Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir von Evonik deutlich effektivere Maßnahmen gegen die Klimakrise sowie für den Schutz von Umwelt und Menschenrechten ein.
Herr Kullmann, vielen Dank für Ihre deutlichen Worte zu den Gefahren des Aufstiegs rechter Kräfte. Sie haben immer wieder bewiesen, dass Sie hierzu auch deutlich die AfD als Gefahr für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Menschenrechte benennen, und das nicht erst seit Bekanntwerden von menschenverachtenden Deportationsplänen und die fatale Rolle der AfD dabei. Allen Konzernverantwortlichen sollte es zu denken geben, dass der AfD-Politiker Roland Hartwig, ehemaliger Chefjurist der Bayer AG und ehemaliger Vorsitzender des VCI-Rechtsausschusses, an jenem Geheimtreffen mit Faschisten und Rechtsextremisten im November 2023 zu rassistischen Vertreibungsplänen teilgenommen hat.
Ihre Worte, Herr Kullmann, stärken auch diejenigen, die sich in der Lokalpolitik gegen Rechts, Rassismus, Hass und Hetze gegen Menschen mit Migrationsgeschichte engagieren. So wird auch der Essener Oberbürgermeister gerade wegen seiner klaren Worte und Kritik an der AfD mit massiven Hassbotschaften konfrontiert. Ende Juni plant die AfD, ihren Bundesparteitag in der Grugahalle Essen abzuhalten.
Heute hätten Sie uns persönlich in eben dieser Grugahalle begrüßen können, im Rahmen einer Präsenzveranstaltung, wie vor der Pandemie. Hier fordern wir weiterhin, dass Sie für einen echten Austausch auch eine Hauptversammlung in Präsenz durchführen, an der ergänzend auch online teilgenommen werden kann, also die hybride Hauptversammlung.
Format der Hauptversammlung
- Steht das Format der Hauptversammlung für nächstes Jahr schon fest?
- Welche genauen Kriterien fließen in Ihre Entscheidung dazu ein?
- Planen Sie, die Möglichkeit einer hybriden Hauptversammlung zu prüfen?
Nachhaltigkeitsberichterstattung allgemein
Wie letztes Jahr möchte ich anregen, dass Sie in Zukunft doch Geschäftsbericht und Nachhaltigkeitsbericht in einem Bericht zusammenfassen könnten. Das tun nun immer mehr Unternehmen und erleichtert die Analyse und Bewertung, zumal sich viele Ihrer ESG-Angaben in beiden Berichten ohnehin doppeln. Nun umzusetzende EU-Vorgaben sollten hier hoffentlich bald für Einheitlichkeit sorgen.
- Welchen Sinn sehen Sie darin, in Ihrem Nachhaltigkeitsbericht die Erreichung Ihrer Nachhaltigkeitsziele bzw. dem Status einem Ampel-Schema zu unterwerfen, wenn sich doch die meisten Zeile auf 2025 oder 2030 beziehen und damit automatisch fast alle den Status gelb „Ziel teilweise erfüllt bzw. Zielhorizont nach 2023“ bekommen? Wäre es nicht sinnvoller, hier Ihre aktuelle Einschätzung, ob die Ziele auch wirklich erreicht werden können, zu dokumentieren? Gerne auch nach einem Ampel-Schema.
- Die Umsetzung von EU weiten Standards in der Nachhaltigkeitsberichterstattung steht an, Stichwort CSRD und die nun kommende Implementierung in nationales Recht. Werden Sie im nächsten einen einheitlichen Geschäftsbericht veröffentlichen, der auch die Angaben aus dem Nachhaltigkeitsbericht umfasst?
- Wie sieht Ihre Wesentlichkeitsanalyse zu aktuellen und potenziellen Auswirkungen Ihrer Geschäftstätigkeit aktuell aus?
- Basierend auf den Vorgaben zur doppelten Wesentlichkeit hatten Sie letztes Jahr eine Gap-Analyse durchgeführt. Wieso sehen Sie die Lücken bei ESRS S3 „betroffene Gemeinden“ als nicht zutreffend an, nur weil Sie keinen Bergbau selbst betreiben? Schließlich haben Sie dies ja nur ausgelagert und beziehen viele Rohstoffe, die Risiken bestehen ja in Ihrer Lieferkette, oder würden Sie das verneinen?
Klimabilanz, Klimaziele und Wasserstoffstrategie
- Ihre Emissionen sind erneut gesunken, doch schreiben Sie selbst in Ihrem Nachhaltigkeitsbericht, dass dies vor allem auf den konjunkturbedingten Rückgang Ihrer Aktivitäten, also geringere Einkaufs-, Produktions- und Verkaufsmengen, zurückzuführen ist. Messen Sie, ob und inwiefern sich Ihre Maßnahmen zur Emissionsreduzierung auf die Klimabilanz auswirken, unabhängig von konjunkturellen Einflüssen?
- Wie sehen ihre Prognosen zu Ihren Emissionen aus, wenn Sie Ihre Umsatz- und Wachstumsziele erreichen würden, aktuell für 2024 und bis 2030?
- In Bezug auf Ihre Emissionen bei Scope 1,2 und 3: Auf welchen Annahmen welcher Entwicklungen Ihrer Aktivitäten basieren Ihre Klimaziele 2030?
- In Bezug auf Scope 3 scheinen Sie Ziel für 2030, eine magere Reduktion um 11 Prozent, bereits erreicht zu haben, sie verkünden für 2023 eine Zielerreichung von -17 Prozent. Trotzdem ist Ihre Ziel-Ampel dazu auf gelb, also „Ziel teilweise erfüllt bzw. Zielhorizont nach 2023“. Liegt es daran, dass Sie wieder mit konjunkturbedingt steigenden Emissionen bis 2030 rechnen oder einfach daran, dass sich der Zielhorizont ohnehin auf 2030 bezieht?
- Wenn Sie jetzt schon Ihre Ziele bei Scope 3 erreicht haben, überlegen Sie hier, Ihre Ziele anzupassen? Eine Reduktion um 11 Prozent bis 2030 ist herzlich wenig und verschiebt die eigentlichen Herausforderungen nur in die nächsten Jahrzehnte und macht die eigentliche Zielerreichung des Pariser Klimaschutzabkommens so noch schwieriger.
- Wann sollen welche Kraftwerke auf Wasserstoff umgestellt werden?
- Werden Sie sicherstellen, dass es sich beim Bezug um grünen Wasserstoff handelt und nicht um Wasserstoff, der aus fossilem Gas gewonnen wird?
- Mittels welcher Infrastruktur soll der Wasserstoff erzeugt und zu den jeweiligen Kraftwerksstandorten transportiert werden?
Menschenrechte, Rohstoffe und Lieferkettengesetz
- Wie viele Anfragen, Hinweise und/oder Beschwerden haben Sie über Ihren Beschwerdemechanismus in Bezug auf umwelt- und menschenrechtliche Missstände in Ihren Lieferketten aktuell erhalten? Was waren die Inhalte, wie haben Sie reagiert? Wie sehen die Ergebnisse Ihrer Prüfungen aus? In wie vielen Fällen prüfen Sie derzeit noch?
- 2023 haben Sie zwei Hinweise mit Bezug zu Menschenrechten bekommen, die Sie aber nicht weiterverfolgt haben. Um welche Themen ging es da konkret?
- Haben Sie konkrete Missstände bzw. Verstöße gegen Menschenrechte in Ihrem eigenen Geschäftsbereich und Ihren Lieferketten identifiziert? Wenn ja, wie viele, um welche Missstände handelt es sich konkret und wie sehen Ihre Maßnahmen dazu aus?
- Wann werden Sie Ihren Bericht entsprechend dem Lieferkettengesetz (LkSG) veröffentlichen?
- Aus welchen Ländern und von welchen Unternehmen haben Sie 2023 welche Metalle in welchem Umfang in Gewicht und Preis bezogen?
- Ist es weiterhin der Fall, dass Sie keine Rohstoffe aus Russland zu beziehen? Können Sie dies für Ihre gesamten Lieferketten ausschließen?
- Etliche Unternehmen schließen eine Beteiligung an Projekten mit Bezug zum Tiefseebergbau aus, wegen der immensen Naturschäden und unkalkulierbaren Folgerisiken. Befürworten Sie ein Moratorium für den Tiefseebergbau?
- Werden Sie den zukünftigen Bezug von Rohstoffen aus dem Tiefseebergbau ausschließen? Wenn ja, wie genau? Wenn nicht, warum nicht?
- Wieviel Palmöl (oder Derivate) bezieht Evonik jährlich aus welchen Ländern und von welchen Produzenten?
- Haben Sie umwelt- und menschenrechtsbezogene Risiken und/oder konkrete Missstände bei Ihren Palmöl-Zulieferern identifiziert, unabhängig davon, ob diese bestimmte Zertifizierungen vorweisen? Falls ja, um welche Länder bzw. Produzenten und welche konkreten Probleme handelt es sich?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.