„Erschreckende Berichte über untragbare Arbeitsbedingungen und Repression von Gewerkschaftsarbeit“: Rede von Tilman Massa

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Tilman Massa, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir von der Deutschen Post deutliche effektivere Maßnahmen gegen die Klimakrise sowie für den Schutz von Umwelt und Menschenrechten ein.

Menschenrechte: Untragbare Arbeitsbedingungen und Unterdrückung von Gewerkschaftsarbeit in den USA

Es mehren sich Hinweise, dass der Vorstand menschenrechtliche Risiken selbst im eigenen Geschäftsbereich nicht hinreichend entsprechend dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) adressiert. Dies scheint vor allem in Bezug auf das Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit der Fall zu sein, nach der Beschäftigte sich frei zu Gewerkschaften zusammenzuschließen oder diesen beitreten können, dies nicht als Grund für ungerechtfertigte Diskriminierungen oder Vergeltungsmaßnahmen genutzt werden darf sowie das Streikrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen. Hierzu haben wir erschreckende Informationen von Gewerkschaften aus den USA erhalten.

In den letzten zwei Jahren haben die Beschäftigten des größten DHL-Drehkreuzes in den USA, dem Flughafen CVG in Kentucky, eine Gewerkschaft gegründet. Die Beschäftigten berichten von einer Kultur der Einschüchterung, Angst und Missachtung. DHL-Führungskräfte würden in Rahmen einer aggressiven, gewerkschaftsfeindliche Kampagne versuchen, Beschäftigte einzuschüchtern, damit sie nicht für die Gewerkschaft stimmen. Dies haben Ihnen Betroffene heute direkt geschildert, auch von weiteren Ihrer US-Standorte haben Beschäftigte von ähnlichen, gewerkschaftsfeindlichen Missständen berichtet. Dazu meine Fragen:

  • Haben Sie Missstände in Bezug auf Arbeitsrechte, insbesondere Gewerkschaftsrechte und die Achtung des Streikrechts, in Ihrem Geschäftsbereich, aber auch in Ihrer Lieferkette identifiziert? Prüfen Sie auch dahingehend Ihre Dienstleister, die Personal für Sie beschäftigen, also Teil Ihrer Wertschöpfungs-, aber nicht Lieferkette sind?
  • Welche umweltbezogenen und menschenrechtlichen Risiken haben Sie in Ihren Lieferketten identifiziert? Letztes Jahr haben Sie laut Geschäftsbericht fanden dazu 53 interne Audits bzw. Prüfungen statt. Was war dazu der konkrete Anlass und welche Maßnahmen werden nun ergriffen?
  • In Bezug auf „Menschenrechte in der Belegschaft umsetzen“ haben Sie letztes Jahr in 10 Ländern Vor-Ort-Prüfungen durchführen lassen. Was war dazu der konkrete Anlass und welche Maßnahmen werden nun ergriffen? Waren die USA Teil Ihrer Prüfungen?
  • Wie viele Anfragen, Hinweise und/oder Beschwerden haben Sie über Ihren Beschwerdemechanismus in Bezug auf arbeits-, umwelt- und menschenrechtliche Missstände erhalten? Was waren die Inhalte, wie haben Sie reagiert? Wie sehen die Ergebnisse Ihrer Prüfungen aus? In wie vielen Fällen prüfen Sie derzeit noch?

Vergütungsbericht: Unglaubwürdige Ziele/Messung Mitarbeiterengagement

Vor diesem Hintergrund werden wir auch Ihren Vergütungsbericht nicht billigen, wir haben einen entsprechenden Gegenantrag eingereicht, den ich hiermit auch formal stelle. Vorstand und Aufsichtsrat von DHL werden für ihre Leistungen unter anderem in Bezug auf die Steuerungsgröße „Mitarbeiterengagement“ belohnt, dabei ist uns vollkommen unklar, ob Sie überhaupt die erwähnten Missstände als solche adressierten oder gar tolerieren. Im Vergütungsbericht wird vorgeschlagen, Boni für das obere Management nicht zuletzt auf der Grundlage der Einhaltung von ESG-Standards im gesamten Unternehmen zu vergeben. Das „soziale“ Element dieser Boni basiert ausschließlich auf der Bewertung des Mitarbeiterengagements nach der jährlichen konzernweiten Befragung (Employee Opinion Survey, EOS). Die Verwendung solcher Kennzahlen bei der Vergütung von Führungskräften halten nicht nur wir für wenig aussagekräftig.

Der in der DHL-Vergütungspolitik für 2023 festgelegte Zielwert für das Mitarbeiterengagement liegt bei 80 Prozent, dabei wird dieser seit drei Jahren stets erreich. Obwohl sich der Wert im Jahr 2023 im Vergleich zu den drei vorangegangenen Jahren nicht verbessert hat, wurde das soziale Ziel im Rahmen der nichtfinanziellen Kriterien als erfüllt angesehen.

Der Deutsche Corporate Governance Kodex besagt, dass bei Vergütungsentscheidungen sowohl die Vergütung der Belegschaft als auch außerordentliche Entwicklungen berücksichtigt werden sollten, auch bei der Entscheidung, ob eine variable Vergütung gerechtfertigt ist. In diesem Fall hätte der Aufsichtsrat feststellen können, dass die andauernden Tarifauseinandersetzungen sowohl eine außergewöhnliche Entwicklung als auch einen aussagekräftigeren Ausdruck der Stimmung in der Belegschaft darstellen als ein einfaches Umfrageergebnis, und die Bonusgewährung entsprechend anpassen können. Dazu meine Fragen:

  • Planen Sie eine Überarbeitung des Vergütungssystems im Bereich der Zielgrößten im Bereich ESG/Nachhaltigkeit? Wenn ja, welche? Wenn nicht, warum nicht?
  • Würden Sie in Bezug auf die soziale Komponente weitere Daten einfließen lassen, etwa die Anzahl nachweislich gelöster Arbeitskonflikte?

Bekämpfung der Luftverschmutzung: Frage von ShareAction

Last but not least möchte ich Ihnen diese Frage im Namen des Programms „Long-Term Investors in People’s Health“ (LIPH) von  ShareAction stellen: Die Frage bezieht sich auf die Maßnahmen der Deutschen Post zur Luftqualität. Weltweit ist die Luftverschmutzung die häufigste umweltbedingte Ursache für Tod und Krankheit, an der jährlich mindestens sieben Millionen Menschen sterben. Dies entspricht einem von 8 Todesfällen, die global verursacht werden. Wie ShareAction in seinem jüngsten Investorenbriefing ‚Clearing the Air‘ erläutert, ist die Luftverschmutzung nicht nur physisch schädlich für die Weltbevölkerung, sondern birgt auch unmittelbare und langfristige finanzielle Risiken für Unternehmen wie die Deutsche Post. Ihre Aktivitäten haben einen erheblichen Einfluss auf die Luft, die wir atmen.  Obwohl die Deutsche Post derzeit keine Angaben zum Ausstoß giftiger Schadstoffe macht, haben wir im Geschäftsbericht 2022 der Deutschen Post die Verpflichtung Ihres Unternehmens zur Kenntnis genommen, „geschäftlichen Erfolg mit dem Engagement für Gesellschaft und Umwelt zu verbinden.“ Wir denken, dass es für die Deutsche Post eine klare Chance gibt, fortschrittlichere Maßnahmen zu ergreifen und die öffentliche Gesundheit und die Geschäftserträge vor den schwerwiegenden Auswirkungen der Luftverschmutzung zu schützen. Vorausschauende Unternehmen beginnen zu erkennen, dass ihre Verantwortung für die Luftverschmutzung über die Einhaltung der bestehenden Vorschriften hinaus- und mit gutem Beispiel vorrangeht.

  • Können Sie sich zu einem Treffen mit der Gruppe „Long-Term Investor’s in People’s Health“ von ShareAction bereit erklären, um dieses Thema weiter zu diskutieren?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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