Waffenlieferungen in Krisenregionen und Schmuggel-Risiko: Unsere Gegenanträge

Zu Tagesordnungspunkt 3: Entlastung der Mitglieder des Vorstands

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2022 nicht zu entlasten.

Begründung:

Der Vorstand kommt seiner besonderen Verantwortung beim Vertrieb tödlicher Schusswaffen nicht ausreichend nach. Die selbstgesetzte „Grüne-Länder-Strategie“ wird weiterhin nicht konsequent genug umsetzt. Der Konzern setzt weiterhin auf das „Wachstumspotenzial“ des Zivilmarkts in den USA – einem Land, in dem im vergangenen Jahr mehr als 58.000 Menschen durch Schusswaffengewalt getötet oder verletzt wurden.[1]

Exportanstiege nicht „grün“

Zwar gibt die Heckler & Koch AG (H&K) im aktuellen Konzernlagebericht an, dass der Umsatz auch 2022 zu 100 Prozent in „grünen Ländern“ erfolgt sei. Ein Blick in die Zahlen zeigt jedoch einen deutlichen Anstieg des Umsatzes in Ländern, die nicht darunterfallen (Rest der Welt) von 126.000 Euro in 2021 auf 644.000 Euro in 2022. Es werden also weiterhin Geschäfte in Ländern getätigt, bei denen die H&K vorgibt, keine Waffenlieferungen mehr vorzunehmen. Hinzu kommt, dass die Kategorisierung, welche Länder als „grün“ gelten oder zum „Rest der Welt“ zählen, weiterhin nicht einfach nachvollziehbar ist. Die Kriterien und Risikoanalysen von H&K hierzu sind nicht transparent, sollten aber aufgrund ihrer sicherheitspolitischen Brisanz und der mitunter tödlichen Folgen öffentlich nachvollziehbar sein.

Die Exportstrategie, nach der H&K „grundsätzlich (…) nur Staaten (beliefert), die der Europäischen Union und/oder der NATO angehören oder NATO-gleichgestellt sind“[2], lässt weiterhin Ausnahmemöglichkeiten zu, da auch „ausgewählte Sicherheitspartner“[3] Deutschlands als „grün“ gelten können und Altverträge noch abgearbeitet werden. So lieferte H&K in den Jahren 2021 und 2022 (bis zur letzten Hauptversammlung) Waffen oder wesentliche Waffenteile beispielsweise an Jordanien, Katar, den Oman und Singapur. Antworten des Vorstands auf unsere Fragen auf der vergangenen Hauptversammlung ergaben, dass die Umsätze, die beispielsweise mit den Geschäften in Jordanien, dem Oman und Singapur erzielt wurden, unter „sonstige grüne Länder“ verbucht wurden. Auch beispielsweise Indonesien und Indien wurden als Länder genannt, die im Rahmen der „Grüne-Länder-Strategie“ belieferungsfähig sind.  

Das Wirtschaftsministerium hat in seinen Eckpunkten zum zukünftigen Rüstungsexportkontrollgesetz vorgeschlagen, den Länderkreis der NATO-gleichgestellten Staaten um Staaten wie Singapur oder Chile zu erweitern. Singapur ist den meisten zentralen Menschenrechtsverträgen nicht beigetreten.[4] In Chile wurden im Jahr 2019 soziale Proteste gewaltsam unterdrückt. Eine daraufhin in Aussicht gestellte Polizeireform ist bis heute nicht durchgeführt.[5] Der problematische Vorschlag des Wirtschaftsministeriums wird im H&K-Konzernlagebericht folgendermaßen kommentiert: „Dies käme einer Ausweitung des möglichen Kundenkreises im Sinne der Grüne-Länder-Strategie gleich“. Diese Bewertung zeigt: Die „Grüne-Länder-Strategie“ wird weiterhin Ausnahmemöglichkeiten zulassen und sich dabei hinter den Exportgenehmigungen der jeweiligen Bundesregierung verstecken, anstatt unabhängig strikte Kriterien wirksam werden zu lassen.

Die Möglichkeit von H&K-Lieferungen in Krisenregionen, in Länder, in denen die Menschenrechte verletzt werden oder Endverbleibsverstöße bekannt sind, müssen ab sofort und ausnahmslos enden. Dieser Mindestmaßstab muss auch für Altverträge gelten und unabhängig davon, ob es sich dabei um EU-, NATO- oder Drittstaaten handelt.

USA: „Serious fun“ statt Windrad-Idyll

Laut Gun Violence Archive sind in den USA im Jahr 2022 20.200 Menschen durch Schusswaffengewalt getötet worden. Weitere 38.550 Menschen wurden verletzt.[6] Währenddessen konnte sich H&K 2022 über einen Anstieg der Umsatzerlöse um rund 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 116,6 Millionen Euro im Segment USA-Zivil freuen. Damit das auch so bleibt, spricht das Marketing des Konzerns in den USA eine andere Sprache. Dort sind die H&K-Waffen nicht in den Händen freundlicher Sicherheitskräfte und neben Bekenntnissen zur Nachhaltigkeit und Fotos von Windrad-Idyllen abgebildet. In den USA versprechen H&K-Pistolen und -Gewehre ihren Käufer*innen auf dem Zivilmarkt vielmehr „serious fun“.[7] Angesichts des Leids der Betroffenen von Schusswaffengewalt und ihren Angehörigen ist das zynisch. Damit wird der Konzern seiner besonderen Verantwortung als Hersteller tödlicher Schusswaffen alles andere als gerecht.

Zu Tagesordnungspunkt 4: Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2022 nicht zu entlasten.

Begründung:

Der Aufsichtsrat ist seiner Aufgabe als Kontrollorgan des Vorstands nicht hinreichend nachgekommen und wird auch seiner historischen Verantwortung nicht gerecht.

Schmuggel-Risiko an der US-mexikanischen Grenze

Nicht nur die USA, auch Mexiko leidet unter einer Epidemie der Schusswaffengewalt. Schätzungen zufolge kommen mehr als 70 Prozent aller Waffen, die an Tatorten in Mexiko sichergestellt und zurückverfolgt wurden, aus den USA.[8] Im Oktober 2022 hat die mexikanische Regierung eine Klage gegen fünf Waffenhändler aus Arizona eingereicht, die sie beschuldigt, am illegalen Waffenschmuggel nach Mexiko beteiligt zu sein. In der Anzeige heißt es „Over the last 5 years, each of these Defendants is among the 10 dealers with the most crime guns recovered in Mexico and traced back to a dealership in Arizona. The ATF (Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives) has concluded that a high volume of crime guns traced back to a particular dealership is a trafficking indicator, suggesting that the dealer is engaged in unlawful sales such as straw sales.”[9] Anstatt solche Händler konsequent zu meiden, verweist H&K USA auf ihrer Internetseite bei der Händler-Suche explizit auf zwei der fünf Beschuldigten. Bei einem wird sogar für eine Indoor Range mit Vermietung von H&K Waffen geworben. Ein weiterer beschuldigter Händler, dessen Online-Shop von Deutschland aus einsehbar ist, führt H&K Produkte in seinem Shop. H&K stellt offensichtlich nicht ausreichend sicher, dass innerhalb der USA auf dem Zivilmarkt verkaufte Produkte nicht nach Mexiko weitergeschmuggelt werden können.

Weiterhin keine ausreichende Distanzierung von den menschenverachtenden Schandtaten des Firmengründers Edmund Heckler

Edmund Heckler, Mitbegründer und Namensgeber von Heckler & Koch, arbeitete sich in der Zeit des Nationalsozialismus als Prokurist bis in die Spitze der Hugo Schneider AG, der HASAG, hoch. Die HASAG war eines der größten Rüstungsunternehmen in der NS-Zeit und setzte während des Zweiten Weltkriegs Zehntausende von zivilen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen ein.

Als Oberingenieur der HASAG erhielt Edmund Heckler die Aufgabe, Zweigwerke aufzubauen. In dieser Zeit entstanden die Produktionsstätten in Berlin, Leipzig, Taucha und Altendorf. Heckler erwarb die Prokura bei der HASAG und leitete die drei letztgenannten Werke. Der Außentrieb Taucha war unter dem Betriebsleiter Heckler „NS-Musterbetrieb“.

Unter Hecklers Führung war die HASAG fester Bestandteil im System „Vernichtung durch Arbeit“ (siehe Neue Rottweiler Zeitung vom 07.09.2020). In einer Panzerfaust-Fabrik der HASAG mussten mehr als 1.000 KZ-Häftlinge aus den Konzentrationslagern Auschwitz, Buchenwald und Ravensbrück unter Zwang und unmenschlichen Bedingungen auch Waffen fertigen. Viele der Arbeiterinnen und Arbeiter wurden erschlagen oder erschossen.

Die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) hat im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung im Auftrag des Unternehmens klargestellt, dass man davon ausgehen müsse, dass Edmund Heckler von den grausamen Bedingungen in der Fabrik wusste. Damit trug er massiv Mitverantwortung. Im heutigen Unternehmen ist dieser Umstand seit Längerem bekannt. Dennoch hat der Aufsichtsrat der H&K AG noch immer nicht die notwendigen Konsequenzen aus den Studienergebnissen gezogen.

Für uns Kritische Aktionär:innen ist klar: Ein führender nationalsozialistischer Scherge, der den Tod zahlreicher Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter mitverantwortet, darf in einem vermeintlich humanistisch geprägten Unternehmen keinesfalls Namenspatron sein.

Der Aufsichtsrat der H&K AG muss endlich seiner Verantwortung gerecht werden. Dazu gehören eine klare Distanzierung von den menschenverachtenden Schandtaten des Firmengründers Edmund Heckler und die Umbenennung der Heckler & Koch-Gruppe mit ihren Beteiligungsgesellschaften bzw. Tochterunternehmen im In- und Ausland. Die Opfer, und im Falle ihres Todes die Angehörigen, der grausamen Geschäftspolitik der HASAG müssen angemessen finanziell entschädigt und unterstützt werden.

Zu Tagesordnungspunkt 7a: Ergänzung der Satzung in Ziff. 13 um eine Ermächtigung des Vorstands, die Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung vorzusehen

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Beschlussvorschlag von Aufsichtsrat und Vorstand abzulehnen, den Vorstand zu ermächtigen, über die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung entscheiden zu können.

Begründung:

Das Format und die Art und Weise, wie eine Hauptversammlung durchgeführt wird, betreffen elementare Aktionärsrechte. Daher sollte die Hauptversammlung und nicht der Vorstand darüber entscheiden, zu welchen Bedingungen bzw. in welchem Format zukünftige Hauptversammlungen durchgeführt werden sollen. Zudem sollte die Hauptversammlung auch darüber entscheiden dürfen, ob als weitere Option ein hybrides Format umgesetzt werden soll, welches die Vorteile einer Präsenz-Hauptversammlung mit jenen einer rein virtuellen Veranstaltung vereint.

Während die meisten anderen Aktiengesellschaften eine solche Vorstandsermächtigung auf zwei Jahre begrenzen, möchte die Verwaltung den Vorstand gleich für ganze fünf Jahre ermächtigen. Über die Wahrung der eigenen Interessen der Aktionär:innen bei der Wahl des Hauptversammlungsformats sollten diese selbst entscheiden.

Kontakt und Informationen: Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, kritischeaktionaere.de, Ohne Rüstung Leben, ohne-ruestung-leben.de und RüstungsInformationsBüro, rib-ev.de


[1] https://www.gunviolencearchive.org/, GVA Seven Year Review

[2] https://www.heckler-koch.com/de/Unternehmen/Heckler%20-%20Koch/Gr%C3%BCne-L%C3%A4nder-Strategie

[3] Der H&K Vorstand auf der Hauptversammlung 2022.

[4] https://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/singapur/2022_Singapur.pdf, S. 24

[5] https://amerika21.de/2023/04/263376/gatill-facil-chile und https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/chile-menschenrechtsverletzung-sebastian-pinera-bundesregierung-export-loeschpistolen-chilenische-polizei

[6] https://www.gunviolencearchive.org/, GVA Seven Year Review

[7] https://hk-usa.com/heckler-koch-adds-serious-fun-to-mp5-sp5-lineup-with-rimfire-models/

[8] Factsheet zur ersten Klage Mexikos, die sich gegen Waffenhersteller richtet: https://stopusarmstomexico.org/wp-content/uploads/2021/10/Mexico-lawsuit-fact-sheet.pdf

[9] https://www.gob.mx/sre/documentos/civil-lawsuit-filed-in-the-u-s-district-court-for-the-district-of-arizona-on-october-10-2022, S. 17

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