Rede Markus Dufner auf der Hauptversammlung von Fresenius SE am 23.05.2025 in Frankfurt am Main
Sehr geehrter Herr Sen, sehr geehrter Herr Kirsch! Sehr geehrte Konzernverantwortliche! Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
mein Name ist Markus Dufner und ich spreche im Namen des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.
Mit seinen 30 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen Umweltschutz, Menschenrechte sowie sozialer und gewerkschaftlicher Rechte repräsentiert der Dachverband einen Teil der Zivilgesellschaft. Zudem ist der Dachverband Mitglied der Klimaallianz Deutschland mit 155 Mitgliedsorganisationen.
Der Dachverband unterstützt die Fresenius Global Union Alliance. Die Fresenius Global Union Alliance ist ein Bündnis von mehr als 50 Gewerkschaften und drei globalen Gewerkschaftsverbänden, Public Services International, UNI Global Union und IndustriALL, das Tausende von Beschäftigten von Fresenius Medical Care weltweit vertritt.
Eines der Hauptziele des Bündnisses ist die Stärkung und Strukturierung des globalen sozialen Dialogs durch die Aushandlung und gemeinsame Umsetzung einer globalen Rahmenvereinbarung. Globale Vereinbarungen tragen dazu bei, dass Grundrechte in verschiedenen Rechtsordnungen eingehalten werden, indem sie Arbeitgeber*innen einen Prozess ermöglichen, mit dem sie besser überwachen können, wie ihre Richtlinien in der Praxis umgesetzt werden. Immer mehr führende multinationale Unternehmen haben globale Vereinbarungen unterzeichnet.
Herr Sen, ja, Fresenius rettet und verbessert das Leben von Menschen. Sie haben das in Ihrer Rede betont und es kam auch in dem Video vorhin zur Geltung.
Aber wie ist es um die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Fresenius bestellt? Sind auch die ausgebildeten Pflegekräfte in Helios-Kliniken zufrieden? Wie neulich bekannt wurde, sollen sie jetzt artfremde Tätigkeiten verrichten müssen.
So in der Stadt Salzgitter. Der Rat der Stadt hat dem Helios-Konzern, der zu 100 % der Fresenius SE gehört, vorgeworfen, er lasse ausgebildete Pflegekräfte Reinigungsarbeiten verrichten. Mit der Zweckentfremdung soll Geld gespart werden. Dazu hat der Stadtrat eine von der Verwaltung eingebrachte Resolution verabschiedet.
Es deutet viel darauf hin, dass der Helios-Konzern das Gesetz zur Entlastung der Pflegekräfte pervertiert. Ausgangspunkt des Problems ist eine Gesetzesänderung, die eigentlich das Gegenteil zum Ziel hatte: die Entlastung der Pflegekräfte. Seit 2025 werden nur noch Pflegefachkräfte und qualifizierte Pflegehilfskräfte über das Pflegebudget refinanziert, das die Krankenhäuser mit den Krankenkassen abrechnen können. So sollte gewährleistet werden, dass das Geld tatsächlich für die Pflege ausgegeben wird und eben nicht für andere Dinge.
Dies habe nun aber dazu geführt, dass verschiedene Klinikbetreiber begonnen hätten, artfremde Servicetätigkeiten auf Pflegekräfte zu übertragen: Dazu gehört zum Beispiel die Reinigung von Betten. Ziel sei es, diese artfremden Tätigkeiten zu 100 Prozent über das gesonderte Pflegebudget abzurechnen.
Aufgrund einer Grundsatzentscheidung der Konzernzentrale soll diese Praxis seit dem 1. April im Helios-Klinikum in Salzgitter umgesetzt werden. Dies geschieht offenbar im vollen Bewusstsein, dass die Pflegefachkräfte schon jetzt an oder jenseits der Grenze des Belastbaren arbeiteten und nicht über die Kapazitäten verfügen, diese artfremden Tätigkeiten auch noch zusätzlich zu leisten.
Herr Sen, hierzu meine Fragen:
Wurde die Grundsatzentscheidung von der Spitze des Helios-Konzerns getroffen oder von der Spitze der Fresenius SE – also von Ihnen, Herr Sen?
Können Sie bestätigen, dass ausgebildete Pflegekräfte in Helios-Kliniken artfremde Tätigkeiten – wie zum Beispiel die Reinigung von Betten – verrichten müssen?
In welchen anderen Helios-Kliniken außer der in Salzgitter ist die Umsetzung dieser Grundsatzentscheidung die Praxis?
Wie war die Reaktion von Pflegekräften? Gab es Beschwerden, etwa über Ihr Hinweisgeber-System?
Mit welchen Hinweisen haben sich Whistleblower 2024 und 2025 vor allem gemeldet? Nennen Sie die Bereiche, in denen es zu den meisten Hinweisen kam.
Kam es aufgrund der neuen Praxis, artfremde Tätigkeiten verrichten zu müssen, vermehrt zu Kündigungen durch Pflegekräfte?
Haben Helios-Kliniken Pflegekräften gekündigt, die nicht bereit waren, artfremde Tätigkeiten zu verrichten?
Fanden Gespräche zwischen Fresenius bzw. Helios und der Stadt Salzgitter Stadt?
Wenn ja: Zu welchen Ergebnissen führten die Gespräche?
Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, normalerweise sind des Hedgefonds, die sich Traditionsfirmen vornehmen und sie in profitablere Einzelteile zerlegen.
Zuletzt war es aber die Traditionsfirma Fresenius selbst, die eine ihrer Tochtergesellschaften filetierte: die Vamed AG.
Die Vamed mit rund 24.000 Mitarbeiter*innen ist – oder sollte man besser sagen: war – das wichtigste Gesundheitsunternehmen von Österreich. Weil die Vamed dem deutschen Mehrheitseigentümer Fresenius SE offenbar nicht mehr profitabel genug war, hat CEO Michel Sen sie in ihre Einzelteile zerlegt.
Die Trennung vom Kerngeschäft der Vamed AG getrennt und der Verkauf an ein Konsortium aus den Bauunternehmen Porr und Strabag geschah dabei schneller als erwartet.
Ein anderer wichtiger Teil, 67 Reha-Zentren der Vamed im In- und Ausland, werden mehrheitlich an den französischen Private-Equity-Fonds PAI Partners verkauft. Kritiker dieses Deals fürchten um die Qualität der Versorgung.
Hingegen wird das Krankenhausdienstleistungsgeschäft, das zuletzt rund 30 Prozent der Vamed-Umsätze ausmachte, in den Fresenius-Konzern integriert.
Herr Sen, dazu folgende Fragen:
Die Vamed AG war früher profitabel. Haben gerade die Umstrukturierungen und Verkäufe von Geschäftsbereichen dazu geführt, dass das Unternehmen nicht mehr profitabel ist?
Irgendwie erscheint es seltsam, dass nun Bauunternehmen ein Gesundheitsunternehmen und Private-Equity-Fonds Reha-Zentren führen sollen.
War Ihnen bei dem Verkauf an Porr und Strabag und die PAI-partners egal, was aus den Vamed-Unternehmensteilen wird?
Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre!
Ich finde, es ist deutlich geworden, dass die persönlich haftende Gesellschafterin der Fresenius SE ihrer Verpflichtung zu guter Unternehmensführung nicht gerecht geworden ist. Deshalb beantragt der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, den Mitgliedern des Vorstands die Entlastung für das Geschäftsjahr 2024 zu verweigern.
Noch ein letztes Thema.Bei Fresenius arbeiten weltweit Menschen aus mehr als 140 verschiedenen Nationen, “alle mit unterschiedlichen Hintergründen und einer individuellen Geschichte“, wie Dr. Sebastian Biedenkopf, der frühere Arbeitsdirektor von Fresenius SE, einmal feststellte.
2023 hat Fresenius die Charta der Vielfalt unterzeichnet und damit ein sichtbares Zeichen für Vielfalt und Inklusion im eigenen Unternehmen gesetzt. Ziel der Initiative ist es, die Anerkennung, Wertschätzung und Einbeziehung von Vielfalt in der Arbeitswelt in Deutschland voranzubringen.
US-Präsident Trump hat der Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion den Kampf angesagt. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt beendete er alle DIE-Programme – DIE steht für Diversity, Equity und Inclusion.
Mit einem Dekret will Trump Unternehmen dazu zwingen, ihre DIE-Programme zu beenden.
Herr Sen, Sie sagten, dass 4.000 der 175.000 Beschäftigten der Fresenius SE derzeit in den USA arbeiten.
Wurde Fresenius oder wurden Tochtergesellschaften wie Fresenius Kabi von der US-Regierung aufgefordert, ihre DIE-Programme zu stoppen?
Hat Fresenius bzw. haben Tochtergesellschaften gegenüber der US-Regierung eine Erklärung abgegeben, die Programme zu stoppen?
Was wird sich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fresenius AG und ihren nun ändern?
Herr Sen, fühlen Sie sich noch an die Charta der Vielfalt gebunden?
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.