Verbindliches Abkommen „Pay Your Workers – Respect Labour Rights“ statt Dividende: Unsere Gegenanträge

Zu TOP 2: Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 2022

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die von Aufsichtsrat und Vorstand vorgeschlagene Verwendung des Bilanzgewinns abzulehnen.

Begründung:

Ein höherer Teil des Bilanzgewinns sollte statt als Dividende vielmehr für effektive Maßnahmen verwendet werden, um strukturelle Probleme in den Lieferketten von Hugo Boss zu lösen, damit grundlegende Arbeitsrechte und Sozialstandards gewahrt werden können.

Hohes Risiko von Lohndiebstahl in den Lieferketten von Hugo Boss

Dazu gehört aktuell und dringend eine nachhaltige Beendigung der Industriepraxis von Lohndiebstahl, einschließlich der Nichtzahlung von gesetzlich vorgeschriebenen Abfindungen und Sozialleistungen sowie ein Ende der Verletzung von Gewerkschaftsrechten, die seit Beginn der Covid-19-Pandemie nochmals zugenommen haben. Es besteht ein hohes Risiko, dass solche Methoden auch in den Lieferketten von Hugo Boss vorkommen. Löhne, die nicht existenzsichernd sind oder Unterdrückung von Gewerkschaften dürfen nicht länger Teil der Grundlage des Geschäftsmodells von Hugo Boss und der daraus resultierenden Gewinne sein. Nicht zuletzt nehmen nicht nur die Reputationsrisiken, sondern auch die finanziellen Risiken zu, wenn Hugo Boss nicht nachweisen kann, den Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes hinreichend nachzukommen.

Strukturelle Probleme erfordern systemische Lösungen: Das verbindliche Abkommen „Pay Your Workers – Respect Labour Rights“ (PYW-RLR)

Das Ausmaß dieser Verstöße in globalen Lieferketten macht eine systemische Lösung erforderlich. Das verbindliche Abkommen „Pay Your Workers – Respect Labour Rights“ (PYW-RLR)[1], das von Gewerkschaften und Arbeitsrechtsorganisationen entwickelt wurde, bietet einen solchen strukturierten Ansatz zum Schutz der Grundrechte der Arbeitenden.

Ein Teil des Bilanzgewinns könnte beispielsweise dazu verwendet werden, damit Hugo Boss diesem Abkommen beitritt. So könnte ein effektiver Beitrag geleistet werden, um den COVID-bedingten Lohndiebstahl zu bekämpfen und das Recht der Textilarbeiter:innen auf Abfindungen sowie ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen zu schützen.

Das PYW-RLR-Abkommen würde Hugo Boss dazu verpflichten, gemeinsam mit den Zulieferbetrieben die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die Beschäftigten in der Beschaffungskette die seit der Pandemie geschuldeten Löhne und die gesetzlich vorgeschriebenen Abfindungen erhalten und dass die Rechte der Beschäftigten auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen respektiert werden. Das PYW-RLR-Abkommen und die damit verbundenen Mittel werden von einem Vorstand verwaltet, der sich aus einer gleichen Anzahl von stimmberechtigten Vertretern und Vertreterinnen der Marken und Zulieferbetriebe einerseits und der Gewerkschaften andererseits zusammensetzt und einen neutralen Vorsitzenden hat.

Dies erscheint uns weitaus effektiver als auch für Hugo Boss schon mittelfristig kostengünstiger und mit weniger Zeitaufwand verbunden als den bisher verfolgten Ansatz, nur auf bestimmte Fälle auf individueller Basis zu reagieren.

Lieferkettengesetz: Präventive Maßnahmen als Teil der gesetzlichen Anforderungen

Selbstverständlich entbindet ein Beitritt zum PYW-RLR-Abkommen nicht von der Verantwortung, auch eigenständig auf Missstände zu reagieren. Doch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz fordert auch angemessenen Präventiv- und Abhilfemaßnahmen ein, um die Risiken von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette zu reduzieren. Eine rein reaktive Risikoanalyse und Reaktionen erst dann, wenn es schon zu spät ist, entsprechen daher aus unserer Sicht nicht hinreichend den gesetzlichen Anforderungen. Werden diese nicht eingehalten, setzt sich Hugo Boss möglicherweise rechtlichen Konsequenzen aus – darunter Geldbußen und Strafen, Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und behördliche Maßnahmen. Es drohen Geldbußen von bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes.

Das PYW-RLR-Abkommen bietet sich als ein Teil der Maßnahmen an, die Hugo Boss ergreifen sollte, um den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachzukommen. Es bietet die Möglichkeit, proaktiv Verstöße gegen Arbeitsrechte in der eigenen Lieferkette zu verhindern oder zumindest abzumildern. Die Umsetzung der Vereinbarung würde Hugo Boss proaktiv dabei helfen, Risiken im Zusammenhang mit der Missachtung von grundlegenden Arbeitsrechten, einschließlich des Rechts auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen, zu erkennen und zu mindern.

Für Hugo Boss wäre das PYW-RLR-Abkommen eine kosteneffiziente Lösung, das mehrere kritische Aspekte des Lieferkettenmanagements, der Risikominderung und der Einhaltung von Gesetzen auf systematische und umfassende Weise behandelt.

Zu TOP 7: Satzungsänderung zu § 13 der Satzung

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Beschlussvorschlag von Aufsichtsrat und Vorstand abzulehnen, den Vorstand zu ermächtigen, über die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung entscheiden zu können.

Begründung:

Das Format und die Art und Weise, wie eine Hauptversammlung durchgeführt wird, betreffen elementare Aktionärsrechte. Daher sollte die Hauptversammlung und nicht der Vorstand darüber entscheiden, zu welchen Bedingungen bzw. in welchem Format zukünftige Hauptversammlungen durchgeführt werden sollen. Zudem sollte die Hauptversammlung auch darüber entscheiden, ob als weitere Option ein hybrides Format umgesetzt werden soll, welches die Vorteile einer Präsenz-Hauptversammlung mit jenen einer rein virtuellen Veranstaltung vereint.

Neue gesetzliche Möglichkeiten für virtuelle Hauptversammlungen werden nicht umgesetzt

Schon mit der Entscheidung, die diesjährige Hauptversammlung rein virtuell durchzuführen, hat der Vorstand unter Beweis gestellt, neue Möglichkeiten für eine aktionärsfreundliche Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten nicht nutzen zu wollen. So hat der Vorstand darauf verzichtet, den Aktionär*innen die Möglichkeit zu geben, ihre Fragen schon vorab schriftlich einreichen zu können und die Antworten dazu auch für alle transparent zu machen. So hätte das Frage- und Informationsrecht aller Aktionär*innen besser umgesetzt und zudem die Diskussion in der Hauptversammlung auf wichtige Punkte und Nachfragen fokussiert werden können.

Allgemein ist es kein guter Umgang mit Aktionär*innen, bereits eine Abstimmung exakt unter jenen Bedingungen durchzuführen, um deren Zustimmung Vorstand und Aufsichtsrat ja erst bitten.


[1] https://cleanclothes.org/file-repository/agreementsummarywithannex.pdf/view

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