Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir von Evonik deutlich effektivere Maßnahmen gegen die Klimakrise sowie für den Schutz von Umwelt und Menschenrechten ein.
Vor 80 Jahren wurde Europa vom nationalsozialistischen Terrorregime endgültig befreit. Herr Kullmann, ich möchte Ihnen danken, dass Sie, zusammen mit vielen weiteren Vorstandsvorsitzenden deutscher Unternehmen die Erklärung unterzeichnet haben, in dem Sie sich aus der daraus folgenden Verantwortung, die keinen Schlussstrich kennen kann, bekennen. Danke für Ihre klaren Worte, dass eben vor allem auch deutsche Unternehmen dazu beitrugen, ich zitiere: „die Herrschaft der Nationalsozialisten zu festigen. Auf ihren eigenen Vorteil bedacht, waren viele Unternehmen und ihre damaligen Akteure verstrickt.“ Zitat Ende.
Dies auch heute zur Erwähnung, ist allein schon daher wichtig, weil die Hüls AG und die Degussa AG zwei der Vorgängergesellschaften von Evonik gewesen sind und tief in die Kriegswirtschaft und die Verbrechen des Nationalsozialismus verwickelt waren. Schon frühzeitig profitierte die Degussa von Raub jüdischen Eigentums, indem sie Betriebe von jüdischen Besitzern übernahm oder Immobilien in deren Besitz erwarb. Durch den Einsatz grausamer Zwangsarbeit, Produktion von Zyklon B und Rüstungsproduktion war eine klare Mittäterschaft an den Verbrechen des NS-Regimes gegeben. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass Sie sich weiter dafür engagieren, die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus und seine Opfer in der Öffentlichkeit wachzuhalten.
Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten allgemein
Ich habe auf Ihrer Webseite keinen Bericht gemäß Lieferkettengesetz für 2024 gefunden, nur für 2023.
- Planen Sie hier noch eine Veröffentlichung oder bleibt es bei den Daten aus Ihren Geschäftsbericht 2024 nach den neuen EU-Standards?
- In Ihrem Lieferkettengesetz-Bericht zu 2023, den sie leider erst sehr spät am 12.12.2024 veröffentlicht haben, berichten Sie von zahlreichen Verstößen gegen Menschenrechtsstandards bei direkten Zulieferern, vor allem 29 Fälle, in denen Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren missachtet wurden. Nicht alle Fälle scheinen abgeschlossen, daher die Frage: Konnten die Missstände nun behoben werden? Was genau ist vorgefallen? Was waren die Inhalte, wie haben Sie mit welchen Maßnahmen reagiert? Wie sehen die Ergebnisse Ihrer Prüfungen aus? In wie vielen Fällen prüfen Sie derzeit noch?
- Bei indirekten Zulieferern waren es darüber hinaus auch 4 Fälle von Kinderarbeit, 1 Fall von Zwangsarbeit, 4 Fälle von widerrechtlicher Verletzung von Landrechten. Sie schreiben dazu selbstkritisch: „Wir wissen, dass wir hier noch mehr Transparenz schaffen müssen, um bei Verletzungen bei mittelbaren Lieferanten angemessene und wirksame Abhilfemaßnahmen im Interesse der Betroffenen etablieren zu können.“ Wie ist dazu der aktuelle Stand, welche Maßnahmen in Bezug auf die Transparenz sowie effektive und präventive Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechten haben Sie ergriffen?
In Ihrem aktuellen Geschäftsbericht, der nun endlich dank der EU-Standards auch den Nachhaltigkeitsberichterstattung umfasst, fassen Sie zusammen: „52 festgestellte (potenzielle) Verletzungen bei unmittelbaren (Auditfindings) und 15 festgestellte (potenzielle) Verletzungen bei mittelbaren Lieferanten. Bei unmittelbaren Lieferanten wurden 27 dieser Verletzungen aufgeklärt bzw. abgestellt, bei mittelbaren wurden alle 15 Verletzungen aufgeklärt bzw. abgestellt. Die offenen Vorfälle sind noch in Klärung und daher nicht abgeschlossen.“
- Daher auch hier die Frage: Wie ist dazu der aktuelle Stand, welche Maßnahmen in Bezug auf die Transparenz sowie effektive und präventive Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechten haben Sie ergriffen?
- Was sind Ihre nun veränderten Maßnahmen, um auf Ihre Zulieferer einzuwirken? Erwägen Sie auch eine Beendigung der Geschäftsbeziehung als ultima ratio oder sehen Sie Bereitschaft für Verbesserungen?
- Aus welchen Ländern und von welchen Unternehmen haben Sie 2024 welche Metalle in welchem Umfang in Gewicht und Preis bezogen?
- Ist es weiterhin der Fall, dass Sie keine Rohstoffe aus Russland zu beziehen? Können Sie dies für Ihre gesamten Lieferketten ausschließen?
Position zum Lieferkettengesetz:
Wir haben das Lieferkettengesetz ja vor allem deshalb, weil deutsche Unternehmen daran gescheitert sind, freiwillig die Vorgaben der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) umzusetzen. Es braucht daher einen klaren Rechtsrahmen und Rechtssicherheit. Ihr Wort hat in der aktuell nicht gerade konstruktiv geführten Diskussion um die Zukunft des EU Green Deals, von Berichtspflichten und des Lieferkettengesetzes, daher frage ich Sie:
- Wie sieht Ihre Position aus: Bekennen Sie sich zu den grundsätzlichen Vorhaben der EU im Rahmen des Green Deals und fordern eine bessere Umsetzung; oder fordern Sie auch eine vollständige Abschaffung beschlossenen der EU-Richtlinien und des Lieferkettengesetzes?
- Finden Sie es nicht zum Nachteil der Unternehmen, die sich ernsthaft um mehr Klimaschutz und Achtung von Menschenrechten auch in den Lieferketten kümmern, wenn nun im Rahmen des Omnibus-Prozesses in der EU die zivilrechtliche Haftung fast komplett abgeschafft werden soll und auch die Verpflichtung zur Umsetzung der Klimatransitionspläne (climate transition plans) wegfallen soll? So werden doch genau die Unternehmen, die nicht ernsthaft an ihrer sozial-ökologischen Transformation arbeiten, auch noch belohnt, oder wie sehen Sie dies?
Kosten Berichtspflichten:
- Wie hoch waren Ihre Grenzkosten (Vollkosten sind optional) im letzten, abgeschlossenen Geschäftsjahr und, sofern vorläufig verfügbar, im aktuellen Geschäftsjahr für die Finanzberichterstattung nach HGB und IFRS? Dies bezieht sich nur auf alle Kosten, die für die Konzernabschlüsse anfallen.
- Wie hoch waren Ihre Grenzkosten im letzten, abgeschlossenen Geschäftsjahr 2024 und, sofern vorläufig verfügbar, im aktuellen Geschäftsjahr für die Berichterstattung nach den ESG-Berichtsstandards der European Sustainability Reporting Standards (ESRS)?
- Wie hoch waren Ihre gesamten finanziellen Aufwendungen für Werbung im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr und, sofern vorläufig verfügbar, im aktuellen Geschäftsjahr?
Klimaschutz allgemein
Sie haben letztes Jahr mehr Kohle verbrannt, daher sind ihre direkten Emissionen (Scope 1) auf fast 4 Mio. t CO2 gestiegen, dabei müssen die Emissionen sinken. Den größten Anteil an Ihrer Klimabilanz machen aber die Scope-3-Emissionen Ihrer Wertschöpfungsketten aus.
- Wie sehen Ihre Ziele und Maßnahmen in Bezug auf die Reduktion der Scope-3-Emissionen nach 2030 aus?
In einem offenen Brief an die Europäische Kommission, die Abgeordneten des Europaparlaments sowie an die Staats- und Regierungschefs der EU fordern 150 europäische Konzerne und Investor*innen 90 Prozent weniger Treibhausgasausstoß bis 2040. In den Schreiben, das gestern öffentlich wurde, heißt es: „Ein robustes Klimaziel und die Dekarbonisierung unserer Volkswirtschaften werden die Widerstandsfähigkeit der EU gegenüber Schocks, die Energiesicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit verbessern.“
- Zu den Unterzeichnern des Briefs zählen unter anderem SAP, die Otto-Gruppe und die Allianz. Sie auch? Wenn nicht, könnten Sie sich vorstellen, diese Forderung ebenfalls zu unterstützen?
Aktionärsrechte und virtuelle Hauptversammlung:
Leider empfangen Sie uns auch dieses Jahr wieder nicht in der Gruga-Halle zu einer Präsenz-Hauptversammlung. Hier fordern wir weiterhin, dass Sie für einen echten Austausch auch eine Hauptversammlung in Präsenz durchführen, an der ergänzend auch online teilgenommen werden kann, also die hybride Hauptversammlung.
- Haben Sie konkret geprüft oder planen Sie, eine hybride Hauptversammlung durchzuführen, an der sowohl in Präsenz als auch digital teilgenommen werden kann?
- Was wären die Mehrkosten einer hybriden Hauptversammlung gegenüber eine virtuellen oder Präsenz-Hauptversammlung?
- Wie sehen dahingehend Ihre Pläne für die Hauptversammlung 2026 aus?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.