen Neukunden, die im Öl- und Gassektor expandieren aus. Für Bestandskunden gelten keinerlei Einschränkungen. Planen Sie derzeit auch Einschränkungen für Bestandskunden aus dem Öl und Gassektor zu formulieren. Wenn ja, welche?
- Sie bekennen sich zum Pariser Klimaziel, viele Ihrer Bestandskunden aus dem Öl- und Gassektor forschen und erschließen aber neue Öl- und Gasquellen, die um das Pariser Klimaziel zu erreichen gar nicht mehr erschlossen werden dürfen. Wie passt das zusammen?
- Sie schreiben in Ihrem Geschäftsbericht und haben es heute mündlich bekräftigt, dass Sie Ihre Kunden bei der Transformation begleiten. Im Februar dieses Jahres hat der niederländische Pensionsfonds PFZW, nach zwei Jahren Dialog, einen Großteil der Öl- und Gasunternehmen divestiert, da sie ihr Geschäft nicht an den Pariser Klimazielen ausrichteten. Wie gehen Sie mit Unternehmen um, die keinen 1,5°C kompatiblen Transformationsplan haben?
Millionenkredite für Naturzerstörung
Die Commerzbank gehört mit zu denjenigen europäischen Banken, die seit Abschluss des Pariser Klimaabkommens Millionen an Krediten an Unternehmen vergeben haben, die maßgeblich an der Zerstörung von Wäldern beteiligt sind. Das belegt eine Recherche von Greenpeace International, Harvest, Milieudefensie, Deutsche Umwelthilfe, OroVerde und weiteren Organisationen, vgl. https://www.greenpeace.de/klimaschutz/finanzwende/deutsche-bank-co-hauptfinanzierer-naturzerstoerung.
Für die Datenrecherche auf Basis der Finanzdaten der unabhängigen Forschungseinrichtung Profundo sind Kredite an und Investitionen in große Unternehmen untersucht worden, die in sogenannten „Wald-Risikosektoren“ tätig sind, wozu auch Palmöl, Kakao und Soja zählen. Demnach sticht die Commerzbank dabei etwa mit 401 Millionen US-Dollar Kredite an den Agrarkonzern Cargill seit 2016 hervor. Medienberichte haben Cargill mit der Abholzung von Wäldern und der Beeinträchtigung von Ökosystemen in einer Reihe von Regionen und Rohstoffen in Verbindung gebracht, darunter Palmöl aus Südostasien, Kakao von der Elfenbeinküste, brasilianischer Mais und Soja aus Brasilien und Bolivien.
In Brasilien stehen die Commerzbank-Kredite an Cargill aber nicht nur mit der Ausweitung der Sojagrenze und Regenwaldzerstörung in Verbindung: Betroffene des neu geplanten Cargill-Hafens bei Abaetetuba im Bundestaat Pará und Partnerorganisationen, die diese begleiten, berichten u. a. über illegale Praktiken des Landgrabbings in einem Gebiet, das eigentlich Schutzstatus in der Amazonasregion genießt. Die Betroffenen wehren sich gegen die Verletzung ihrer Land- und Umweltrechte und die drohende Zerstörung ihres Lebensraums. Aktuell läuft hierzu ein Gerichtsverfahren gegen Cargill in Brasilien.
Darüber hinaus hat die Commerzbank seit 2016 Kredite an den Agrarkonzern Bunge in Höhe von 278 Millionen US-Dollar vergeben. Bunge wird laut einem neuen Bericht der Deutschen Umwelthilfe, Mighty Earth, Repórter Brasil und dem Instituto Centro de Vida (ICV) direkt mit der Entwaldung von 15.897 Fußballfeldern in der bedrohten Cerrado-Savanne in Brasilien in Verbindung gebracht, vgl. https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Pressemitteilungen/Naturschutz/BOWL_MEP_Ger.pdf. Die DUH-Untersuchung zeigt auf, dass Soja von Bunge als Tierfutter für die Produktion von Rind-, Schweine-, Geflügel- und Milchprodukten in Frankreich, Spanien, Deutschland und den Niederlanden verwendet wurde. Die anhaltende Kreditvergabe der Commerzbank an Bunge unterminiert die Bestrebungen der Emissionsbegrenzung durch das Pariser Klimaschutzabkommen.
Dazu folgende Fragen:
- Haben Sie aktuell Kredite an Cargill und/oder Bunge vergeben und wenn ja, in welcher Höhe? Bestehen weitere Geschäftsbeziehungen mit diesen Unternehmen?
- Wenn Sie aktuell Bunge und/oder Cargill finanzieren, wie steht dies im Einklang mit Ihrem ESG-Rahmenwerk in der aktuellen Fassung? Darin haben Sie ja immerhin auch Erwartungen in Bezug auch Bestandskunden, die in Verbindung mit Abholzung und Agrarrohstoffe stehen, formuliert.
- Allgemein zu Ihrem ESG-Rahmenwerk und seinen Ausschlusskriterien und Mindeststandards: Hat es im letzten Geschäftsjahr und/oder bisher konkrete Ausschlüsse gegeben und wenn ja, wie viele und welche Unternehmen?
- Welche konkreten Schritte unternehmen sie, um ihr Netto-Null-Ziel im Landnutzungs- und Forstsektor zu erreichen? Wie sieht dies kurzfristig bis 2025, mittelfristig und langfristig aus? https://www.commerzbank.de/group/what-drives-us/responsible-action/2024-net-zero.html
- Wie können Sie rechtfertigen, dass Sie in einige der Unternehmen investiert haben, die für die höchsten Emissionen und den Verlust der biologischen Vielfalt aufgrund von Entwaldung verantwortlich sind, während Sie gleichzeitig behaupten, sich für die Verringerung der Emissionen einzusetzen und der Nachhaltigkeit verpflichtet zu sein?
- Haben Sie konkrete Schritte unternommen, um Ihr Risiko und Ihre Verwicklung in Geschäftsbeziehungen mit Entwaldung zu kartieren, und was planen sie zu tun, um dieses Risiko zu verringern?
- Sie verfügen über eine Politik, die sich mit den Auswirkungen auf die Wälder befassen sollte, wird jedoch weiterhin mit Unternehmen in Verbindung gebracht, die eine erschreckende ökologische und soziale Bilanz aufweisen. Dies zeigt deutlich, dass freiwillige Anstrengungen zur Lösung dieser Probleme nicht ausreichen. Stimmen Sie daher zu, dass eine Regulierung des EU-Finanzsektors in Bezug auf umwelt- und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten (entsprechend CSDDD) und zur Bekämpfung seiner Auswirkungen auf Wälder und andere wichtige Ökosysteme jetzt dringend erforderlich ist?
- Sind Sie bereit, sich öffentlich dafür einzusetzen, dass die Europäische Kommission die Einführung von Verpflichtungen vorschlägt, um sicherzustellen, dass ihre Finanzströme nicht direkt oder indirekt zur Umwandlung und Zerstörung von Ökosystemen oder zur Verletzung von Menschenrechten beitragen? Wir brauchen hier dringend einen verbindlichen Rechtsrahmen, damit Unternehmen, die sich dazu Mühe geben, nicht weiter im Nachteil sind. Dies ist aber aktuell leider nicht der Fall im Finanzsektor.
Tiefseebergbau
- Inwieweit sind Sie in geplante Projekte von Tiefseebergbauprojekten involviert? Können bzw. wollen Sie ausschließen, sich in Zukunft an Tiefseebergbau zu beteiligen/diese zu finanzieren und/oder solche Projekte in Ihren Wertschöpfungsketten zu haben? Planen Sie eine entsprechende Richtlinie? Wenn ja, wie genau? Wenn nicht, warum nicht?
Grundsatzerklärung zu menschenrechts- und umweltbezogenen
Sorgfaltspflichten
- Wiese enthält Ihre neue Grundsatzerklärung zu Ihren menschenrechts- und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten keinerlei Erwartungen an Ihre Firmenkunden, so wie Sie es ja laut Ihre ESG-Rahmenwerk schon lange tun? Liegt dies nur daran, dass das BAFA in einer höchst umstritteneren Handreichung Kundenbeziehungen als nicht vom Lieferkettengesetz (LkSG) eingefasst interpretiert?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
[1] https://www.ft.com/content/cd6c28e2-d327-4c2a-a023-098ca43eacfb