„Handels- und Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko in Bezug auf die Westsahara sind rechtswidrig“: Rede von Lara Krahlisch

Sehr geehrter Vorstand, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

mein Name ist Lara Krahlisch und ich spreche heute im Namen von zwei zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich jeweils für Menschenrechte und Gesundheit einsetzen: Western Sahara Resource Watch (WSRW) und ShareAction, vertreten durch das Long-Term Investors in People’s Health (LIPH) Program.

Western Sahara Resource Watch

Zunächst möchte ich im Namen von Western Sahara Resource Watch (WSRW) sprechen, einer Organisation, die sich für das Selbstbestimmungsrecht und den Schutz der natürlichen Ressourcen der Westsahara einsetzt.

Im Jahr 2025 jährt sich die Besatzung der Westsahara durch Marokko zum fünfzigsten Mal. In diesem Kontext hat der Europäische Gerichtshof im Oktober 2024 erneut mit großer Deutlichkeit bestätigt, dass Handels- und Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko in Bezug auf die Westsahara rechtswidrig sind. Sie verletzen das Recht des saharauischen Volkes auf Selbstbestimmung. Besonders betont wurde, dass nicht die „Bevölkerung“ – die größtenteils aus marokkanischen Siedler:innen besteht – sondern das klar definierte „Volk der Westsahara“ in solche wirtschaftlichen Entscheidungen einwilligen muss.

Vor diesem Hintergrund habe ich folgende Fragen an den Vorstand:

  1. Laut der DHL-Website existiert derzeit keine Filiale mehr in El Aaiún (EL AJUN). Können Sie bestätigen, dass DHL keine Präsenz mehr in diesem besetzten Gebiet unterhält?
  2. Ist DHL aktuell an anderen Standorten innerhalb der Westsahara aktiv?
  3. Falls nein: Wird DHL künftig – im Sinne der unternehmenseigenen ESG-Governance und des menschenrechtlichen Sorgfaltspflichtenmanagements – auf jegliche wirtschaftliche Aktivitäten in der Westsahara verzichten, solange der völkerrechtlich geforderte Entkolonialisierungsprozess nicht abgeschlossen ist?
  4. Falls ja: Mit welchen lokalen Partnern oder Agenten arbeitet DHL dort zusammen?
  5. Wie viele Sendungen hat DHL seit dem Jahr 2020 jährlich innerhalb der Westsahara, zwischen der Westsahara und Marokko sowie zwischen der Westsahara und anderen Ländern abgewickelt? Werden dabei nationale oder internationale Versandtarife berechnet?
  6. Wie rechtfertigt DHL angesichts der Urteile des EuGH weiterhin das Argument, dass man durch die Aktivitäten in der Region die „Bevölkerung“ wirtschaftlich einbindet – obwohl genau diese Unterscheidung zwischen Bevölkerung und Volk von den Gerichten als völkerrechtswidrig zurückgewiesen wurde?
  7. Welche konkreten Maßnahmen hat DHL ergriffen, um sicherzustellen, dass etwaige wirtschaftliche Vorteile tatsächlich dem saharauischen Volk zugutekommen – insbesondere angesichts der Tatsache, dass ein Großteil dieser Menschen unter extrem prekären Bedingungen in Flüchtlingslagern in Algerien lebt?
  8. Und schließlich: Wie stellt DHL sicher, dass seine Aktivitäten nicht indirekt zur Unterstützung einer illegalen Siedlerwirtschaft beitragen?

ShareAction – Long-Term Investors in People’s Health (LIPH)

Im zweiten Teil meiner Rede spreche ich im Namen von ShareAction, vertreten durch das LIPH-Programm, das von über 50 institutionellen Investor*innen mit einem verwalteten Vermögen von über fünf Billionen US-Dollar unterstützt wird. Das Ziel des Programms ist es, Unternehmen dazu zu bewegen, aktiver zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit beizutragen.

Meine Frage bezieht sich auf den Umgang von DHL mit dem Thema Luftverschmutzung.

Luftverschmutzung ist weltweit die führende umweltbedingte Ursache für Krankheit und Tod – laut WHO sterben jährlich mindestens sieben Millionen Menschen an den Folgen, was etwa jedem achten Todesfall weltweit entspricht. Der Transportsektor, und damit auch die Logistikbranche, trägt laut internationalen Studien zu rund 40–50 % der globalen Feinstaubemissionen (einem PM2.5) bei.

An dieser Stelle möchte ShareAction DHL für die Gespräche im Rahmen ihres Pilotprojekts im Jahr 2024 danken und begrüßt das Interesse an einem proaktiveren Umgang mit dieser Thematik. Allerdings stellen sie fest, dass DHL in seinem jüngsten Nachhaltigkeitsbericht 2024 Luftverschmutzung weiterhin als nicht wesentlich (Zitat: „immateriell“) einstuft. Darüber hinaus fehlen konkrete Angaben zu gesundheitsschädlichen Luftschadstoffen wie Feinstaub, Stickoxiden oder Schwefeldioxid, ebenso wie messbare Reduktionsziele oder Verweise auf gesundheitliche Co-Benefits bestehender Klimamaßnahmen.

Dabei ist Luftverschmutzung nicht nur ein Gesundheitsrisiko für Mitarbeitende und Anwohner*innen, sondern stellt auch ein erhebliches finanzielles Risiko für das Unternehmen selbst und seine Aktionär*innen dar – sowohl regulatorisch als auch reputationsbezogen.

Daher stelle ich im Namen von ShareAction folgende Frage:

Wird sich DHL erneut zu einem Treffen mit dem Investor*innenbündnis von ShareAction bereit erklären, um zu besprechen, wie das Unternehmen künftig transparenter über Luftschadstoffe berichten, messbare Reduktionsziele setzen und somit sowohl gesundheitliche Risiken für Mitarbeitende und Anwohner*innen verringern als auch geschäftliche Risiken proaktiv managen kann?

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und die Gelegenheit, im Namen dieser beiden engagierten Organisationen sprechen zu dürfen. Ich hoffe, dass DHL die Verantwortung, die es als global agierendes Unternehmen gegenüber Menschenrechten und öffentlicher Gesundheit trägt, ernst nimmt – und aktiv Schritte unternimmt, um seiner Vorbildfunktion gerecht zu werden.

Vielen Dank.

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