Fehlende gesamtgesellschaftliche Verantwortung

Fazit der EnBW-Hauptversammlung 2024 von Harry Block

Die Hauptversammlung der EnBW ist für alle Beteiligte ein schwieriges Feld, das durch die computergestützte Online-Veranstaltung noch erschwert wird. Die kritischen Aktionäre üben Kritik und stellen unangenehme Fragen. Die Vorstände der EnBW wollen ihre Firma im guten Licht darstellen und ihrer ´Strategie´ der Transformation in ein nachhaltiges, regeneratives Energieunternehmen nicht durch Eingestehen von strategischen Fehlern schaden. Dabei können sie auch wenig auf die gegenwärtige Politik in Stuttgart und Berlin hoffen. Die Fuel-Switch-Strategie – Stilllegung von Kohle und Ersatz durch zunächst fossiles Gas – funktioniert nicht reibungslos, weil die vom Wirtschaftsminister zugesagten Millionen Euro Unterstützungen für die für die drei neuen wasserstofftauglichen Gaskraftwerke in BW ausstehen. Der grüne Ministerpräsident erwartet nicht nur Gewinne für seinen Haushalt, sondern Ausbau von Wind- und Solaranlagen auf Land und auf See, überall im Land Schnellladestationen für die E-Autos, den schnellen Aufbau neuer Stromnetze und wasserstofffähige Gasleitungen.

Bei einem Schuldenstand von 16,5 Milliarden und jährlichen Zinsen von 400 Millionen geht das aber nur mit teilweisem Verkauf von Tafelsilber, in diesem Fall der Verkauf von 49 % der TRANSNET-Netze und hohe Beteiligungen bei den Offshore-Windkraftanlagen durch Dritte. Die angekündigte schnelle Umwandlung der EnBW ohne Atom, ohne Kohle und auch ohne Erdgas bringt den Riesentanker EnBW in schweres Fahrwasser. Herr Schell ging mit 6.420.000 Euro ´Entschädigung´ von Bord. Der neue Vorstandschef muss zerdeppertes Porzellan auflesen, ohne gravierende Fehler der strategischen Ausrichtung eingestehen zu dürfen. Er weiß, dass der Konzern im Jahr 2023 Profite aus der Energie-Notlage gezogen hat und dafür rund 100 Millionen Übergewinnsteuer zahlen muss. Dafür bekommt er 100 Millionen im Jahre 2023 für seine Reservekraftwerke. Die Mitarbeiter der EnBW sind mit einem zusätzlichen Gehalt von 115 % des Normalgehaltes und einer Einmalzahlung von 2500 Euro zufrieden.

Das alte Rheinhafenkraftwerk RDK 7 ist nun stillgelegt und seine 1,6 Millionen Tonnen CO2 im Jahre 2023 werden in der Klimabilanz sich positiv auswirken. Wie lange RDK 8 mit mehr als 2,3 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr weiter Kohlendioxid und hunderte von Tonnen anderer Schadstoffe emittiert, bleibt abzuwarten und wird vom Ausbau der regenerativen Energien abhängig gemacht.  Auch 2023 hat EnBW über eine Million Tonnen Steinkohle aus Kolumbien bezogen. Die Kohleimporte stammen überwiegend aus dem größten Tagebau Lateinamerikas, betrieben vom Schweizer Bergbauriesen Glencore. Die kritischen Aktionäre machen die Menschenrechtsvergehen und die Wiedergutmachung der vom Kohleabbau betroffenen Gemeinden zum Thema und werden vom Vorstand auf die eingehaltenen Lieferkettengesetzvorschriften verwiesen.

Die mit RDK 8 verbundene Fernwärmeversorgung der Stadt Karlsruhe überlässt auch der neue Vorsitzende der EnBW als Aufgabe allein den Stadtwerken.  Über die Entwicklung des Rheinhafenstandortes weiß man wenig Neues zu berichten. Ein Teil des Thermoselectgeländes wurde an die Stadt Karlsruhe verkauft, der Rest wird für eigene Zwecke (welche?) genutzt. Zur Geothermie und andere energetische Wärmeprojekte im Rheingraben erfährt man nur etwas über die schon laufenden Projekte in der Hardt und in Wörth. Der Zuschlag für eine Genehmigung für ein Geothermie-Projekt im Rheinhafen wird derzeit von der Dt. Erdwärme gegenüber der Genehmigungsbehörde Freiburg beklagt.

Der Neubau von zunächst rein fossilen Gaskraftwerken führt zu einem 20-jährigen Vertrag über LNG-Gas mit Venture Global LNG in den USA. Nicht nur die dort lebende Bevölkerung protestiert gegen den neuen LNG-Terminal, sondern auch Präsident Biden hat ein Moratorium für die LNG-Projekte erlassen.

Woher aber der geplante grüne Wasserstoff für die Gaskraftwerke kommen soll und wie und wo er erzeugt wird, bleibt unbeantwortet. Sicher ist nur, dass 80 % davon importiert werden müssen. Der Preis soll dabei zwischen 1,5 € und 4 € liegen. Das kling sehr ambitioniert, weil man derzeit  für 12,85 € pro 1 kg tankt. Bis es aber soweit ist, muss die EnBW fossiles Gas mit Verträgen bis 2046 einsetzen.

Der Ausbau der Windkraftanlagen auf See (ein neuer Windpark ist in Planung) hinterlässt wegen der schwierigen Lage der Windkraftanlagenbauer in Europa und wie bei Solar wegen der der billigeren Konkurrenz aus China einen schalen Nachgeschmack. Dass von den EnBW-Windparks in der Nordsee 16 % und damit 500 Gigawatt Strom nicht ins Netz eingespeist werden konnten, aber natürlich von uns Kunden über die Netzentgelte bezahlt wurden, ist mehr als ärgerlich. Es fehlen die Netze, weil die neue SuedLink-Leitung von der See in den Süden von der Politik und ihrer Forderung nach teuren Erdkabelleitungen lange blockiert wurden. In Baden sind 99,9 % Freiluftleitungen, weil die Verbesserungsvorschläge von BürgerInnen und den Umweltverbänden oft berücksichtigt wurden.

Der Forderung aus der FDP und CDU nach einer Wiederinbetriebnahme von Neckarwestheim erteilte die ENBW eine technisch und rechtlich gut begründete Absage. Dass der Abbau der Atomkraftwerke in Philippsburg durch die Nichtausweisung einer Bauschuttdeponie durch den Karlsruher Landrat inzwischen schon einige Millionen € Schaden anrichtete, wurde uns auf unsere Anfrage mitgeteilt.

Warum die EnBW nach den vielen Menschenrechtsverletzungen in den letzten Jahren in der Türkei an ihrem dortigen Energiedeal festhält, ist nach Aussagen des Präsidenten Erdogan zum Gaza-Konflikt unverständlich. Er nannte die Hamas „eine Befreiungsgruppe, die für den Schutz ihres Landes und ihrer Bürger kämpft“. Er bestreitet die Legitimität des Staates Israels und nennt ihn faschistisch.

Alles in allem ist für mich die HV der EnBW als jahrzehntelanger Teilnehmer ein Spiegelbild der Energieversorgung und der wirtschaftlichen und privaten Stimmungen in unserem Land. Aber noch nie war ich nach einer Hauptversammlung so verunsichert über die Energiezukunft unseres Landes wie dieses Jahr. Mir fehlt bei ‚unserem heimischen, fast zu 100 % der Allgemeinheit gehörenden Energiekonzern‘ die gesamtgesellschaftliche Verantwortung der Politik. Ständig steigende Energiepreise sind für die Stabilität unseres demokratischen Systems nicht hilfreich.

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