„Was tun Sie, damit bei allen Ihren Zulieferern existenzsichernde Löhne gezahlt werden?“: Rede von Tilman Massa

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Tilman Massa, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten fordern wir von Hugo Boss deutliche effektivere Maßnahmen für die Umsetzung von Sozialstandards in den Textillieferketten von Hugo Boss ein.

Wir haben einen Gegenantrag zu Ihrem Vorschlag zur Verwendung des Bilanzgewinns eingereicht, den ich hiermit auf formal stelle.

Wir schlagen vor: Ein höherer Teil des Bilanzgewinns sollte für effektive Maßnahmen verwendet werden, um strukturelle Probleme in den Lieferketten von Hugo Boss zu lösen, damit grundlegende Arbeitsrechte und Sozialstandards gewahrt werden können.

Hohes Risiko von Lohndiebstahl in den Lieferketten von Hugo Boss

Abfindungs- und Lohndiebstahl und die Verletzung grundlegender Gewerkschaftsrechte sind seit langem Probleme in den globalen Textil-Lieferketten, die sich für die Beschäftigten seit der Pandemie nochmal verschärft haben. Wir sehen auch in Ihren Lieferketten weiterhin ein hohes Risiko, dass grundlegende Arbeits- und Sozialstandards sowie Gewerkschaftsrechte nicht hinreichend geachtet werden.

Herr Grieder: Zusammen mit der Kampagne Saubere Kleidung und einer Initiative, die von die von mehr als 280 Gewerkschaften und Organisationen weltweit getragen wird, fordern wir Sie auf, das verbindliche Abkommen „Pay Your Workers – Respect Labour Rights“ zu unterzeichnen. Das Abkommen schützt die Rechte der Textilarbeiter*innen auf ihren Lohn, Abfindungen sowie Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen.  

Dies haben wir auch bereits in unseren Gegenantrag vorgeschlagen. Sie haben dazu eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht. Darin schreiben Sie, dass Sie unseren Vorschlag bzw. das Abkommen „Pay Your Workers – Respect Labour Rights“ deshalb ablehnen, da dieses vorsieht, dass es bei Nichteinhaltung der Vereinbarung zu einem Stopp der Auftragsvergabe und zur Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Lieferanten innerhalb von 30 Tagen kommt.

Ich zitiere: „Dies kann HUGO BOSS nicht gutheißen, da wir grundsätzlich großen Wert auf langfristige Partnerschaften legen und uns als starken Partner an der Seite von Lieferanten sehen. Deshalb wollen wir Veränderung gemeinsam mit ihnen vorantreiben, Missstände beheben und sehen die Auflösung von Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten lediglich als die letzte Instanz.“

Bei allem Respekt: Bei Nichteinhaltung des Abkommens ist es bereits zu Verstößen grundlegender Arbeitsrechte gekommen. Wenn nachweislich Löhne nicht gezahlt werden oder gewerkschaftliches Engagement systematisch von Ihren Zulieferern verhindert wird, dann sind 30 Tage eigentlich noch ein sehr kulanter Zeitraum, um diese Missstände abzustellen. Solche Missstände sollen ja gar nicht erst auftreten, daher sollten sie mit Ihren Zulieferern präventiv den Grundsatz des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes „Befähigung vor Rückzug“ umsetzen – und nicht erst dann, wenn es zu spät ist und grundlegende Gewerkschaftsrechte schon verletzt worden sind. In solchen Fällen sollten Sie deutlich machen, dass ein Abbruch der Geschäftsbeziehungen nicht nur eine unwahrscheinliche Möglichkeit in ferner Zukunft sein könnte.

Dazu meine Fragen an Sie:

Selbstverständlich muss jeder Einzelfall im Kontext betrachtet werden. Doch welchen Zeitraum halten Sie für angemessen, bis wann ein Zulieferer grundlegende Arbeits- und Gewerkschaftsrechte vollumfänglich achtet, wenn es nicht 30 Tage sind?

Verstöße gegen das von uns vorgeschlagene Abkommen können unserer Ansicht nach sehr wohl die im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz definierten Fälle umfassen, die eine Beendigung der Zusammenarbeit mit Lieferanten zur Folge haben sollten. Sehen Sie hier keine Überschneidung und wenn ja, was sind genau die Bedingungen, was vorgefallen sein muss und in welchem Zeitraum keine Abhilfe geschaffen werden konnte? Bitte nennen Sie hier auch die konkret im Lieferkettengesetz genannten internationalen Rechtsnormen, vor allem die ILO-Kernarbeitsnormen.

Existenzsichernder Lohn:

Sie geben an, sich für eine progressive Verbesserung der Löhne nur bei einigen wenigen ausgewählten Pilotlieferanten bis 2025 einzusetzen. Was ist hier der aktuelle Stand und was sind hier die Probleme, bisher noch keine hinreichende Erhöhung der Löhne in Richtung existenzsichernder Löhne erreicht zu haben? Welche Maßnahmen ergreifen Sie, damit bei allen Ihren Zulieferern existenzsichernde Löhne gezahlt werden?

Kennen Sie die Anzahl Ihrer Produzenten, die einen gewählten Betriebsrat haben? Wenn ja, wie hoch ist der Anteil? Sind Sie bei Ihren Risikoanalysen auf Fälle gestoßen, bei denen gewerkschaftliches Engagement verhindert oder erschwert wird? Wenn ja, um wie viele und welche Zulieferer handelt es sich und wie reagieren Sie?

Beschwerden: Wie viele Beschwerden gab es über Ihren Beschwerdemechanismus oder Ihre Whistleblowing-Portal 2022 und zu welchen Themen?

Zwangsarbeitsrisiken bei Baumwolle aus Ostturkistan/China

Wie schätzen Sie aktuell das Risiko von Zwangsarbeit bei Baumwolle aus Ostturkistan/Xinjiang in China ein? Halten Sie Ihre Maßnahmen zur Vermeidung des Bezugs entsprechender Baumwolle weiterhin für hinreichend?

Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für Ihr China-Geschäft? Wie hoch schätzen Sie das Risiko ein, dass Sie in China aufgrund dieses Themas beispielsweise Boykott-Aufrufen ausgesetzt werden?

EU-Lieferkettengesetz

Das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) nimmt weiter konkrete Formen an. Vor zwei Wochen hat der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments seine Positionierung zum EU-Lieferkettengesetz beschlossen. Wie bewerten Sie diese Positionierung und werden Sie Einfluss auf den politischen Prozess nehmen?

Zu TOP 7: Satzungsänderung zu § 13 der Satzung

Wir lehnen Ihren Vorschlag ab, den Vorstand zu ermächtigen, über die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung entscheiden zu können.

Das Format und die Art und Weise, wie eine Hauptversammlung durchgeführt wird, betreffen elementare Aktionärsrechte. Daher sollte die Hauptversammlung und nicht der Vorstand darüber entscheiden, zu welchen Bedingungen bzw. in welchem Format zukünftige Hauptversammlungen durchgeführt werden sollen. Zudem sollte die Hauptversammlung auch darüber entscheiden, ob als weitere Option ein hybrides Format umgesetzt werden soll, welches die Vorteile einer Präsenz-Hauptversammlung mit jenen einer rein virtuellen Veranstaltung vereint.

Schon mit der Entscheidung, die diesjährige Hauptversammlung rein virtuell durchzuführen, hat der Vorstand unter Beweis gestellt, neue Möglichkeiten für eine aktionärsfreundliche Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten nicht nutzen zu wollen.

Wenn Sie das virtuelle Versammlungsformat als einen Schritt zu mehr und nicht zu weniger Aktionärspartizipation sehen, warum haben Sie dann darauf verzichtet, den Aktionär*innen die Möglichkeit zu geben, ihre Fragen schon vorab schriftlich einreichen zu können und die Antworten dazu auch für alle transparent zu machen? So hätte das Frage- und Informationsrecht aller Aktionär*innen besser umgesetzt und zudem die Diskussion in der Hauptversammlung auf wichtige Punkte und Nachfragen fokussiert werden können.

Planen Sie, die Möglichkeit einer hybriden Hauptversammlung zu prüfen? Bitte begründen Sie Ihre Antwort. Wissen Sie schon Pläne, ob die nächste Hauptversammlung rein virtuell oder wieder in Präsenz stattfinden soll?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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