Sehr geehrter Vorstand, sehr geehrter Aufsichtsrat, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
mein Name ist Philippe Diaz. Ich bin freiberuflich im Bereich Sustainable Finance tätig. Ich spreche hier auf Einladung der Kritischen Aktionäre. Einige von Ihnen kennen mich möglicherweise aus dem Plusminus-Beitrag vom 11.9.2024 zum DWS Concept ESG Blue Economy-Fonds.
Ich möchte mich heute zu zwei Themenkomplexen äußern und dazu konkrete Fragen stellen. Der erste fokussiert sich auf die Debatte um den Aufwand und den Nutzen von Nachhaltigkeitsberichterstattung.
In der öffentlichen Debatte werden die European Sustainability Reporting Standards – kurz ESRS – häufig als Bürokratiemonster diffamiert. Wegen eines vermeintlich zu hohen bürokratischen Aufwands. – Das kann man so sehen, aber auch nur wenn der Kontext außen vor gelassen wird. Laut einer Erhebung von Accountancy Europe ist beispielsweise die Prüfung von Finanzdaten erheblich aufwändiger und somit teurer als von Nachhaltigkeitsdaten – auch unter Berücksichtigung der ESRS.
Laut einer von WeAreEurope veröffentlichten Umfrage mit über 1.000 Unternehmen sind 61% der Unternehmen zufrieden bis sehr zufrieden mit den Berichtsstandards in ihrer jetzigen Form. Nur 17% haben sich explizit dagegen ausgesprochen.
Zudem ist der Bürokratiekostenindex des Statistischen Bundesamts verglichen mit 2012 gar niedriger. Die Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive hat nur zu einem leichten Anstieg geführt.
Vor diesem Hintergrund interessiert mich die Haltung der Deutschen Bank zur aktuellen regulatorischen Entwicklung auf EU-Ebene, insbesondere zum sogenannten Omnibus-Verfahren, mit dem wesentliche Bestandteile der Corporate Sustainability Reporting Directive und auch der dazugehörigen Berichtsstandards überarbeitet werden sollen.
Die EU-Kommission plant bspw. auf sektorspezifische Standards zu verzichten. Diese Standards sollten ursprünglich dazu dienen, branchenspezifische Wesentlichkeitsanalysen zu standardisieren und somit deren Durchführung für Unternehmen erheblich zu erleichtern. Das würde auch die Datenqualität für Kapitalmärkte deutlich verbessern. Meine erste Frage:
- Wie bewertet die Deutsche Bank den Vorschlag, sektorspezifische Standards NICHT weiterzuverfolgen?
Zudem ist das Konzept der doppelten Wesentlichkeit stark unter Druck. Die doppelte Wesentlichkeit stellt sicher, dass Unternehmen sowohl berichten, was finanziell für SIE relevant ist und ebenfalls was “lediglich” negative Auswirkungen auf Mensch und Natur sind – aber ohne finanzielle Relevanz. Dabei ist diese Unterscheidung ein schwieriges Konzept, insbesondere mit Blick auf den Zeithorizont. Denn je längerfristig man in die Zukunft blickt, desto finanziell relevanter werden Themen wie Mikroplastikverschmutzung, PFAS oder Entwaldung. Allerdings wird die Risikoperspektive, also die der finanziellen Relevanz, von der kurzfristigen Ausrichtung der Kapitalmärkte geprägt. Das heißt, sie kann nicht weit in die Zukunft blicken. Da die Deutsche Bank über JAHRZEHNTE laufende Kredite vergibt, greift es m. E. zu kurz nur auf die finanzielle Relevanz, also eine sehr kurzfristige Perspektive zu setzen. Meine zweite Frage schließt sich dem an:
- Spricht sich die Deutsche Bank explizit FÜR die Beibehaltung der doppelten Wesentlichkeit in den europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungstandards aus?
Und nun abschließend zur Berichterstattung. Die Deutsche Bank berichtet bereits freiwillig unter Berücksichtigung der ESRS, obwohl es in Deutschland dazu noch keine gesetzliche Verpflichtung gibt. Meine dritte Frage:
- Welche konkreten Vorteile sieht die Deutsche Bank in der frühzeitigen Anwendung der European Sustainability Reporting Standards sowohl für die interne Steuerung als auch die Wirkung nach außen?
Nun komme ich zum zweiten Themenkomplex. Dieser betrifft die Kapitalmarktaktivitäten der Deutschen Bank im Kontext des Nahostkonflikts.
Laut Marketbeat vom 20.5.2025 hat die Deutsche Bank ihre Beteiligung an Elbit Systems, einem israelischen Rüstungsunternehmen, um 15,5 % reduziert. Elbit Systems verzeichnete gerade einen Gewinnsprung aufgrund steigender israelischer Verteidigungsausgaben. Meine Fragen hierzu sind:
- Erste Frage: Warum hat die Deutsche Bank überhaupt wieder in Elbit Systems investiert, nachdem Josef Ackermann 2010 sagte: “We are out”?
- Zweite Frage: Was waren die maßgeblichen Entscheidungsgründe für die jetzige Reduktion der Beteiligung an Elbit Systems? Gab es eine ESG-Risikoprüfungen oder andere strategische Erwägungen?
- Dritte Frage: Wie bewertet die Deutsche Bank die menschenrechtlichen und reputationsbezogenen Risiken, die sich aus weiteren Investitionen in Unternehmen wie Elbit Systems ergeben – insbesondere im Hinblick auf ein mögliches zukünftiges Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zu mutmaßlichen Völkerrechtsverstößen durch Israel?
- Vierte Frage: Sind Desinvestitionsstrategien vorgesehen, für den Fall, dass der IGH zu dem Schluss kommt, dass durch israelisches Handeln ein Völkermord begangen wurde? Falls nein, warum nicht?
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf Ihre Stellungnahmen.