„Unser Widerstand ist keine symbolische Geste – er ist ein täglicher Überlebenskampf“: Rede von Janty Jie

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

Sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

Mein Name ist Janty Jie, ich vertrete die Organisation Watch Indonesia! e.V. Gemeinsam mit engagierten Ehrenamtlichen unterstützen wir mit der Kampagne „Save Kendeng“ die bäuerlichen Gemeinschaften im Kendeng-Gebirge (Zentraljava, Indonesien).

Heute überbringe ich Ihnen eine klare und eindringliche Botschaft der Betroffenen der Projektpläne Ihres Tochterunternehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir wenden uns heute mit äußerster Dringlichkeit an Sie.

Wir sind die Jaringan Masyarakat Peduli Pegunungan Kendeng – ein Zusammenschluss von Bäuerinnen und Bauern aus dem Kendeng-Gebirge. Seit Jahren kämpfen wir friedlich, aber mit aller Entschlossenheit gegen die fortschreitende Zerstörung des Kendeng-Karsts durch das Zementprojekt von PT Indocement, einem Tochterunternehmen Ihres Konzerns. Unser Widerstand ist keine symbolische Geste – er ist ein täglicher Überlebenskampf gegen ein sogenanntes Entwicklungsprojekt, das in Wahrheit nichts als rücksichtslose Zerstörung bedeutet.

Unsere Region Pati, der Projektstandort, trägt nicht umsonst den ehrenvollen Slogan „Pati – Land der Fischerei und Landwirtschaft“ (Pati Bumi Mina Tani). Dieser Slogan ist nicht nur symbolisch, sondern verkörpert die Lebensrealität in unserer Region, deren wichtigsten Einkommensquellen seit jeher Landwirtschaft und Fischerei sind. Pati gilt als eine der bedeutendsten Reis- und Nahrungsmittellieferanten für Zentraljava und ganz Indonesien. Doch das Projekt ihres Tochterunternehmen PT. Indocement im Kendeng-Gebirge wird unsere Lebensgrundlagen vernichten.

Seit Jahren leiden wir unter den Folgen der extraktiven Industrien in unserer Region – Überschwemmungen, Dürre, Umweltzerstörung, gesundheitliche Schäden, Verlust unserer landwirtschaftlichen Erträge und zunehmende Verarmung der ländlichen Bevölkerung. All das geschieht im Namen von Profit und unter dem Deckmantel von „Investition“. In Wahrheit handelt es sich um rücksichtslosen Raubbau – zulasten der Menschen, die seit Generationen mit und von dieser Natur leben.

Das gigantische Projekt von ihrer Tochtergesellschaft PT Indocement ist ein weiterer Schritt in diese fatale Richtung. Wir stellen klar: Wir haben diesen Eingriff in unser Land, in unsere Wälder und unser Wasser nie akzeptiert – und wir werden ihn niemals akzeptieren.

Unser Widerstand ist kein vages Unbehagen, sondern eine klare und über Jahre gewachsene Ablehnung. Proteste, Klagen, Märsche, symbolische Aktionen – unser Engagement ist unerschütterlich. Dass Ihr Unternehmen diesen Protest seit fast zwei Jahrzehnten ignoriert, ist ein Skandal für ein Unternehmen, das sich als grün ausgibt.

Die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache:

Das Kendeng Gebirge ist ökologisch hochsensibel. Laut der Strategischen Umweltprüfung sind Tragfähigkeit und Widerstandskraft des Gebirges bereits überschritten.

Die Region gehört zu den am stärksten von Naturkatastrophen gefährdeten Gebieten in Zentral- und Ostjava.

Die geplanten Eingriffe führen zu irreversiblen Schäden an der Wasserversorgung, mit einem jährlichen Verlust von fast 400 Millionen m³ Wasser für die Landwirtschaft.

Das Projekt wird die Existenz der indigenen Gemeinschaft Sedulur Sikep vernichten.

Mit dem Verweis auf Gerichtsurteile und gesetzliche Grundlagen rechtfertigen sie eine Investition, die potenziell verheerende Folgen haben könnte – während sie sich weigern, die vorliegenden Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Dass die Firma nun die Nutzung von Waldflächen beansprucht, die inzwischen unter staatlich geregelter gemeinschaftlicher Verwaltung stehen, ist ein weiterer Rechtsverstoß.

Sie verschließen die Augen und stellen Profite über Menschenrechte und ökologische Verantwortung. Wir sagen es unmissverständlich: Wir werden nicht weichen. Und wir werden nicht schweigen. Wir fordern, dass unsere Stimme nicht länger übergangen wird. Es geht um Leben. Es geht um Gerechtigkeit. Es geht um Zukunft.

Mit Nachdruck und in Solidarität,

das „Netzwerk der Menschen, denen das Kendeng Gebirge am Herzen liegt“

Sehr geehrter Vorstand, sehr geehrter Aufsichtsrat,

im September haben wir eine Online-Petition über WeAct gestartet, um das geplante Projekt zu stoppen. Bis heute haben 85.927 Menschen die Petition unterzeichnet – ein deutliches Zeichen dafür, dass sie die zerstörerischen Auswirkungen des Projekts erkannt haben. Diese gesammelten Unterschriften möchte ich Ihnen heute symbolisch überreichen.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen vier Fragen stellen:

  1. Warum wird ein Projekt weiterverfolgt, obwohl es in einem ökologisch hochsensiblen und bereits übernutzten Karstgebiet liegt? Wenn Sie – wie in Ihrer Stellungnahme betont – die Beiträge und Bedenken der lokalen Bevölkerung tatsächlich in Ihre Entscheidung einbezogen hätten, wäre dieses Projekt längst gestoppt worden.
  2. In der von Ihrem Tochterunternehmen erstellten Umweltverträglichkeitsstudie wird angegeben, dass die Mehrheit der Bevölkerung das Projekt befürworte und lediglich 37 % ablehnend gegenüberstehe. In einer unabhängig durch die lokale Bevölkerung gemeinsam mit externen Expertinnen und Experten erarbeiteten Umweltstudie hingegen wird eine Ablehnungsquote von 67 % festgestellt. Sind Ihnen diese abweichenden Ergebnisse bekannt?
  3. Wie gedenken Sie, den Widerspruch der Betroffener zu berücksichtigen, die sich seit Beginn der Projektplanung friedlich, sichtbar und nachdrücklich dagegenstellen – mit Aktionen, Gerichtsverfahren, internationalen Appellen und öffentlichem Druck?
  4. Wie sehen Sie in Anbetracht dieser Tatsachen Ihre Rolle in der zunehmenden sozialen Spaltung, ökologischen Destabilisierung und Missachtung der Menschenrechte vor Ort?

Wir erwarten von Ihnen nicht nur Antworten. Wir erwarten Haltung. Wir erwarten Konsequenzen.

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