- Die ukrainischen Umwelt-Organisationen EcoAction, Ekoltava und Ecoklub dokumentieren die russischen Umweltverbrechen sowie die Situation der ukrainischen AKWs seit Beginn der Bombardierungen durch die russische Armee. Sie haben zweimal angefragt, ob die EnBW zu einem Gespräch bereit wäre, bei dem die ukrainischen Organisationen darlegen könnten, wie die aktuelle Gefahrenlage vor Ort aussieht und welche konkreten Forderungen sie an Unternehmen haben, die nach wie vor Kohle, Öl und Gas aus Russland beziehen. Wieso ist die EnBW als einer der größten Importeure von russischem Gas und russischer Kohle zu einem solchen Gespräch nicht bereit? Ist es nicht das Mindeste, was man aktuell erwarten könnte, dass die EnBW den Betroffenen zumindest Gehör schenkt?
- Sehr geehrter Herr Feldmann, ist wenigstens der Aufsichtsrat zu einem Gespräch mit den ukrainischen Organisationen EcoAction, Ekoltava und Ecoklub bereit oder stehen auch Sie für ein Gespräch über den Krieg gegen die Ukraine, die Auswirkungen vor Ort und die Rolle der EnBW als einem der größten Importeure von russischem Gas und russischer Kohle nicht zur Verfügung?
Fragen zu fossilem Gas
- Wieso hält die EnBW vor dem Hintergrund des brutalen Überfalls auf die Ukraine an den Plänen fest, Kohle-Kraftwerke zu Gas-Kraftwerken umzurüsten, wenn das Unternehmen aktuell schon nicht in der Lage ist, die aktuellen Gas-Bezüge aus Russland zu substituieren bzw. einzusparen?
- Der Hinweis, dass die neuen Gas-Kraftwerke H2-ready gebaut würden, unterschlägt die Tatsache, dass grüner Wasserstoff als Champagner der Energiewende gilt, der in absehbarer Zeit nicht für die Stromerzeugung eingesetzt werden wird. Ab wann sollen die Gas-Kraftwerke der EnBW planmäßig ohne fossiles Gas auskommen können?
- Die EnBW schreibt im Geschäftsbericht auf Seite 74, dass ein Pipelineschaden und ein Brand in einer sibirischen Gasanlage als Gründe für die reduzierten russischen Gaslieferungen genannt wurden und dass eine Entspannung der Liefersituation durch Nord Stream 2 nicht zu erwarten sei. Der Geschäftsbericht wurde am 23. März 2022, also gut einen Monat nach Beginn der furchtbaren Angriffe Russlands auf die Ukraine, veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt war schon lange klar, dass Russland Gas als Waffe eingesetzt hatte und Nord Stream 2 nicht mehr in Betrieb gehen würde. Wieso hat die EnBW einen derart naiven und veralteten Lagebericht in ihrem Geschäftsbericht veröffentlicht?
- Die EnBW schreibt im Geschäftsbericht, dass im Bereich der Erdgasbeschaffung die Prozesse zur Geschäftspartnerprüfung schrittweise aus dem Bereich der Kohlebeschaffung überführt werden. Die EnBW gehört seit vielen Jahren zu den größten Importeuren von fossilem Gas. Wieso geschieht dies erst jetzt? Wie sah die Geschäftspartnerprüfung bisher aus, beispielsweise bei der Prüfung von Gazprom?
- Eine Geschäftspartnerprüfung der EnBW-Lieferanten Gazprom, SUEK oder Kuzbassrazrezugol kann in der aktuellen Situation nach unserem Dafürhalten nur zu dem Ergebnis führen, dass die EnBW-Grundsätze zur verantwortungsvollen Beschaffung nicht einmal in Ansätzen eingehalten werden, wenn davon ausgegangen werden muss, dass auch mit den Einnahmen dieser Unternehmen der furchtbare Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine finanziert wird. Wieso hat die EnBW die Kohle- und Gasbezüge von diesen Unternehmen nicht spätestens mit den russischen Angriffen am 24. Februar eingestellt?
- Die EnBW verweist gern auf den Auftrag, die Energieversorgung in Deutschland sicherzustellen. Rechtfertigt dieser Auftrag aus Ihrer Sicht auch die weitere Finanzierung des faschistischen Regimes in Russland, welches die Ukraine grundlos angreift, ganze Städte dem Erdboden gleichmacht, Menschen entführt, Zivilisten ermordet, Vergewaltigung als Kriegswaffe einsetzt und sich die Vernichtung der ukrainischen Identität zum Ziel gesetzt hat? Wo wäre für die EnBW die Grenze erreicht, um die Kohle- und Gas-Bezüge mit sofortiger Wirkung einzustellen?
- Herr Mastiaux hat in seiner Rede gesagt, dass die EnBW bereits 105.000 € Spenden für die Ukraine gesammelt habe. Können Sie uns mitteilen, wie viel Geld die EnBW seit Jahresbeginn für den Bezug von Kohle und Gas nach Russland überwiesen hat?
- Die EnBW ist offensichtlich nicht willens oder nicht in der Lage, auf den Bezug von russischem Gas und russischer Kohle zu verzichten. Finden Sie es vor diesem Hintergrund angemessen, insgesamt 298 Millionen Euro als Dividenden auszuzahlen, obwohl dieses Geld auch mit blutigem Gas und blutiger Kohle aus Russland verdient wurde? Wäre es nicht angemessener, auf die Dividenden-Zahlung ganz oder zumindest teilweise zu verzichten und das Geld der Ukraine zur Verfügung zu stellen?
- Welche Energiespar-Maßnahmen hat die EnBW bislang im Unternehmen oder in Zusammenarbeit mit Kunden ergriffen, um den Verbrauch von Kohle und Gas aus Russland zu minimieren? Bitte nennen Sie konkrete Zahlen, um wie viel der Verbrauch von Kohle und Gas gesenkt werden konnte. Sehen Sie hier weiteres Einsparpotenzial?
- Im Jahr 2021 bezog die EnBW 20 Prozent – ca 100 TWh – ihrer Gasimporte direkt bei Gazprom. Ein Großteil der restlichen Gasbezüge erfolgte nach eigener Aussage über die europäischen Gas-Hubs. Nach Aussage von Mitbewerbern beträgt der Anteil russischen Gases an solchen Hubs 40-50 %. Es ist also davon auszugehen, dass mehr als 50 Prozent des von der EnBW bezogenen fossilen Gases aus Russland stammt. Können Sie dies bestätigen bzw. kann die EnBW konkret sagen, wie hoch der russische Anteil im Gas-Mix der EnBW 2021 war?
- Wie erklärt sich die Verdopplung des Gas-Absatzes bei der EnBW zwischen 2017 und 2021 von 250 auf 495 TWh? Welche Absatzzahlen erwartet die EnBW für die Folgejahre? Will die EnBW weiterhin bei dem Geschäft mit fossilem Gas expandieren oder führt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hier zu einem Paradigmenwechsel? Wenn ja, zu welchem?
- Am 31. März 2022 verabschiedete Russlands Präsident Putin ein Dekret, welches europäischen Kunden aus sogenannten „unfreundlichen Staaten“ vorschreibt, Gas-Lieferungen ab dem 01. April 2022 in Rubel zu bezahlen. Am 26. April stoppte Gazprom die Gas-Lieferungen an Polen und Bulgarien, weil diese Länder nicht bereit waren, in Rubel zu bezahlen. Hat die EnBW oder eine ihre Tochterfirmen bereits ein Rubelkonto bei der Gazprombank eröffnet oder zieht dies in Erwägung? Wie sieht das aktuell von der EnBW genutzte Verfahren zur Zahlung der Gaslieferungen aus Russland aus?
- Die ukrainische Energie-Expertin Aliona Osmolovska schreibt zu dem Dekret unter anderem „Wenn die europäischen Abnehmer dem Dekret Folge leisten, wird jeglicher Anschein einer echten Geschäftsbeziehung zwischen Gazprom und seinen Kunden zerstört. Nach den Bestimmungen des Dekrets hätte eine Reihe russischer Regierungsbehörden ein Mitspracherecht bei der Festlegung des Gaspreises, des Zeitpunkts und der Bedingungen für die Bezahlung des Gases sowie bei der Frage, ob die Lieferungen fortgesetzt werden können, selbst wenn der Kunde die Bestimmungen des Dekrets vollständig einhält.“ Teilt die EnBW ihre Bedenken und schließt vollumfänglich aus, dem Dekret aktuell und in Zukunft Folge zu leisten?
Fragen Kohle
- Im Jahr 2021 beschaffte die EnBW nach eigenen Angaben 3,57 von insgesamt 4,19 Millionen Tonnen Steinkohle aus Russland. Dies geschah trotz der sich zuspitzenden Lage dort und in der Ukraine und trotz der jahrelangen Warnungen zivilgesellschaftlicher Gruppen in Russland, dass der dortige Steinkohlebergbau negative Folgen für Umwelt und Menschenrechte hat. Wie war es möglich, dass die EnBW gut 85 % der benötigten Kohle aus einem einzigen Lieferland beschaffte, noch dazu einem, dass seit Jahren in der Kritik steht aufgrund der verheerenden Menschenrechtslage im Land, der illegalen Besetzung der Krim und des Donbass?
- Stimmen Sie überein, dass die Beschaffung von 85 % der benötigten Steinkohle für die Versorgung der EnBW-Kraftwerke aus dem politisch hochproblematischen Russland ein gravierendes Risiko für die kurz- und mittelfristige Versorgungssicherheit der Kraftwerke darstellte? Welche Auswirkungen hätte es für die EnBW gehabt, wenn Russland im Februar die Kohlelieferungen abrupt beendet hätte?
- Was sagt es über die EnBW-Grundsätze zur verantwortlichen Beschaffung aus, wenn 85 % der benötigten Steinkohle im Jahr 2021 von umstrittenen Lieferanten aus Russland stammten, obwohl in diesem politisch hochproblematischen Land selbst nach Angaben der EnBW eine zunehmend schwierige Situation der freien Meinungsäußerung und kritischen Berichterstattung herrschte?
- Spielten die völkerrechtswidrige Besetzung der Krim in des Donbass sowie die der EnBW seit zehn Jahren vorgetragenen Umwelt- und Menschenrechtsprobleme in der Abbauregion Kuzbass eine Rolle bei der Beurteilung der russischen Lieferanten?
- Gab es seit dem 24. Februar 2022 intern eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Kohlebeschaffung? Wenn ja, haben diese zu strukturellen, strategischen und/oder personellen Veränderungen geführt? Wer trägt im Konzern die Verantwortung für die Kohlebeschaffung?
- Gab es seit dem 24. Februar 2022 intern eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Gasbeschaffung? Wenn ja, haben diese zu strukturellen, strategischen und/oder personellen Veränderungen geführt? Wer trägt im Konzern die Verantwortung für die Gasbeschaffung?
- Wie oft hat sich der Vorstand der EnBW seit der illegalen Besetzung der Krim und des Donbass im Jahre 2014 mit der politischen Situation in Russland, einem der wichtigsten EnBW-Lieferantenländer für Gas und Kohle, befasst? Wie viele Vorstandsgespräche fanden zu diesem Thema seit Januar 2021 statt?
- Wie oft hat sich der Aufsichtsrat der EnBW seit der illegalen Besetzung der Krim und des Donbass im Jahre 2014 mit der politischen Situation in Russland, einem der wichtigsten EnBW-Lieferantenländer für Gas und Kohle, befasst? Wie oft war Russland bzw. die Situation in der Ukraine seit Januar 2021 Thema im Aufsichtsrat?
- In den letzten Jahren hatte die EnBW den Kohlebezug aus Kolumbien weitgehend eingestellt, ohne dass die seit Jahren dokumentierten Menschenrechtsverletzungen angemessen adressiert worden wären. Können Sie bestätigen, dass kolumbianische Kohle trotz der negativen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt nun wieder verstärkt bezogen werden soll, um russische Kohlelieferungen zu ersetzen?
- Wird die EnBW dann auch wieder Kohle des US-Unternehmens Drummond beziehen, dem die Finanzierung und logistische Unterstützung schwerster Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wird und dessen kolumbianischer Vorstandsvorsitzender weiterhin wegen der Beteiligung an schwersten Menschenrechtsverletzungen vor Gericht steht? Ist ein Bezug von Drummond-Steinkohle mit den Grundsätzen der verantwortlichen Beschaffung vereinbar?
- Plant die EnBW, Steinkohle aus der Cerrejón-Grube des Schweizer Konzerns Glencore zu beziehen, obwohl diese nachweislich die Rechte der im Abbaugebiet lebenden Wayúu mit Füßen tritt und die ohnehin durch die Klimakrise stark beeinträchtigten Lebensgrundlagen weiter gefährdet?
- Der Fluss Bruno soll der Kohleförderung durch Cerrejón zum Opfer fallen, obwohl dieser Fluss eine wichtige ökologische und spirituelle Bedeutung für die umliegenden Wayúu-Gemeinden hat. Wie beurteilt die EnBW diesen massiven Eingriff in das fragile Ökosystem der Region La Guajira? Ist ein Bezug von Cerrejón-Steinkohle mit den Grundsätzen der verantwortlichen Beschaffung vereinbar?
- Am 12. April 2022 drangen bewaffnete Männer in die Gemeinde Gran Parada ein und suchten den Gemeindeführer Luis Misael Socarras. Dieser hielt sich zu diesem Zeitpunkt nicht in der Gemeinde auf, was ihm vermutlich das Leben rettete. Gran Parada kämpft gegen die Umleitung des Bruno-Flusses, daher liegt der Verdacht nahe, dass dieser Überfall im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen Cerrejón steht. Ist der EnBW der Sachverhalt bekannt?
- Plant die EnBW, Steinkohle aus Südafrika zu beziehen, obwohl die Kohleförderung dort zu massiven Beeinträchtigungen des Wasserhaushaltes führt? Ist ein Bezug südafrikanischer Steinkohle mit den Grundsätzen der verantwortlichen Beschaffung vereinbar? Ist ihre Länderrisikoanalyse Südafrika positiv ausgefallen, obwohl es zahlreiche Studien gibt, die die negativen Auswirkungen dort belegen?
- Aus welchen afrikanischen und asiatischen Ländern plant die EnBW den Bezug von Steinkohle, um russische Kohlelieferungen zu ersetzen? Bitte nennen Sie die Länder, die möglichen Lieferanten und die Maßnahmen zur Prüfung, ob diese Lieferanten die Grundsätze der verantwortlichen Beschaffung erfüllen.
Fragen zu Bauprojekten und Klimaschutz
- Plant die EnBW vermehrt in den Bau- bzw. Gebäudesektor einzusteigen? Wenn ja, wie möchte die EnBW ihre Bauprojekte entlang der selbst gesetzten Klimaziele klimaneutral bauen sowie dauerhaft aufstellen? Wird die EnBW ihrer sozialen Verantwortung als mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichem Unternehmen gerecht und wird anstelle von Luxuswohnungen auch erschwingliches Wohnen wie Sozialwohnungen ermöglichen sowie bauen?
Fragen zur Einflussnahme auf die Politik:
- In welchem personellen Umfang und an welchen Standorten unterhält die EnBW aktuell Lobbybüros? Lobbyierte die EnBW 2021 in irgendeiner Art und Weise für fossile Energieträger und wenn ja, wo und bei wem?
- Spricht sich die EnBW vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Ukraine für Laufzeitverlängerungen bei Kohlekraftwerken aus und wenn ja, wie soll Deutschland dann aus ihrer Sicht einen ausreichenden Beitrag zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels leisten?
- Wann möchte die EnBW auch in Scope 3 klimaneutral sein und wie möchte sie dieses Ziel erreichen?
- Ab wann plant die EnBW ausschließlich grünen Wasserstoff zu verwenden? Soll fossiles Gas – auch in Form von türkisem oder blauem Wasserstoff – nach 2030 noch von der EnBW verwendet oder gehandelt werden?
Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten:
- Ab nächstem Jahr müssen Sie gemäß Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vorbeugend gegen menschenrechtliche Verstöße im Rahmen Ihrer Auslandsgeschäfte bzw. bei Ihren Zulieferern vorgehen. Wie werden Sie Ihre bisherigen Aktivitäten zur Erfüllung Ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten konkret verändern und erweitern, um diesem Gesetz angemessen Rechnung zu tragen?
- Die EU-Kommission hat einen Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz vorgestellt, das europaweit verpflichtende Menschenrechts- und Umweltstandards für Unternehmen schaffen soll. Wie ist Ihre Position zu diesem Gesetzentwurf; welche Regeln finden Sie sinnvoll und welche Kritikpunkte haben Sie?