Rede von Khadja Bedati

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Khadja Bedati. Ich spreche für die Jugendlichen der Westsahara und für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Ich bin hier, um meine Sorge darüber auszudrücken, dass die HeidelbergCement AG es allem Anschein nach nicht kümmert, die Rechte des Volkes der besetzen Westsahara zu achten und nicht die notwendige Zustimmung einholt, in unserem Land tätig zu sein.

Aktuell bestätigt die Karte der Auslandsaktivitäten von HeidelbergCement, dass Sie in der von Marokko besetzten Westsahara tätig sind. Im letzten vorliegenden Jahresbericht von Ciments du Maroc, ein Unternehmen, das seit dem 1. Juli2016 direkt zu HeidelbergCement gehört, wird diese Tatsache aber ignoriert. Es heißt dort, dass die Fabrik, die in der Nähe der Hauptstadt El Aaiún (Ajun) der besetzten Westsahara liegt, die gesamte Süd-Provinz von Marokko beliefert.

Mit dieser Art Engagement wird gegen internationales Recht verstoßen. Meine Damen und Herren, HeidelbergCement missachtet damit auch all die schönen, auf den Webseiten gemachten Versprechen in der eigenen Unternehmensstrategie. Ich komme darauf zurück.

Am 10. Januar 2018 hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes klargestellt, dass die Westsahara von Marokko besetzt wird, dass das humanitäre Völkerrecht für die Westsahara anwendbar ist und dass das Abkommen zwischen der EU und Marokko ungültig ist, da es die Westsahara miteinschließt.

Meine Damen und Herren, mein Land liegt in Nordwestafrika zwischen Marokko, Mauretanien und Algerien. „Sahara“ bedeutet im Arabischen „Wüste“, doch bietet unser Land mehr als Dürre und Sand: fischreiche Gewässer vor der Küste, Erdöl, Eisen und Gold und das zweitgrößte Phosphatvorkommen der Erde.

Nach dem Abzug der spanischen Kolonialherren 1975 wurde die Westsahara vom Nachbarland Marokko besetzt. Viele Sahrauis mussten vor der anrückenden Armee nach Algerien fliehen.

Während der Flucht wurden die Sahrauis mit weißem Phosphor und Napalm bombardiert.

In den Flüchtlingslagern leben mehr als 160.000 Menschen, die vollständig von humanitärer Hilfe abhängig sind. Sie leiden unter dem Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten und Zukunftsperspektiven. Der Wert des Phosphats von drei Schiffsladungen aus der besetzten Westsahara entspricht etwa der Höhe der humanitären Hilfe, die die sahrauischen Flüchtlinge in einem Jahr erhalten. Dabei sind sie die rechtmäßigen Eigentümer der Rohstoffe und Naturreichtümer.

Mit einem verminten und von Armeeposten überwachten Sandwall, der „Mauer“, hat Marokko die besetzten von den befreiten Gebieten der Westsahara getrennt. Mit 2.700 km ist dieser Wall 16 mal länger als die Berliner Mauer. Von den Sahrauis wird sie „Mauer der Schande“ genannt.

Bereits 1991 wurde die UN-Friedenstruppe MINURSO beauftragt, ein Referendum durchzuführen, das über den zukünftigen Status der Westsahara entscheiden soll. Die Abstimmung wird bis heute von Marokko blockiert.

Seit 27 Jahren herrscht bei uns weder Krieg noch Frieden. Die Sahrauis warten auf eine friedliche Lösung und fühlen sich von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen.

Immer wieder werden sahrauische Kinder, Jugendliche, Frauen und ältere Leute in den besetzten Gebieten misshandelt. Folter ist in den Polizeistationen und Militärkasernen an der Tagungsordnung.

Kein Land auf dieser Welt hat die marokkanische Annexion der Westsahara anerkannt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich im Dezember 2016 mit den Tätigkeiten der EU in der Westsahara befasst. Das Urteil vom Dezember ist eindeutig: Die Westsahara ist von Marokko zu unterscheiden und muss davon getrennt behandelt werden. Es wurde festgehalten, dass Marokko kein Recht hat, im Hinblick auf die Westsahara Verträge abzuschließen, ohne das Einverständnis der Polisario einzuholen, der anerkannten Vertretung des saharauischen Volkes.

HeidelbergCement scheint sich mit seinen Aktivitäten in der Westsahara nicht um die Rechte der Menschen der Westsahara zu kümmern. Es wird auch gegen die völkerrechtliche Position der Bundesrepublik verstoßen: „Die Westsahara ist von den Vereinten Nationen seit 1963 als sog. Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung („non-selfgoverning territory“) anerkannt und somit völkerrechtlich ein eigenständiges Hoheitsgebiet. Die Präsenz Marokkos in der Westsahara wird teilweise damit umschrieben, dass Marokko das Gebiet de facto verwalte. Allerdings versteht sich Marokko nicht als verwaltende Macht der Westsahara im Sinne der UN-Charta. Die verwaltende Macht übernimmt gem. Art. 73 b) der UN-Charta die Vorbereitung der staatlichen Unabhängigkeit des betreffenden Hoheitsgebietes. Eine staatliche Unabhängigkeit strebt Marokko für die Westsahara jedoch gerade nicht an.“ So ein Zitat aus dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 25. Mai 2016.

Gerade erst hat die Bundesregierung aus diesen Gründen deutlich gemacht, dass sie keine wirtschaftlichen Aktivitäten deutscher Unternehmen in der Westsahara unterstützt und auch keine Geschäfte über Exportkredit- und Investitionsgarantien absichert.

Es ist unklar, ob HeidelbergCement von der rechtmäßigen Vertretung der Bevölkerung der Westsahara die Zustimmung erhalten hat, im besetzten Gebiet operieren zu dürfen. Bislang haben weder HeidelbergCement noch in der Vergangenheit Italcementi auf die Bemühungen der Organisation Western Sahara Ressource Watch reagiert, die rechtliche Situation zu klären.
Es ist nicht hinnehmbar, dass HeidelbergCement nicht umgehend die Legalität einer seiner Zementfabriken in der Westsahara nachweisen kann. Es scheint vielmehr so, als ob HeidelbergCement nichts von seiner im besetzten Gebiet betriebenen Zementfabrik wüsste. Auf ihren Webseiten und in Berichten platzieren HeidelbergCement und seine Tochtergesellschaften das Zementwerk El Aaiún systematisch im falschen Land und behaupten, es befinde sich in Marokko. Jeder kann den Standort Foum el Oued bzw. Ajun googeln und bekommt korrekt die Lage in der Westsahara als von Marokko getrenntes Territorium angezeigt.

Bereits seit 12 Jahren besuche ich die Schule in Deutschland, in welcher uns von Anfang an nahegebracht wird, dass jeder Mensch ein Individuum ist, dessen Würde und Ehre es zu schützen und zu respektieren gilt. Des Weiteren lernen wir schon als Kinder, hier in Deutschland, dass jeder Mensch Rechte besitzt, die einzuhalten sind.

Von daher frage ich mich, aus welchem Grund werden eben jene Rechte in der Westsahara nicht beachtet oder gar völlig außen vorgelassen? Haben die Saharauis nicht die gleichen Rechte als Menschen, wie wir hier in Deutschland, wie sie uns nach Artikel 1 im Grundgesetz – “Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – verbrieft sind?

Während deutsche Unternehmen wie Siemens oder eben die Geschäftsführung von HeidelbergCement wegen kurzfristiger und kurzsichtiger Geschäftsinteressen die Rechte des saharauischen Volkes ignoriert oder bewusst missachtet, bemüht sich der ehemalige Bundespräsident, Horst Köhler, als Sondergesandter des UN-Generalsekretärs für die Westsahara um eine Konfliktlösung. Er scheint in Deutschland wenig Unterstützung zu finden, obwohl es den Interessen Deutschlands, auch seiner Unternehmen, doch dienen würde, wenn er erfolgreich eine gerechte Lösung für das leidgeprüfte saharauische Volk vermitteln könnte.

HeidelbergCement als traditionsreiches und in der Welt führendes Unternehmen in seiner Branche unterstützt mit seiner Tochtergesellschaft Ungerechtigkeit und verletzt das Recht.

Ich bin im Sommer wieder in den saharauischen Flüchtlingslagern und werde in unserem Jugendzentrum aus Deutschland berichten.

Mein Wunsch wäre es, davon zu erzählen,

  • dass in Deutschland Demokratie herrscht,
  • dass die weitsichtige Geschäftsführung und die Aktionäre der bekannten deutschen Unternehmen sich dem Kampf gegen Ungerechtigkeit und Armut tatsächlich verbunden fühlen,
  • dass sie sich Kritik an ihren allen Indizien nach illegalen Betrieben in der besetzten Westsahara auf ihrer Hauptversammlung angehört haben und positiv reagieren.

Das heißt, die deutschen Unternehmen ändern ihr Verhalten und dienen damit ihren langfristigen wirtschaftlichen Interessen und tragen gleichzeitig zur gerechten Lösung des Westsahara-Konflikts bei.

Abschließend habe ich folgende Fragen an Sie:

  1. Der Generalanwalt des Gerichtshofes der Europäischen Union hat am 10. Januar 2018 beurteilt, dass das Europäische Fischereiabkommen mit Marokko ungültig ist, da es die besetzte Westsahara mit einschließt. Angesichts dessen: Inwieweit hat HeidelbergCement Konsequenzen geprüft, internationales Recht zu respektieren?
  2. Gehen die Verträge mit der marokkanischen Regierung oder ihren Geschäftspartnern in irgendeiner Weise auf den rechtlichen Status des Gebietes ein, auf dem die Infrastruktur ihrer Fabriken gebaut ist?
  3. Der Europäische Gerichtshof urteilte 2016, dass der Einbezug der Westsahara in ein marokkanisches Handelsabkommen mit der EU internationales Recht verletzt, wenn das Einverständnis der Vertretung meines Volkes dafür nicht eingeholt wird. Hat HeidelbergCement versucht, dieses Einverständnis einzuholen?
  4. Wer hat Ihnen die Zustimmung gegeben, in dem Gebiet der Westsahara tätig zu sein?
  5. Welches Landesrecht ist laut HeidelbergCement für die Westsahara anzuwenden?
  6. Welche unternehmerischen und finanziellen Risiken bestehen für HeidelbergCement, wenn es der UNO gelingt, die Westsahara in Übereinstimmung mit internationalem Recht und mit den Wünschen meines Volkes zu dekolonialisieren?

Ich habe vorhin gesehen, dass Sie die Grenze zwischen Marokko und die Westsahara eingezeichnet haben und dafür danke ich Ihnen sehr. Denn die Westsahara ist kein Teil von Marokko und wird niemals ein Teil von Marokko sein!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

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