Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
mein Name ist Tilman Massa, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir von der Hannover Rück deutliche effektivere Maßnahmen für den Schutz von Klima und Menschenrechten ein.
Daher können wie auch dieses Jahr Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlasten. Wir haben entsprechende Gegenanträge eingereicht, die ich hiermit auf formal stelle. Auf unsere Kritikpunkte bei Ihren Maßnahmen zum Klimaschutz ist Frau Regine Richter bereits eingegangen. Ich möchte Ihnen zusätzlich einige Fragen zur Umsetzung Ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten und Ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung stellen:
Menschenrechte: Position zu Plänen der EU-Kommission
Wir haben das Lieferkettengesetz ja vor allem deshalb, weil deutsche Unternehmen daran gescheitert sind, freiwillig die Vorgaben der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) umzusetzen. Es braucht daher einen klaren Rechtsrahmen und Rechtssicherheit. Ihr Wort ist in der aktuell nicht gerade konstruktiv geführten Diskussion um die Zukunft des EU Green Deals, von Berichtspflichten und des Lieferkettengesetzes sehr wichtig, daher frage ich Sie:
- Finden Sie es nicht zum Nachteil der Unternehmen, die sich ernsthaft um mehr Klimaschutz und Achtung von Menschenrechten auch in den Lieferketten kümmern, wenn nun im Rahmen des Omnibus-Prozesses in der EU die zivilrechtliche Haftung fast komplett abgeschafft werden soll und auch die Verpflichtung zum Umsetzung der Klimatransitionspläne (climate transition plans) wegfallen soll? So werden doch genau die Unternehmen, die nicht ernsthaft an ihrer sozial-ökologischen Transformation arbeiten, auch noch belohnt, oder wie sehen Sie dies?
- Der Finanzsektor soll – mal wieder – komplett ausgenommen werden. Können Sie mir einen Grund nennen, warum der Finanzsektor seine menschenrechtlichen Risiken nicht verpflichtend prüfen soll wie es alle anderen Branchen auch tun müssen? Sie tun dies ja schließlich auch, sollte es Ihrer Meinung nach die gleichen Bedingungen dazu zumindest auf EU-Ebene für den Finanzsektor geben?
Dazu habe ich aber auch konkrete Fragen zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes.
Umsetzung Lieferkettengesetz
Das deutsche Lieferkettengesetz ist durch die Veröffentlichung der Handreichung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) massiv geschwächt worden. Damit ist die Finanzbranche aus der Verantwortung genommen worden, Menschenrechte berücksichtigen zu müssen. Deutsche Investments können dadurch weiter ungehindert in menschenrechtlich fragwürdige Projekte fließen.
Das Bafa hatte 2023 eine Handreichung veröffentlicht, die die Anwendung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes für die deutsche Kredit-, Investitions- und Versicherungswirtschaft definiert. Der Handreichung zufolge soll die Lieferkette nicht den Endkunden umfassen und damit die relevanten Geschäftsbereiche für den Finanzsektor. Diese Handreichung kommt auch einem Freifahrtschein für den Finanzsektor gleich.
Es gibt in dieser Handreichung eine Kuriosität, dann das BAFA scheint ausgerechnet für Versicherungen in Bezug auf Rückversicherungen keine Ausnahme machen zu wollen. Ich zitiere die Handreichung:
„Rückversicherungsverträge, die ein Versicherungsunternehmen zum Transfer eigener Risiken nutzt, fallen dann unter das LkSG, wenn die Rückversicherung für die Erbringung der Dienstleistung erforderlich ist (§ 2 Abs. 5 LkSG), d. h. wenn ein Versicherungsunternehmen die konkrete Versicherungsdienstleistung ohne die Rückversicherung nicht anbieten würde. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Erstversicherungsunternehmen sich nur mit einer Rückversicherung in der Lage sieht, ein bestimmtes Risiko zu versichern. In diesen Fällen hätte das Erstversicherungsunternehmen mit Blick auf den Rückversicherer Sorgfaltspflichten nach dem LkSG zu erfüllen.“
- Finden Sie diese Argumentation nachvollziehbar?
- Sollten nicht die gleichen Pflichten für den gesamten Finanzsektor gelten, statt solche absurd anmutenden Ausnahmen zu schaffen?
- Haben sich eventuell schon Versicherungen bei Ihnen gemeldet, um sich bei Ihnen nach der Umsetzung Ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten zu erkundigen?
- Haben Sie im letzten Geschäftsjahr und dieses Jahr Risiken nicht versichert, da Ihnen das menschenrechtliche Risiko zu hoch erschien? Wenn ja, wie viele Fälle waren das und um welche Anfragen bzw. Fälle handelt es sich konkret?
- Haben Sie aktuell in Ihrer Wertschöpfungskette Menschenrechtsverstöße aufgrund Ihrer Risikoanalysen identifiziert? Wenn ja, um welche Fälle handelt es sich und wie reagieren Sie?
Kosten Berichtspflichten
Bisher gab es keine verbindlichen Vorgaben für Nachhaltigkeitsberichte. Deswegen sollte seriöse Kritik an den anfallenden Kosten in Relation zu den bisherigen und langfristig anfallenden Kosten sowie den allgemeinen Kosten der Finanzberichterstattung geäußert werden.
Derzeit stellen viele Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte um auf die neuen Vorgaben der EU im Rahmen des European Green Deals – konkreter: die Umsetzung der neuen EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, CSRD. Die Einführung bzw. Umstellung mag zunächst zusätzliche Kosten verursachen, die aber im Blick auf ihren langfristigen Nutzen verhältnismäßig und gerechtfertigt sind. Doch wie hoch diese Kosten tatsächlich für verschiedene Großunternehmen sind, insbesondere im Vergleich zu sonstigen Kosten der Finanzberichterstattung, ist derzeit schlicht nicht bekannt.
- Wie hoch waren Ihre Grenzkosten (Vollkosten sind optional) im letzten, abgeschlossenen Geschäftsjahr und, sofern vorläufig verfügbar, im aktuellen Geschäftsjahr für die Finanzberichterstattung nach HGB und IFRS? Dies bezieht sich nur auf alle Kosten, die für die Konzernabschlüsse anfallen.
- Wie hoch waren Ihre Grenzkosten im letzten, abgeschlossenen Geschäftsjahr 2024 und, sofern vorläufig verfügbar, im aktuellen Geschäftsjahr für die Berichterstattung nach den ESG-Berichtsstandards der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) oder, wenn die ESRS nicht genutzt wurden, dann einem anderen verwendeten Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (z. B. GRI, ISSB)?
- Wie hoch waren Ihre gesamten finanziellen Aufwendungen für Werbung im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr und, sofern vorläufig verfügbar, im aktuellen Geschäftsjahr?
Aktionärsrechte und virtuelle Hauptversammlung
Unsere Begründung, warum wir diese Ermächtigung des Vorstands ablehnen, bleibt auch nach zwei Jahren Erfahrungen mit virtuellen Hauptversammlungen unverändert: Das Format und die Art und Weise, wie eine Hauptversammlung durchgeführt wird, betreffen elementare Aktionärsrechte. Daher sollte die Hauptversammlung – und nicht der Vorstand – darüber entscheiden, zu welchen Bedingungen bzw. in welchem Format zukünftige Hauptversammlungen durchgeführt werden sollen.
Die Hauptversammlung sollte darüber entscheiden können, ob als weitere Option ein hybrides Format umgesetzt werden soll, welches die Vorteile einer Präsenz-Hauptversammlung mit jenen einer rein virtuellen Veranstaltung vereint.
Höchst problematisch ist allgemein das von Aktionärsseite schwindende Interesse an Hauptversammlungen, wenn diese nur virtuell stattfinden. Viele schalten ihren Computer erst gar nicht an, dies ist auch ein Abstimmen mit den Füßen über dieses Format.
Daher kritisieren wir auch die Entscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat, die diesjährige Hauptversammlung rein virtuell durchzuführen.
- Haben Sie konkret geprüft oder planen Sie, eine hybride Hauptversammlung durchzuführen, an der sowohl in Präsenz als auch digital teilgenommen werden kann?
- Was wären die Mehrkosten einer hybriden Hauptversammlung gegenüber eine virtuellen oder Präsenz-Hauptversammlung?
- Wie sehen dahingehend Ihre Pläne für die Hauptversammlung 2026 aus?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.