„Beschäftigte wurden bedroht, eingeschüchtert und sogar gekündigt, weil sie versucht haben, eine Gewerkschaft zu gründen“

Rede von Mischka Walten auf der Hauptversammlung von Fresenius Medical Care am 16. Mai 2024

Sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

mein Name ist Mischka Walten und ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und die Fresenius Global Union Alliance.

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre vertritt die Stimmrechte von Kleinaktionär*innen und die Interessen der Zivilgesellschaft in Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften.

Die Fresenius Global Union Alliance ist ein Zusammenschluss von über 50 Gewerkschaften und drei globalen Gewerkschaftsverbänden, Public Services International, UNI Global Union und IndustriALL, und vertritt Tausende von Beschäftigten von Fresenius Medical Care weltweit. Eines der Ziele ist die Stärkung des globalen sozialen Dialogs durch die Aushandlung und gemeinsame Umsetzung einer globalen Rahmenvereinbarung.

Ich spreche heute zu den Tagesordnungspunkten drei und vier und habe Fragen zur Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bei Fresenius Medical Care.

Fresenius Medical Care fällt nun seit fast eineinhalb Jahren unter den Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. An dieser Stelle möchte ich positiv hervorheben, dass das Human Rights Statement von Fresenius Medical Care entsprechend angepasst worden ist.

Während die Berichte von Fresenius SE, Helios, Vamed und Kabi bereits seit Ende März öffentlich zugänglich sind, ist dies bei Fresenius Medical Care nicht der Fall.

Wie Sie wahrscheinlich alle mitbekommen haben, war das Jahr 2023 ein Jahr der Streiks. Auch die Beschäftigten von Fresenius Medical Care sahen sich im vergangenen Herbst aufgrund unlauterer Arbeitspraktiken gezwungen zu streiken. Denn obwohl es in Ihrem oben bereits erwähnten Human Rights Statement unter Punkt 1.3 heißt, dass Sie „die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Kollektivverhandlungen und das Recht Ihrer Beschäftigten frei zu wählen, ob sie eine Gewerkschaft gründen und/oder sich von einer Gewerkschaft vertreten lassen wollen„, anerkennen würden, war dies in den Kliniken von Fresenius Kidney Care in Kalifornien nicht der Fall. Beschäftigte wurden bedroht, eingeschüchtert und sogar gekündigt, weil sie versucht haben, eine Gewerkschaft zu gründen und sich gewerkschaftlich zu organisieren. Damit hat die Leitung der Fresenius Kidney Care Kliniken nicht nur gegen US-Arbeitsrecht verstoßen, sondern auch gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sowie gegen Ihr eigenes Human Rights Statement.

Darüber hinaus hat Fresenius Medical Care Millionen von Dollar für Union Busting ausgegeben. Auch wenn das in den USA nicht illegal ist, verdeutlicht das die Haltung des Unternehmens gegenüber den Beschäftigten, die ihr Recht auf gewerkschaftliche Organisierung wahrnehmen.

Die Beschäftigten der Kliniken von Fresenius Kidney Care berichteten außerdem, dass die Kollektivverhandlungen nicht in gutem Glauben geführt wurden.

Die USA sind nicht das einzige Land mit arbeitsrechtlichen Problemen. Bei Inspektionen in verschiedenen Dialysezentren von Fresenius Kidney Care auf den Philippinen wurden sowohl Verstöße gegen das Arbeitsrecht als auch gegen Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen festgestellt. Darüber hinaus hat das Unternehmen vor kurzem eine Geschäftspolitik zur Vermeidung von Interessenkonflikten eingeführt, die die Möglichkeit der Beschäftigten, ihr Recht auf Freiheit auszuüben, untergraben könnte, indem sie die Mitgliedschaft der Beschäftigten in anderen Organisationen einschränkt und politische Spenden verbietet.

Im direkten Vergleich zu Fresenius SE hat Fresenius Medical Care weniger Beschäftigte, die von Kollektivverhandlungen erfasst werden, obwohl Fresenius Medical Care in vielen Hochrisikoländern weltweit tätig ist. Laut dem ITUC Global Rights Index, der von der BAFA als wichtige Quelle zur Identifizierung von Risiken genannt wird, betrifft das unter anderem auch Malaysia, Thailand und Rumänien – Produktionsländer von Fresenius Medical Care.

Angesichts der Tatsache, dass die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen als grundlegende Prinzipien genannt werden und Rechtsverletzungen in diesen Bereichen nicht nur drohen, sondern bereits eingetreten sind – über die Sie auch wiederholt informiert wurden – ist es überraschend, dass Sie diese Risiken in Ihrem Human Rights Statement nicht priorisieren. Ich möchte von Ihnen wissen, warum das der Fall ist?

Mit Verweis auf § 4 Abs. (4) LkSG, der besagt, dass „das Unternehmen bei der Errichtung und Umsetzung seines Risikomanagementsystems die Interessen seiner Beschäftigten, und der Beschäftigten innerhalb seiner angemessen berücksichtigt“, möchte ich von Ihnen wissen: Wie hat Fresenius Medical Care im vergangenen Jahr seine Beschäftigten weltweit und deren Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertreter in die Errichtung und Umsetzung des Risikomanagementsystems eingebunden? Wie planen Sie diesen Prozess für die Zukunft?

Auch die kürzlich verabschiedete Corporate Sustainability Due Diligence Directive widmet sich in einem Artikel der sinnvollen Einbeziehung von Stakeholdern, einschließlich Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertretern. Es besteht die Anforderung, Arbeitnehmervertretungen in die Gestaltung von Due-Diligence-Prozessen einzubeziehen. Das bedeutet, dass Sie darauf vorbereitet sein müssen, dass diese Komponente in Zukunft noch stärker gefordert wird. Viele multinationale Unternehmen nutzen globale Rahmenvereinbarungen, die einen globalen sozialen Dialog strukturieren, und somit die Einhaltung der Sorgfaltspflichten nachhaltig verbessern. Fresenius Medical Care hat dies noch nicht getan

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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