Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats,
mein Name ist Jonas Neiber und ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um auf unseren Gegenantrag zu Top 3 aufmerksam zu machen. Wir empfehlen, den Vorstand der Hensoldt AG für das Geschäftsjahr 2022 nicht zu entlasten.
Wie komme ich zu dieser Empfehlung?
Hensoldt ist dem UN Global Compact beigetreten und betont, dass Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen ein zentrales Thema für die AG ist. Die Unterzeichner des UN Global Compact bekennen sich dazu, internationale Menschenrechte zu unterstützen und zu achten sowie sicherzustellen, dass sie sich nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen. Dieses Bekenntnis steht jedoch in eklatantem Widerspruch zu Aktivitäten des Konzerns. Denn die Hensoldt AG hält weiterhin im Rahmen einer ehrgeizigen Wachstums- und trickreichen Internationalisierungsstrategie an Geschäften mit hochproblematischen Kunden fest!
So machen die Vertriebsstandorte in der Türkei, in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten deutlich, dass Hensoldt bereit ist, mit Staaten zu kooperieren, in denen Autokraten an der Macht sind… in denen die Menschenrechte massiv verletzt werden… und die in Kriege involviert sind – z.B. in Libyen, im Jemen und in Nordsyrien.
Auffällig ist zudem der Vertriebsstandort in Indien, da Hensoldt zugleich auch auf seiner Website auf mögliche Geschäftsbeziehungen mit Pakistan verweist. Somit werden anscheinend Geschäftsbeziehungen mit zwei Ländern unterhalten (oder zumindest ins Auge gefasst), zwischen denen es immer wieder zu Kampfhandlungen kommt. Gemäß den Bewertungen des Bonn International Centre for Conflict Studies werden alle genannten Länder in mindestens sechs der acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes für Rüstungsexporte als „kritisch“ oder „möglicherweise kritisch“ eingestuft.
Der Nahe Osten liegt nach Europa auf Platz zwei der Regionen, in denen Hensoldt im Jahr 2022 am meisten Umsatz erzielte. Sie werben mit der Beteiligung an zahlreichen aktiven Rüstungsprogrammen und langjährigen, engen Beziehungen zu Ländern in der Region. Hierfür kann die AG auch auf ihren Produktionsstandort in Südafrika zurückgreifen, denn von dort können Exportgeschäfte getätigt werden, die in Deutschland wohlmöglich nicht genehmigt werden würden. So können deutsche Rüstungsexportregularien systematisch umgangen werden. Medienberichte aus dem Jahr 2022 machen deutlich, wie Hensoldt trotz des deutschen Ausfuhrverbots in Saudi-Arabien um Aufträge buhlte – beispielsweise mit Hilfe des südafrikanischen Standorts. Dass die Hensoldt AG diesen falschen Weg fortsetzen will, hat der Konzern zuletzt durch eine Mitteilung von Hensoldt Südafrika anlässlich der größten Rüstungsmesse im Nahen Osten, der IDEX 2023, deutlich gemacht. In dieser beschreibt Hensoldt Südafrika den Nahen Osten als Schlüsselmarkt und begrüßt die Möglichkeit, weiter in diesem Markt zu wachsen.
Meine Damen und Herren,
die Hensoldt AG betont, sie halte sich an alle geltenden Regeln. Doch nicht alles, was legal ist, ist auch legitim! Der Konzern muss sich hier seiner unternehmerischen Verantwortung bewusstwerden und sie auch wahrnehmen!
Mit der Internationalisierungsstrategie, die Hensoldt unabhängiger von deutschen Exportregeln macht, setzt der Konzern auf eine Strategie der reinen Gewinnmaximierung. Wenn der Vorstand es hingegen ernst meint mit seinen Bekenntnissen zu Sicherheit und Nachhaltigkeit, muss dies bedeuten, sich von Kunden zu trennen, die Menschenrechte verletzen oder in völkerrechtswidrige Kriegshandlungen verstrickt sind!
Abschließend habe ich noch ein paar Fragen an Vorstand und Aufsichtsrat:
- Mit welchen Ländern unterhält die Hensoldt AG derzeit Geschäftsbeziehungen, die militärische Güter betreffen?
- Warum unterhält die Hensoldt AG anscheinend Geschäftsbeziehungen sowohl zu Pakistan als auch zu Indien – zwei Länder zwischen denen es immer wieder zu Kampfhandlungen kommt?
- Hat die Hensoldt AG in den Jahren 2018-2023 Verkaufsgeschäfte abgelehnt maßgeblich auf der Grundlage zum Schutz von Menschenrechten? Wenn ja, welche Länder hat dies betroffen?
- Wie hoch ist der Auftragsbestand in der Hensoldt AG für Produkte mit Endverbleib in Saudi-Arabien?
- Wie hoch ist der Auftragsbestand in der Hensoldt AG für Produkte mit Endverbleib in Ländern der MENA-Region?
- Welche Produkte werden jeweils an den ausländischen Produktionsstandorten in Südafrika, Frankreich und UK hergestellt? Bitte schlüsseln Sie die Antwort nach dem jeweiligen Produktionsstandort auf und auch, ob die jeweiligen Produkte nur dort exklusiv hergestellt werden.
- Für welche dieser Produkte bedarf es einer Exportgenehmigung aus a) Deutschland oder b) einem anderen Land?
- Was wurde von Südafrika aus in die MENA-Region exportiert? Bitte schlüsseln sie die Antwort nach Produkt und Empfängerland auf.
- Wie viel Prozent des Gesamtumsatzes der Hensoldt AG wurde durch Hensoldt Südafrika erwirtschaftet?
- Medienberichten zufolge erwog Hensoldt in einer Präsentation, »Argos-II«-Zielerfassungs- und Aufklärungssysteme zukünftig in Saudi-Arabien entwickeln zu lassen. Wie ist der aktuelle Stand zu diesen Plänen?
- An welchen Geschäften und Kooperationen ist die Hensoldt AG beteiligt, die unter das deutsch-französische oder deutsch-französisch-spanische Abkommen über Ausfuhrkontrollen im Rüstungsbereich fallen?
- Hensoldt liefert Teile für die Kampfflugzeuge Eurofighter und Tornado zu. In welche Länder wurden solche Kampfflugzeuge mit Hensoldt-Teilen exportiert? In welchen Ländern tätigt Hensoldt instandhaltungs-, wartungs- und servicebezogene Arbeiten in Hinblick auf diese Kampfflugzeuge?
- Mit Bewerbungsschluss zum 30. April 2023 hat Hensoldt vier Stellen in Saudi-Arabien als Customer Service Specialist ausgeschrieben. Wer sind die Kunden, die vom Customer Service Specialist in Saudi-Arabien betreut werden sollen?
- Welche externen (nicht karitativen) Interessenvertretungen wurden von Hensoldt in den Jahren 2022 und 2023 finanziell unterstützt? Wie hoch waren die einzelnen Leistungen jeweils?
- Welche PR- und Lobbyagenturen hat Hensoldt seit 2018 beschäftigt?
- Wie lange war jeweils die Vertragslaufzeit?
- Was war jeweils der genaue Zweck der Beauftragung der jeweiligen Agentur?
- Wie hoch waren jeweils die Kosten?
- Welche selbstständigen PR-Berater:innen oder sonstigen Personen, die die Interessen von Hensoldt im medialen und/oder politischen Raum vertreten, hat Hensoldt seit dem 1.1.2020 beschäftigt, was war jeweils der Zweck und welche Kosten sind dabei jeweils entstanden?
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bin gespannt auf Ihre Antworten.