Gegenanträge

Zu Tagesordnungspunkt 3: Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2017

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Vorstands nicht zu entlasten.

Begründung:

Intransparente Zwangsumsiedlungen in einem Klima von Drohungen in Brasilien

Fraport Brasil als 100%ige Fraport -Tochter hat zum 2. Januar 2018 den Betrieb des brasilianischen Flughafens Salgado Filho in Porto Alegre für die Dauer von 25 Jahren übernommen. 2.100 Familien der angrenzenden Vila Nazaré droht wegen der geplanten Landebahnerweiterung die Zwangsumsiedlung. Die Bewohner*innen lehnen diese Zwangsumsiedlung strikt ab und werfen Fraport und der Lokalregierung vor, in einem Klima von Drohungen und Einschüchterungen die Rechte der dort lebenden Arbeiterfamilien zu missachten, die Räumungsandrohungen ohne zureichende Informationen und in einer besorgniserregenden Intransparenz durchführen zu wollen.

Derzeit gehen Mitarbeiter der von Fraport unter Vertrag genommenen privaten Firma Itazi in Polizeibegleitung durch das Viertel, klopfen an die Haustüren, vermessen die Grundstücks- und Wohnungsgröße, zwingen die Bewohner*innen einen Fragebogen zu ihrer sozialen und finanziellen Lage auszufüllen und erfragen stigmatisierend nach evtl. krimineller Vergangenheit der Bewohner*innen. Zuvor hatten die Bewohner*innen nur über das Fernsehen oder Radio oder von einem Nachbar von der künftigen Zwangsumsiedlung gehört. Auf diese Art und Weise erfahren die Familien der Vila Nazaré in der Nordzone von Porto Alegre im Süden Brasiliens davon, dass sie ihre Häuser verlieren werden und dass sie in andere Stadtteile zwangsverfrachtet werden sollen – noch weiter weg von ihren Arbeitsplätzen, noch weiter weg von dem, was ihre Heimat ist. Alles nur für den Ausbau der Pisten. In der Wahl zwischen Flugzeugen und Menschen wird klar, was für Fraport Priorität hat: die Flugzeuge.

In der Vila Nazaré leben heute 2.100 Familien. Es sind Arbeiterfamilien, vom Staat im Stich gelassen, die sich die hohen Mieten in anderen Vierteln nicht leisten können und deshalb vor vielen Jahren dieses brachliegende Stück Land besetzt hatten und dort ihre Häuser gebaut haben. So entstanden dort in den letzten 50 Jahren Wohnhäuser, kleine Ladengeschäfte, haben sich familiäre Bindungen, Freundschaften und gute Nachbarschaft gebildet. So haben sie das verbriefte Recht von Staats wegen auf dieses Land erwirkt.

Die Pistenausbaupläne aber sollen die Community dort von der Landkarte tilgen. Und das Schlimmste dabei: die Umsiedlung wird willkürlich, autoritär und ohne irgendwelche Garantien für die betroffenen Familien durchgeführt. Der Mangel an Information und Transparenz ist besorgniserregend. Zu keinem Moment wurden die Bewohner*innen angehört, um überhaupt in Erfahrung zu bringen, was sie selbst wollen. Die Stadtregierung von Porto Alegre will die Community spalten und die Familien in zwei verschiedene und zudem weit entfernte und obendrein sehr gefährliche Stadtviertel umsiedeln.

Eines dieser Viertel ist Irmãos Maristas-Timbaúva, im Norden an der Stadtgrenze gelegen. Doch die Familien weigern sich, dorthin zu ziehen. Fraport schaut sich diesen Konflikt von der Seitenlinie an und bietet den Betroffenen keinerlei Unterstützung. Schlimmer noch: Fraport mahnt zur Eile mit der Räumung der Häuser, um den eigenen Zeitplan (und den eigenen Gewinn) nicht zu gefährden.

Die Taktik zur Umsiedlung der Leute der Vila Nazaré ist offensichtlich: Zuerst werden die öffentlichen Dienste eingestellt. Keine Asphaltierungen mehr, nur Sandpisten vor Ort und die Schulen und staatlichen Gesundheitsposten wurden geschlossen. Wer das Wort zu erheben wagt, wird durch die Militärpolizei eingeschüchtert. Die Bewohner*innen berichten von täglichem Polizeiterror in der Gemeinde: aus Polizeiwagen schauen vermummte Polizisten heraus und machen die Gestik des Auf-die-Kinder-Schießens, so die uns vorliegenden Erfahrungsberichte aus der Vila Nazaré. Bewohner*innen wurden von Polizisten verprügelt, es soll zu Fällen von Folter durch die Polizei gekommen sein. Wenn also solche Polizisten die Interviewer der Firma Itazi zur Befragung der Bewohner*innen begleiten, so wird klar, wieso die Menschen eingeschüchtert sind.

Die Bewohner*innen wollen trotz aller Angst dort wohnen bleiben, wo sie schon immer gewohnt haben. Bis heute wurde der Community keine Studie vorgelegt, die die Notwendigkeit der Zwangsumsiedlung erklärt. Den Familien wurden keinerlei Informationen gegeben. Die Lokalregierung und Fraport ignorieren laut den BewohnerInnen alle ihre Rufe nach stadtplanerischer Urbanisierung ihrer Gemeinde, nach Verbesserung der Lebensumstände, was es den Familien ermöglichen würde, dort in Würde wohnen zu bleiben und die städtische Grundversorgung zu genießen.

Laut den Bewohner*innen gibt es keinerlei Dialog, keine Transparenz, sondern nur Räumungsandrohungen, autoritäres Gebaren und Desinformation. Daher verweigern wir dem Vorstand die Entlastung.

 

Zu Tagesordnungspunkt 4: Beschlussfassung über die Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2017

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Aufsichtsrats nicht zu entlasten.

Begründung:

Der Aufsichtsrat der Fraport AG hat es versäumt, den Vorstand anzuweisen, Prozesse im Unternehmen zu etablieren, die sicherstellen, dass solch skandalöse Vorgänge wie derzeit bei den Bewohner*innen der Vila Nazaré in Porto Alegre, denen durch den von Fraport vorangetriebenen Flugpistenausbau ihr Recht auf Wohnen verletzt wird, von vorneherein kategorisch ausgeschlossen werden. Der Aufsichtsrat hat es demnach seiner eigenen Untätigkeit zu verdanken, dass sich die 2.100 Familien Vila Nazaré gegen ihre Zwangsräumung zur Wehr setzen und von Fraport verlangen, dass die Firma endlich Verantwortung für die Verletzung des Menschenrechts auf Wohnen übernehme und dass schließlich ein Alternativplan vorgelegt wird, der den Flughafenausbau so konzipiert, dass die Umsiedlung der dort seit über 50 Jahren lebenden Familien unnötig wird. Nur dies würde die Rechte und die Würde der Bewohner*innen garantieren. Die Bewohner*innen fordern zudem, dass alle Informationen mit der Gemeinde und den sie unterstützenden Organisationen geteilt werden müssen.

Solange Fraport diese Schritte nicht überzeugend und für die Bewohner*innen der Vila Nazaré in zufriedenstellender Weise einleitet, sind wir gezwungen, dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern.

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