„Grüne-Länder-Strategie“ wird weiterhin nicht konsequent umgesetzt: Gegenanträge von Jürgen Grässlin

Gegenantrag zur Hauptversammlung der Heckler & Koch AG am 03.08.2022

Zu TOP 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands

Die Mitglieder des Vorstands werden nicht entlastet.

Begründung:

Der Vorstand der Heckler & Koch AG wird dem eigenen Anspruch weiterhin nicht gerecht, den Konzern zu einem „Vorreiter einer verantwortungsvollen Rüstungsexportstrategie“ werden zu lassen. Die selbstgesetzte „Grüne-Länder Strategie“ wird weiterhin nicht konsequent genug umsetzt.

Umsatzanstieg jenseits der „Grünen Länder“

Zwar gibt die Heckler & Koch AG im aktuellen Geschäftsbericht an, dass der Umsatz auch 2021 ausschließlich in „Grünen Ländern“ erfolgt sei. Ein Blick in die Bilanzzahlen zeigt jedoch einen deutlichen Anstieg des Umsatzes in Ländern, die nicht darunter fallen (Rest der Welt) von 2.000 im Jahr 2020 auf 126.000 Euro in 2021.

Es werden also noch weiterhin Geschäfte in jenen Ländern getätigt, bei denen die H&K AG vorgibt, keine Waffenlieferungen mehr vorzunehmen. Welche Länder als „grün“ gelten oder zum „Rest der Welt“ zählen, ist nicht einfach nachvollziehbar. Die Kriterien und Risikoanalysen von H&K hierzu sind nicht transparent, sollten aber aufgrund ihrer sicherheitspolitischen Brisanz und der mitunter tödlichen Folgen öffentlich nachvollziehbar sein.

Was nicht grün ist, wird grün gemacht

Zunächst galten im Rahmen der „Grünen-Länder-Strategie“ solche Staaten als belieferungsfähig, „die der EU oder der NATO angehören oder mit der NATO Assoziierungsabkommen geschlossen haben und zusätzlich noch weitere Anforderungen erfüllen“ (Pressemitteilung H&K vom 11.05.2018). In diese eindeutige Aussage wurden jedoch Hintertüren eingebaut. Schon 2019 wurden auch solche Länder belieferungsfähig, die „im sicherheitspolitischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegen“ (Pressemitteilung H&K vom 21.02.2019).

So können mittlerweile beispielsweise auch Indonesien, Indien, Südkorea, Malaysia und der Oman als „Grüne Länder“ gelten. Diese Exportstrategie lässt nicht nur viele Ausnahmemöglichkeiten zu, sie versteckt sich hinter den Exportgenehmigungen der jeweiligen Bundesregierung. Im Ergebnis wird hier wieder unternehmerische Verantwortung an die Bundesregierung abgegeben, statt unabhängig eigene Kriterien wirksam werden zu lassen.

Wenn der H&K-Vorstand das Unternehmen ernsthaft zu einem „Vorreiter einer verantwortungsvollen Rüstungsexportstrategie“ machen will, sollten sich Kleinwaffenexporte an Länder, wie etwa Oman, Indonesien, Indien oder Malaysia, von selbst verbieten.

Alle vier Länder werden vom Bonn International Center for Conversion (BICC) in mindestens fünf der acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes der EU für den Rüstungsexport als „kritisch“ oder „möglicherweise kritisch“ eingestuft. Im Hinblick auf das Kriterium 2 (Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland) werden alle vier Länder als „kritisch“ bewertet.

Im Fall von Südkorea lautet diese Bewertung „möglicherweise kritisch“. (https://www.ruestungsexport.info/de/map)

Es ist nicht schwer, verlässliche Informationen darüber zu erhalten, warum Waffenlieferungen in diese Regionen mehr als problematisch sind, wie der Blick auf Indien zeigt: Indischen Polizeieinheiten werden von Menschenrechtsorganisationen, wie Amnesty International, wiederholt Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Letztes Jahr erklärte der oberste Richter Indiens Polizeistationen zu den gefährlichsten Orten im Land, an denen Menschenrechte bedroht werden.

Es ist nicht nachvollziehbar, welche „strengen Kriterien“ der Vorstand zu Rate zog, um diese Länder als belieferungsfähig anzusehen – es sei denn, man folgt blind den Entscheidungen der Bundesregierung, die sich jedoch schnell ändern. Das sollte H&K selbst am besten wissen, hat das Unternehmen doch erfolglos dagegen geklagt.

Weiterhin unklare Eigentumsverhältnisse und massive Schulden

Weiterhin sind die Eigentumsverhältnisse der H&K AG unklar. Dies ist auch bei der Bewertung der Auswirkungen der massiven Schulden höchst hinderlich. 2021 betrugen die Verbindlichkeiten 395 Mio. Euro, 14 Mio. Euro mussten allein für Kreditzinsen ausgegeben werden.

Die durch den hohen Schuldenstand im vorherigen Geschäftsbericht beschriebene Möglichkeit einer Insolvenz oder Liquidation konnte aktuellen Medienberichten zufolge nur kurzfristig abgewendet werden, da zwei Großaktionäre Finanzierungsgarantien abgegeben hätten. Doch es ist nicht klar, wer diese Großaktionäre genau sind, sodass auch unklar ist, wie glaubwürdig diese Garantien sind. Zum anderen wurde noch immer keine konkrete nachhaltige Lösung für die bestandsgefährdende Schuldenlast gefunden.

Die Zeit drängt, denn etliche Kredite werden schon nächstes Jahr fällig. Ob und inwieweit die zumindest formal bestehenden Exportbeschränkungen der „Grünen-Länder-Strategie“ auch in Zukunft gelten werden, wenn neue, lukrative Aufträge aus Konfliktregionen möglich sind, ist unter diesen Umständen alles andere als sicher.

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Zu TOP 4:

Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats

Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden nicht entlastet.

Begründung:

Edmund Heckler, Mitbegründer und Namensgeber von Heckler & Koch, arbeitete sich in der Zeit des Nationalsozialismus als Prokurist bis in die Spitze der Hugo Schneider AG, der HASAG, hoch. Die HASAG war eines der größten Rüstungsunternehmen in der NS-Zeit und setzte während des Zweiten Weltkriegs Zehntausende von zivilen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen ein.

Als Oberingenieur der HASAG erhielt Edmund Heckler die Aufgabe, Zweigwerke aufzubauen. In dieser Zeit entstanden die Produktionsstätten in Berlin, Leipzig, Taucha und Altendorf. Heckler erwarb die Prokura bei der HASAG und leitete die drei letztgenannten Werke. Der Außentrieb Taucha war unter dem Betriebsleiter Heckler „NS-Musterbetrieb“.

Unter Hecklers Führung war die HASAG fester Bestandteil im System „Vernichtung durch Arbeit“ (siehe Neue Rottweiler Zeitung vom 07.09.2020). In einer Panzerfaust-Fabrik der HASAG mussten mehr als 1.000 KZ-Häftlinge aus den Konzentrationslagern Auschwitz, Buchenwald und Ravensbrück unter Zwang und unmenschlichen Bedingungen auch Waffen fertigen. Viele der Arbeiterinnen und Arbeiter wurden erschlagen oder erschossen.

Die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) hat im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung im Auftrag des Unternehmens klargestellt, dass man davon ausgehen müsse, dass Edmund Heckler von den grausamen Bedingungen in der Fabrik wusste. Damit trug er massiv Mitverantwortung.

Im heutigen Unternehmen ist dieser Umstand seit Längerem bekannt. Dennoch hat der Aufsichtsrat der Heckler & Koch AG noch immer nicht die notwendigen Konsequenzen aus den Studienergebnissen gezogen.

Für uns Kritische Aktionär:innen ist klar: Ein führender nationalsozialistischer Scherge, der den Tod zahlreicher Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter mitverantwortet, darf in einem vermeintlich humanistisch geprägten Unternehmen keinesfalls Namenspatron sein.

Der Aufsichtsrat der H&K AG muss endlich seiner Verantwortung gerecht werden. Dazu gehören eine klare Distanzierung von den menschenverachtenden Schandtaten des Firmengründers Edmund Heckler und die Umbenennung der Heckler & Koch-Gruppe mit ihren Beteiligungsgesellschaften bzw. Tochterunternehmen im In- und Ausland. Die Opfer, und im Falle ihres Todes die Angehörigen, der grausamen Geschäftspolitik der HASAG müssen angemessen finanziell entschädigt und unterstützt werden.

Kontakt und Informationen:

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