Rede von Joceli Andrioli

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Joceli Andrioli. Ich bin von der brasilianischen Bewegung der Staudammbetroffenen (MAB). Unsere Bewegung setzt sich für die Belange derjenigen ein, die für den Bau von großen Energieprojekten zwangsumgesiedelt wurden. In dem Bundesstaat, in dem ich lebe, gibt es dutzende Fälle von Gemeinden, die von der extraktiven Industrie des Bergbaus in Mitleidenschaft gezogen wurden und werden.

Warum bin ich hierher zu Ihnen, zur Hauptversammlung der Deutschen Bank, gereist? Es geht um die Verbindung der Deutschen Bank mit den Bergbaukonzernen Vale und BHP Billiton. Zwischen 2010 und 2017 stellte die Deutsche Bank der brasilianischen Vale 701 Mio Euro und der anglo-australischen BHP Billiton 622 Mio. Euro an Krediten und Anleihen zur Verfügung. Außerdem hält die Deutsche Bank Aktien an den beiden Unternehmen in Höhe von 283 Mio. Euro.

Die zwei hier genannten Kreditnehmer der Deutschen Bank, Vale und BHP Billiton, sind Eigentümer der Firma Samarco, die für das größte Bergwerksunglück aller Zeiten verantwortlich ist.

Am 5. November 2015 brach der Damm des Rückhaltebeckens der Firma Samarco, was in der Folge das gesamte Flusstal des 580 km langen Rio Doce zerstört hat. 19 Personen starben, mehr als einer Million Menschen wurde ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen, sei es durch den Tsunami an Schlamm, der die Häuser zerstörte, sei es durch die Kontaminierung des Trinkwassers, sei es durch den Verlust der wirtschaftlichen Lebensgrundlage oder sei es durch die in jüngsten Untersuchungen wissenschaftlich festgestellten Kontaminationen oder permanenten Gesundheitsschäden.

In den zweieinhalb Jahren wurden verschiedene Klagen und Berichte bei den Vereinten Nationen eingereicht, dort bei der Arbeitsgruppe, die für Menschenrechte und Unternehmen zuständig ist. Dennoch waren die verantwortlichen Firmen – die Ihre Bank, die Deutsche Bank, mit weiterhin mit großzügigen Kreditlinien bedient – nicht einmal in der Lage, in diesen zweieinhalb Jahren die Gesamtzahl der betroffenen Menschen zu ermitteln. Von der Zahlung einer umfassenden und angemessenen Entschädigung und Wiedergutmachung, so wie es internationale Menschenrechtsstandards vorschreiben würden, ganz zu schweigen.

Es gibt dutzende von Kindern, bei denen hohe Arsenrückstände im Körper medizinisch nachgewiesen wurden. Diese Kinder sind über einen langen Zeitraum dem toxischen Schlamm ausgesetzt gewesen. Es gibt seitens der verantwortlichen Firmen keinerlei Ansatz eines Vorgehens, das eine reale Erfassung der Gesundheitssituation und der Kontamination durch das Wasser gewährleistet. Die Familien, die ihre Häuser in den Schlammmassen verloren haben, deren Häuser und Städte sind noch immer nicht wiederaufgebaut worden. Die gesamte soziale und Umwelt-Dimension dieses Desasters ist noch immer nicht vollkommen erfasst worden, so dass eine umfassende und adäquate Wiedergutmachung und Entschädigung verunmöglicht wird.

Wir wissen, dass die Deutsche Bank auf europäischer Ebene der zweitgrößte Finanzier der Bergbauindustrie ist und dass sich darunter Firmen befinden wie u.a. Anglo American und BHP Billiton, die in Verbindung stehen mit Dammbrüchen bei Rückhaltebecken und bei Erz-Pipelines, Dammbrüche infolge von Vernachlässigung von Umweltauflagen, so dass es zu einer Reihe von ungelösten sozialen Problemen vor Ort kommt.

Des Weiteren ist die Deutsche Bank eine der großen Kreditgeberinnen der Firma Vale SA, der sie im Jahr 2011 und erneut im Jahre 2017 einen großen Kreditbetrag zur Verfügung stellte. Letzterer wurde also vergeben, nachdem zuvor die erwähnten Klagen und Eingaben bei den Vereinten Nationen gegen die Firma eingereicht wurden. Hinzu kommt, dass die Militärpolizei gezielt bei Demonstrationen und Protesten, die sich gegen das Gebaren der Firma richten, eingesetzt werden; dann gibt es noch die äußerst suspekten Vereinbarungen über Betriebsabläufe, die die Justiz mit der Firma schließt; und die Fortführung eines selektiven Entschädigungsprogramms, das eigentlich von der Justiz als illegal erklärt worden war; und zuguterletzt sehen wir die strukturelle Schwachheit des Entschädigungsprogramms für die Bewohnerinnen und Bewohner des Flusstals des Rio Doce sowie das Nichtstun angesichts einer Umweltverschmutzung und Kontaminierung ganzer Landstriche – alles für den Bergbau!

Die Deutsche Bank ist Unterzeichnerin der Equator-Principles und versucht die Ansprüche des Global Compact zu erfüllen. Dies würde aber in der Praxis eigentlich eine Überprüfung der Anlage- und Kreditvergabepolitik der Deutschen Bank erfordern. Eine Überprüfung der Kreditnehmerinnen wie Vale z.B., eine Überprüfung deren sozialer und Umweltimpakte, die die Firma auslöst. Dies würde zutage bringen, dass die Firma zum wiederholten Male die Prinzipien der freien, vorherigen und informierten Befragung (FPIC), wie sie von der IFC beispielsweise gefordert werden, mißachtet wurden. So ist es offensichtlich, was die von der Schlammwelle betroffenen Gemeinden vor allem fordern: Beteiligung an den Entscheidungsprozessen über Entschädigungszahlungen.

Wichtig zu erwähnen ist die Rolle, die die internationalen Finanzinstitute zum Schutze der Menschenrechte haben, wie es der Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra’aad Al Hussein, definiert. Daraus müsste eigentlich die Einsicht folgen, dass die Deutsche Bank ihre Anlage- und Kreditpolitik einer genauen Überprüfung unterzieht, um dergestalt sicherzustellen, dass Menschenrechtsklauseln greifen und dass interne Mechanismen geschaffen werden, die eine Identifizierung von Risiken in diesen Bereichen ermöglichen. Wie kann es sein, dass eine Firma wie Samarco – mit Mitteln der Vale – den Betrieb wieder aufnimmt, ohne irgendeine Garantie, dass sich so etwas wie der Dammbruch nicht wiederholt und ohne dass zuvor die Betroffenen vollständig entschädigt wurden.

Ein weiterer Aspekt ist, den Sie bedenken sollten, ist der folgende: Die Deutsche Bank in Brasilien nutzt das steuerlich geförderte Programm zur Unterstützung kultureller und sozialer Projekte. Denken Sie doch mal darüber nach, sich in Sozialfonds zu engagieren, die die von der Schlammwelle betroffenen Menschen unterstützen. Und, vor allem, setzen Sie sich gemeinsam mit ihren Partnerfirmen dafür ein, dass es endlich technische Untersuchungen gibt, die bei der Diagnose der vom Schlammtsunami herrührenden Schäden ein umfassendes Bild abgeben, aber achten Sie darauf, dass es sich um unabhängige, technische Untersuchungen handelt und dass diese in einer Art und Weise vor Ort agieren, dass sie das Vertrauen der betroffenen Bevölkerung genießen.

Ich frage Sie:

Werden Sie ihre Kreditlinien, die Sie den Firmen Vale und BHP Billiton zur Verfügung stellen, einer grundsätzlichen, menschenrechtlichen Überprüfung unterziehen?

Werden Sie ihre Aktienanteile, die Sie an Firmen wie Vale und BHP Billiton halten, einer grundsätzlichen, menschenrechtlichen Überprüfung unterziehen?

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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