„Fresenius-Beschäftige in Kolumbien sehen sich tagtäglich mit Rechtsverletzungen konfrontiert“

Rede von Mischka Walten auf der Hauptversammlung der Fresenius SE am 17. Mai 2024 in Frankfurt am Main

Mitarbeiterinnen von Fresenius-Kliniken in Kolumbien protestieren. (Foto: UNI Global Union)

Sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

mein Name ist Mischka Walten und ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und die Fresenius Global Union Alliance.

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre vertritt die Stimmrechte von Kleinaktionär*innen und die Interessen der Zivilgesellschaft in Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften.

Die Fresenius Global Union Alliance ist ein Zusammenschluss von über 50 Gewerkschaften und drei globalen Gewerkschaftsverbänden, Public Services International, UNI Global Union und IndustriALL, und vertritt Tausende von Beschäftigten von Fresenius SE weltweit. Eines der Ziele der Allianz ist die Stärkung des globalen sozialen Dialogs durch die Aushandlung und gemeinsame Umsetzung einer globalen Rahmenvereinbarung.

Ich spreche heute zu den Tagesordnungspunkten zwei und drei und habe Fragen zur Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bei Fresenius SE.

Fresenius SE fällt nun seit fast eineinhalb Jahren unter den Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. An dieser Stelle möchte ich positiv hervorheben, dass die Fresenius SE ihren eigenen Bericht sowie die Berichte von Vamed, Helios und Kabi veröffentlicht hat und damit § 10 Abs. 2 LkSG erfüllt.

In der Risikoanalyse haben wir positiv festgestellt, dass die Missachtung der Koalitionsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen, eines der priorisierten Risiken im eignen Geschäftsbereich ist, und Ihnen bekannt ist, dass die Missachtung der Vereinigungsfreiheit in Kolumbien besonders hoch ist. Dennoch sehen sich Beschäftige in Kolumbien tagtäglich weiterhin mit diesen Rechtsverletzungen konfrontiert, da die dortige Unternehmensleitung diese Rechte missachtet.

Die Kollektivverhandlungen in den Kliniken haben sich verzögert, weil die Unternehmensleitung sich weigerte, in gutem Glauben zu verhandeln. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter berichteten, dass die Verhandlungen von Unternehmensseite hinhaltend und ohne ernsthaften Verhandlungswillen geführt wurden. Die Konflikte wurden vor ein Schiedsgericht gebracht. Die Fresenius-Klinik Quirónsalud leitete rechtliche Schritte ein, um die Schiedssprüche für die Krankenhäuser Vegas, Prado und de la Mujer für ungültig erklären zu lassen. Und das, obwohl Ihr Ethik- und Verhaltenskodex entsprechende Verhandlungsprozesse vorsieht. 

Über diesen Fall hinaus ist es zwar positiv, dass die Risiken in Kolumbien zur Kenntnis genommen werden, doch sind diese Risiken bereits seit Jahren aufgetreten und ihren Höhepunkt darin fanden, dass Fresenius-Beschäftigte Morddrohungen erhielten, wie auch in Ihrem Bericht erwähnt. Deswegen möchte ich von Ihnen wissen: Wie gehen Sie bei der Risikominderung proaktiv vor, um sicherzustellen, dass derartige Risiken nicht in anderen Ländern in denen Sie tätig sind oder aus denen Sie beziehen auftauchen?

In diesem Zusammenhang und unter Bezugnahme auf § 4 Abs. 4 LkSG, der besagt, dass „das Unternehmen bei der Errichtung und Umsetzung seines Risikomanagementsystems die Interessen seiner Beschäftigten und der Beschäftigten innerhalb seiner Lieferketten angemessen berücksichtigt“, möchte ich Sie fragen, wie Fresenius SE im vergangenen Jahr die Beschäftigten weltweit und deren Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertreter in die Errichtung und Umsetzung des Risikomanagementsystems einbezogen hat? Wie planen Sie diesen Prozess für die Zukunft?

Auch die kürzlich verabschiedete Corporate Sustainability Due Diligence Directive widmet sich in einem Artikel der sinnvollen Einbeziehung von Stakeholdern, einschließlich Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertretern. Es besteht die Anforderung, Arbeitnehmervertretungen in die Gestaltung von Due-Diligence-Prozessen einzubeziehen. Das bedeutet, dass Sie darauf vorbereitet sein müssen, dass diese Komponente in Zukunft noch stärker gefordert wird. Viele multinationale Unternehmen nutzen globale Rahmenvereinbarungen, die einen globalen sozialen Dialog strukturieren, und somit die Einhaltung der Sorgfaltspflichten nachhaltig verbessern. Fresenius SE hat dies noch nicht getan.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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