Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
mein Name ist Tilman Massa, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir von der Deutschen Bank deutliche effektivere Maßnahmen für den Schutz von Klima, Umwelt und Menschenrechten ein.
Wir werden Sie, den Vorstand, auch dieses Jahr nicht entlasten. Sie kommen weiterhin nicht hinreichend Ihrer Verantwortung nach, wirksamere Maßnahmen für den Schutz von Menschenrechten umzusetzen. Wir haben dies in unserem Gegenantrag ausführlich begründet, den ich hiermit auch formal stelle.
Vielen Dank für die Beantwortung unserer vorab eingereichten Fragen, auch wenn Sie hier munter von Ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen – was in unseren Fällen und Kritikpunkten auch bei Dritten den Eindruck von Intransparenz schafft.
- Wie sollen so Ihre Aktionär*innen und die Öffentlichkeit jemals prüfen können, wie effektiv Sie wirklich Ihre auf dem Papier umfangreichen Richtlinien zu Klima- und Umweltschutz sowie Menschenrechten auch wirklich in der Realität umsetzen?
Es braucht dringen verbindliche, gesetzliche Regeln für die klima-, umwelt- und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten des Finanzsektors auch für die Downstream-Wertschöpfungsketten bzw. Kundenbeziehungen auf EU- und UN-Ebene. Diejenigen Finanzinstitute, die sich in diesem Bereich ernsthaft engagieren, dürfen nicht weiter gegenüber jenen Finanzinstitutionen benachteiligt werden, die dies nicht tun.
In Ihrer Antwort auf unsere Frage dazu (HV24-149) scheinen Sie da halb zuzustimmen und – ich zitiere – „begrüßen verbindliche und verlässliche Regeln im Bereich der Nachhaltigkeit als eine wichtige Voraussetzung für mehr Transparenz, Vergleichbarkeit und faire Wettbewerbsbedingungen auf internationaler Ebene.“ Sie kritisieren jedoch: „Oftmals entsteht hier jedoch vielmehr ein großer Aufwand, der Ressourcen bindet.“
- Was meinen Sie mit großem Aufwand genau?
- Können Sie diese Kosten für Sie beziffern, vor allem im Vergleich zu Ihren bisherigen Kosten im Bereich Nachhaltigkeit? Denn wenn Sie Ihre ESG-Kriterien, die Sie sich selbst auferlegt haben, wirklich umsetzen, dann sollten Sie die neuen Anforderungen eigentlich schon erfüllen.
Ohne Vergleich sind gesetzliche Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung immer viel, wenn man es vergleicht mit dem, was im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung bisher zu tun war: fast gar nichts!
Ansonsten scheint Ihre Antwort zu sein, das freiwillige Maßnahmen, die auch Sie unterstützen, wie der UN Global Compact oder die Net-Zero-Banking-Alliance schon ausreichen würden. Doch das hilft insgesamt nicht, wenn der gesamte Finanzsektor keine verbindlichen Regeln in Bezug auf Investments und das Kreditgeschäft hat.
Daher nochmal die Frage:
- Wenn Sie verbindliche und verlässliche Regeln im Bereich der Nachhaltigkeit begrüßen, würden Sie diese dann auch in dem für Sie entscheidenden Bereich Ihrer Wertschöpfungsketten, Großkundenbeziehungen und Investmentgeschäft begrüßen?
Selbst bei Ihnen scheitert es ja immer wieder an der Transparenz.
Dazu unser Beispiel Ihrer Kredite an bzw. Investitionen in Cargill in Brasilien:
Die Deutsche Bank gehört mit zu denjenigen europäischen Banken, die seit Abschluss des Pariser Klimaabkommens Millionen an Krediten an Unternehmen vergeben haben, die maßgeblich an der Zerstörung von Wäldern beteiligt sind. Das belegt eine Recherche von Greenpeace International, Harvest, Milieudefensie, Deutsche Umwelthilfe, OroVerde und weiteren Organisationen. Für diese Datenrecherche auf Basis der Finanzdaten der unabhängigen Forschungseinrichtung Profundo sind Kredite an und Investitionen in große Unternehmen untersucht worden, die in sogenannten „Wald-Risikosektoren“ tätig sind, wozu auch Palmöl, Kakao und Soja zählen.
Für die Datenrecherche auf Basis der Finanzdaten der unabhängigen Forschungseinrichtung Profundo sind Kredite an und Investitionen in große Unternehmen untersucht worden, die in sogenannten „Wald-Risikosektoren“ tätig sind, wozu auch Palmöl, Kakao und Soja zählen. Demnach hat die Deutsche Bank seit 2016 Kredite in Höhe von 33 Milliarden USD an umweltkritische Unternehmen vergeben und 5,4 Mrd. USD in diese investiert. Die Deutsche Bank finanziert mindestens vier Unternehmen, die nachweislich in direktem Zusammenhang mit Naturzerstörung stehen: Bunge, Cargill, JBS und die Sinar Mas Group.
Der Recherche zufolge sticht die Deutsche Bank dabei mit über drei Mrd. US-Dollar Krediten an den Agrarkonzern Cargill seit 2016 hervor sowie durch ein laufendes Investment in Cargill in Höhe von 35 Millionen US-Dollar.
In Ihrer Antwort auf unsere Fragen dazu antworten Sie: „Die von Ihnen genannten Volumina können wir nicht nachvollziehen. Dies ist häufig bei solchen Auswertungen der Fall und kann beispielsweise an der Methodik liegen, wenn unter anderem syndizierte Kredite mehrerer Banken ausgewertet wurden, bei denen der Deutschen Bank ein pauschaler Wert zugeordnet wurde.“ Daher die Rückfrage:
- Können Sie zumindest die genannte Größenordnung der Kredite und Investitionen in die genannten Unternehmen bestätigen? Oder liegen diese deutlich niedriger und wenn ja, in welchem ungefähren Umfang?
Medienberichte haben Cargill mit der Abholzung von Wäldern und der Beeinträchtigung von Ökosystemen in einer Reihe von Regionen und Rohstoffen in Verbindung gebracht, darunter Palmöl aus Südostasien, Kakao von der Elfenbeinküste, brasilianischer Mais und Soja aus Brasilien und Bolivien.
In Brasilien stehen die Deutsche Bank-Kredite und Investments in Cargill aber nicht nur mit der Ausweitung der Sojagrenze und Regenwaldzerstörung in Verbindung: Betroffene des neu geplanten Cargill-Hafens bei Abaetetuba im Bundestaat Pará und Partnerorganisationen, die diese begleiten, berichten u. a. über illegale Praktiken des Landgrabbings in einem Gebiet, das eigentlich Schutzstatus in der Amazonasregion genießt. Die Betroffenen wehren sich gegen die Verletzung ihrer Land- und Umweltrechte und die drohende Zerstörung ihres Lebensraums. Aktuell läuft hierzu ein Gerichtsverfahren gegen Cargill in Brasilien, das von der Caritas unterstützt wird.
Das Gebiet, das Cargill meint, rechtmäßig für den Hafenbau erworben zu haben, kann gar nicht rechtmäßig vom Verkäufer verkauft worden sein, denn es ist Eigentum des Bundes, also unveräußerlich. Zudem ist das Gebiet seit 2005 ein staatliches anerkanntes, sog. extraktivistisches Schutzgebiet, die PAE Santo Afonso. Der Vorwurf vor Gericht gegen Cargill: Aneignung von öffentlichem Grund und Boden (Land Grabbing), Verstoß gegen das innerstaatliche Recht, das ein umfassendes Recht auf Verteidigung in Verwaltungsverfahren vorschreibt sowie ein Verstoß gegen das ILO-Konvention 169 zum Schutze der Rechte der Indigenen Völker.
Wir haben Sie das bereits online vorab gefragt, aber Ihre gestrige Antwort deutet entweder auf vorsätzliches Unverständnis oder Ignoranz hin: In Ihrem ESG-Framework erklärt die Deutsche Bank explizit in Bezug auf die Rechte Indigener, „die Bank erwartet von ihren Kunden, dass sie die freie, vorherige und informierte Zustimmung der betroffenen Gemeinschaften einholen.“(eigene deutschsprachige Übersetzung) Da es sich bei den vom geplanten Cargill-Hafen bei Abaetetuba Betroffenen um „Ribeirinhos“ handelt, die laut brasilianischer Gesetzgebung explizit als „traditionelle Gemeinschaften“ gleichbedeutend zu indigenen Völker gelten, somit müssen wir angesichts der substantiierten Kenntnis des Cargill-Falls in Abaetetuba davon ausgehen, dass das ein Versehensfehler in den Kontroll- und Überprüfungsmechanismen in der Anwendung Ihres ESG-Frameworks war und dass Sie sich entsprechend nun umgehend dafür einsetzen, dass die Territorialrechte der lokal Betroffenen bei Abaetetuba vollumfänglich geachtet, respektiert und gewährleistet werden – andernfalls würde die Deutsche Bank ja glatt eingestehen, dass Ihre ESG-Framework nicht wirksam ist.
Wir haben Ihnen in unserer Vorabfrage unter Bezugnahme auf Ihr eigenes ESG-Framework (mit Quellenzitat) anhand des Cargill-Abaetetuba-Falls dargelegt, dass und wie Ihre ESG-Kriterien nicht zu funktionieren scheinen. Wie antworten Sie? Im Zirkel: Sie zitieren Ihre ESG-Kriterien. Also frage ich Sie erneut unsere Frage HV24-161:
- Werden Sie sich als Kreditgeberin und Investmentbeteiligte an Cargill bei der Firma umgehend dafür einsetzen, dass die Territorialrechte der lokal Betroffenen bei Abaetetuba vollumfänglich geachtet, respektiert und gewährleistet werden?
Und weil Sie ja nie etwas zu konkreten Beteiligungen, Projekten und Geschäfte sagen, allgemeiner formuliert:
- Wie prüfen Sie im Detail bei Ihren Großkunden entsprechend Ihren eigenen ESG-Richtlinien, dass diese die freie, vorherige und informierte Zustimmung der betroffenen Gemeinschaften einholen?
- Und was passiert, wenn im Nachhinein rauskommt, dass so eine Zustimmung nicht vorlag? Hier einfach zu erwarten, dass dies schon immer passiert, ist grobe Fahrlässigkeit. Insbesondere im Rohstoffsektor und Bergbau wird dieses Recht selten von Bergbaukonzernen und ihren Investoren geachtet, wie auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) festgestellt hat.
Auch zur weiterhin starken Kritik am Format der rein virtuellen Hauptversammlung:
Sie rechtfertigen das virtuelle Format mit dem Verweis auf „erleichterte Teilnahmemöglichkeiten, die das virtuelle Format für unsere weltweiten Aktionäre bietet“.
- Wieso lassen Sie dann keine Redebeiträge und Fragen hier und heute auf Englisch zu? Die Simultanübersetzung von Deutsch ins Englische bieten Sie ja an.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.