Sehr geehrtes Aktionariat,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
mein Name lautet Hana Obser, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionär:innen.
Laut aktuellem Geschäftsbericht stellt sich EnBW als Vorreiter in der Energiewende und als besonders nachhaltig agierendes Unternehmen dar. Doch trotz dieser Selbstdarstellung bezieht EnBW weiterhin Steinkohle aus Kolumbien – aus Regionen, in denen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen dokumentiert sind, insbesondere in Verbindung mit den Minen Cerrejón und Drummond. Es geht hier nicht nur um die Zerstörung der Umwelt, sondern um gewaltsame Vertreibungen und die gesundheitliche Schädigung der lokalen Bevölkerung.
EnBW behauptet, sich an das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu halten, doch die Konzernerklärung bleibt in ihrer Wirkung vage und reduziert sich auf oberflächliche Audits. Ein solches Vorgehen reicht bei weitem nicht aus, um den Menschenrechtsverstößen in den Abbaugebieten wirklich entgegenzuwirken. Zwar werden internationale Standards und Initiativen wie der UN Global Compact und die OECD-Leitsätze angeführt, doch die Umsetzung dieser Prinzipien bleibt äußerst fraglich. Wie konkret werden diese Standards in der Praxis durchgesetzt? Und wie stellt EnBW sicher, dass die von ihr bezogene Kohle nicht mit Gewalt und Zerstörung in Verbindung steht?
Es ist unverständlich, dass EnBW, obwohl die Unternehmensführung einen Kohleausstieg bis 2028 anstrebt, nach wie vor auf Steinkohle setzt, um die Energieversorgung zu gewährleisten. Die Rolle von Kohle in der Energieerzeugung wird als Übergangslösung dargestellt, doch in Wahrheit steht das Unternehmen einem schnellen Ausstieg aus der Kohlenutzung weiterhin im Weg. Das Vorgehen wirkt wenig entschlossen und lässt Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klimaschutzstrategie aufkommen. Besonders problematisch ist auch, dass EnBW weiterhin Kohle von Drummond bezieht, einem Unternehmen, das nachweislich in paramilitärische Gewalt verstrickt ist – das ist inakzeptabel und eine direkte Missachtung von Verantwortung.
Daher möchte ich nun folgende Fragen an den Vorstand stellen:
Woher genau stammt die 2024 importierte Steinkohle, und wie stellt EnBW sicher, dass sie nicht aus menschenrechtsverletzenden Abbaugebieten in Kolumbien stammt?
Welche direkten Gespräche hat EnBW mit betroffenen Gemeinden geführt, z. B. mit der Wayúu-Gemeinschaft in La Guajira?
Wie viele Vor-Ort-Kontrollen durch EnBW selbst oder durch glaubwürdige unabhängige Dritte fanden 2024 in kolumbianischen Minen statt?
Warum benennt EnBW im Geschäftsbericht nicht transparent alle Lieferanten, insbesondere im Hinblick auf sensible Rohstoffe wie Importkohle?
Wie plant EnBW, eine echte partizipative Risikoanalyse durchzuführen, bei der auch zivilgesellschaftliche Gruppen einbezogen werden – und nicht nur Unternehmensangaben zählen?
Ist EnBW bereit, als Wiedergutmachung Entschädigungsfonds für betroffene Gemeinden mitzutragen, wie es von internationalen NGOs gefordert wird?
Warum steigt EnBW nicht schneller aus der Kohleverstromung aus – spätestens bis 2025 – wenn man sich tatsächlich zur Klimaneutralität bekennt?
Wie rechtfertigt die EnBW den weiteren Bezug von 800.000 Tonnen Kohle von Drummond trotz der dokumentierten Verbindungen zu paramilitärischer Gewalt?
Welche konkreten menschenrechtlichen Auswirkungen wurden in der Risikoanalyse 2024 im Rahmen des Lieferkettengesetzes für Drummond identifiziert – und wie wurde darauf reagiert?
Warum werden die Ergebnisse der Stakeholder-Reise nach Kolumbien nicht öffentlich gemacht? Was sind die Inhalte, welche Betroffenen wurden einbezogen?
Wie konkret unterstützt EnBW einen gerechten Übergang für die von Kohleabbau betroffenen Gemeinden – auch finanziell?
Plant EnBW Reparationen oder Beteiligungen an Entschädigungsfonds für die vom Kohleabbau betroffenen Menschen?
Wie kann EnBW behaupten, sich zu Klimaschutz zu bekennen, wenn man weiterhin auf eine der klimaschädlichsten Energieformen setzt – und der Kohleausstieg frühestens 2028 geplant ist? Wie sehen Ihre konkreten Pläne aus, um bis 2035 wirklich klimaneutral zu sein?
Sehr geehrter Vorstand, die Realität ist klar: Greenwashing reicht nicht aus, um sich als nachhaltig zu positionieren. Wahre Nachhaltigkeit beginnt bei der Verantwortung, die Sie für Ihre Lieferketten und deren menschenrechtlichen und ökologischen Auswirkungen übernehmen müssen. Es ist beschämend, dass EnBW trotz der offensichtlichen Menschenrechts- und Umweltprobleme weiterhin Kohle aus diesen Regionen bezieht. Wenn EnBW sich tatsächlich zu einer umwelt- und menschenrechtskonformen Geschäftspraxis bekennen möchte, muss das Unternehmen endlich seine Taten und nicht nur seine Worte in Einklang bringen.
Ich fordere Sie dringend auf, endlich konkrete und transparente Schritte zu unternehmen, um nicht nur Klimaziele zu formulieren, sondern diese auch ohne Ausreden und Verzögerungen umzusetzen. Es ist höchste Zeit, Verantwortung zu übernehmen – für den Klimaschutz und für die Menschen, die den Preis für unseren Strom zahlen.
Vielen Dank.