Rede von Tilman Massa

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Aufsichtsrat und Vorstand,

mein Name ist Tilman Massa, ich bin vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Ich habe Fragen zum Thema der 2015 geschlossenen Abnahmevereinbarung mit dem Bergbauunternehmen Rainbow Rare Earths Limited für jährlich 5.000 Tonnen Seltene Erden aus Burundi. Dazu hatten Sie bereits im Mai letzten Jahres schriftliche Fragen vom Ökumenischen Netz Zentralafrika bekommen, zu dem auch Misereor und Brot für die Welt gehören. Bis heute warten die kirchlichen Werke auf eine Antwort, daher nehmen wir nun den direkten Weg.

Der Fall zeigt beispielhaft, dass Thyssenkrupp weiterhin Mängel beim Erfüllen seiner menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten hat.

Da Thyssenkrupp ja Rohstoffe aus Burundi abnimmt, sollten dem Vorstand die dortige Situation bekannt sein. Die Menschenrechtsituation ist gravierend und hat verheerende gesellschaftliche und humanitäre Folgen. Seit seiner umstrittenen Kandidatur und Wiederwahl im Jahr 2015 hat der amtierende Präsident Pierre Nkurunziza das Land in eine schwere Krise gestürzt. Die Versammlungs- und Pressefreiheit wurde enorm eingeschränkt, Oppositionelle und Menschenrechtsaktivisten leiden unter Repressionen, hunderte Fälle widerrechtlicher Festnahmen und Folter sind bekannt. Rechtstaatliche Prinzipien werden gravierend verletzt und über 420.000 Menschen mussten außer Landes fliehen.

Die deutsche Bundesregierung suspendierte deswegen alle Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit mit der Regierung in Burundi. Andere Geberländer innerhalb der Europäischen Union trafen vergleichbare Maßnahmen.

Thyssenkrupp stört dies alles nicht. Sie halten an dem Rohstoffdeal fest – er ist offensichtlich nicht an Schutz von Menschenrechten und der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien gebunden.

Wieso sollte Thyssenkrupp sich auch um die Situation in Burundi kümmern? Der Konzern kann und sollte schließlich nicht Weltpolizei spielen. Es gibt ja keinen Deal mit der burundischen Regierung, außerdem helfe man ja der wirtschaftlichen Entwicklung.

Nun, die burundische Regierung ist mit 10 Prozent an Rainbow Mining Burundi SM beteiligt und erhält jährliche Fördergebühren. Sie besetzt das Vizepräsidentenamt im Verwaltungsrat und Generalversammlung von Rainbow Mining Burundi SM. In anderen Worten: Thyssenkrupp macht somit doch Geschäfte mit der burundischen Regierung.

Das Heikle dabei: Korruption und Straflosigkeit prägen maßgeblich die Regierungsführung und Geschäfte in Burundi. Auch die die Panama und Paradise Papers belegen, wie korrupte Eliten unter Mitwirkung internationaler Konzerne Afrikas Rohstoffe ausbeuten. Burundis Präsident wird hier explizit genannt. Gewinne kommen nicht der Bevölkerung zugute, sondern werden im Ausland angelegt. Steuergelder werden veruntreut, Klientelismus und Vetternwirtschaft vergrößern den Reichtum weniger und verhindern die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Bevölkerung.

Dies alles steht offensichtlich im Widerspruch zu Ihren eigenen Erklärungen im Bereich der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten:

In der Selbstverpflichtung auf verantwortungsvolle Beschaffung betonen Sie, dass nicht nur wirtschaftliche Kriterien, sondern auch „Nachhaltigkeit… im Lieferantenmanagement ebenso eine wichtige Rolle“ einnimmt. Weiter werden Werte genannt, die auch für Ihre Lieferkette gelten: „Menschenrechte, faire Arbeitsbedingungen, Umweltschutz und Kampf gegen Korruption“.

Die Bekämpfung von Korruption wird sogar als ein inhaltlicher Schwerpunkt des Compliance-Programms hervorgehoben. Dieses sieht außerdem die regelmäßige Überprüfung kritischer Geschäftsaktivitäten in einem risikoorientierten, strukturierten Audit-Ansatz vor.

Die Kooperation von ThyssenKrupp mit Rainbow Rare Earths Ltd. bzw. Rainbow Mining Burundi SM – und damit der burundischen Regierung – verhindert angesichts der Korruption und Menschenrechtsverletzungen die Stärkung der Rechtstaatlichkeit und Demokratisierung in Burundi.

Dazu folgende Fragen:

  • Wie rechtfertigen Sie angesichts der genannten Probleme die Kooperation mit Rainbow Mining Burundi SM und damit die Kooperation mit und Unterstützung der burundischen Regierung?
  • Welche Bedeutung misst ThyssenKrupp dem Rückzug politischer Akteure (inkl. der deutschen Bundesregierung und EU) aus der Zusammenarbeit mit der Regierung von Burundi bei?
  • Haben Sie vor, ihre Verträge zu burundischen Akteuren zu überprüfen und sich eventuell wie die Bundesregierung auch von Ihren Verträgen zurückziehen?

Die Thyssenkrupp AG hat einen eigenen Supplier Code of Conduct entwickelt, der auf den Prinzipien des United Nations Global Compact und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen beruht. Ihr Anspruch ist es, „in den nächsten Jahren nur noch mit Lieferanten zusammenzuarbeiten, die den thyssenkrupp Supplier Code of Conduct unterzeichnet haben und sich nach den darin festgelegten Grundsätzen richten.“

  •  Hat Rainbow Rare Earths Ltd. diesen Supplier Code of Conduct unterzeichnet?
  • Wenn ja, ist damit auch Rainbow Mining Burundi SM auf diesen Supplier Code of Conduct verpflichtet und wurde bereits ein entsprechendes Nachhaltigkeits-Audit durchgeführt?

Thyssenkrupp fordert zudem, die Transparenz über die Herkunft von Rohstoffen zu erhöhen. Seit Jahren stockt der Extractive Industries Transparancy Initiative (EITI)-Beitrittsprozess von Burundi, die Regierung weigert sich, den Vertrag über die Exploration seltener Erden mit Rainbow Rare Earth Ltd. zu veröffentlichen.

  • Wie reagiert Thyssenkrupp angesichts des eigenen Pochens auf mehr Transparenz auf das Bestreben der burundischen Regierung, die Umstände der Förderung Seltener Erden durch Rainbow Mining Burundi SM der Öffentlichkeit vorzuenthalten?

Angesichts der alarmierenden politischen, wirtschaftlichen und humanitären Lage in Burundi ist das wirtschaftliche Agieren von Thyssenkrupp kontraproduktiv für eine politische und menschenrechtliche Entspannung im Land. Dabei sollte Deutschlands größter Stahlhersteller eine Vorreiterrolle in Bezug auf menschenrechtliche Verantwortung übernehmen. Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie Ihre Aktivitäten in Burundi auch im Sinne Ihrer Selbstverpflichtungserklärungen überdenken. Und: Auch das Ökumenische Netz Zentralafrika würde sich über eine schriftliche Antwort dieser Ihnen bereits zugeschickten Fragen freuen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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