Das Schweigen des BAFA

Gisela Burckhardt von FEMNET informierte auf der Jahrestagung des Dachverbands über Mängel des Lieferkettengesetzes

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre verlieh der Frauenrechtsorganisation FEMNET den Henry Mathews Preis 2024. (Alle Fotos: Herbert Sauerwein)

Auf seiner Jahrestagung am 14. September 2024 hat der Dachverband den konzernkritischen Henry Mathews an die Frauenrechtsorganisation FEMNET verliehen. FEMNET setzt sich seit 2007 erfolgreich für die Rechte von Frauen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der globalen Bekleidungsindustrie ein. Geehrt wurde auch die Mitbegründerin und Vorstandsvorsitzende des in Bonn ansässigen Vereins, Dr. Gisela Burckhardt.

Mitbegründerin, Impulsgeberin und Vorstandsvorsitzende von FEMNET: Gisela Burckhardt sprach auf der Jahrestagung über das Lieferkettengesetz.

Seit vielen Jahren engagieren sich Gisela Burckhardt und FEMNET in der Kampagne für Saubere Kleidung und im Bündnis für nachhaltige Textilien. Neben der vielfältigen Bildungs- und Projektarbeit sind Gisela Burckhardt und FEMNET-Mitarbeiterinnen auch aktiv auf Hauptversammlungen deutscher Textil- und Sportartikelunternehmen wie Hugo Boss, Zalando und Adidas, um von den Unternehmen die Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten in der gesamten Lieferkette zu fordern. Nach Inkrafttreten des Gesetzes hat FEMNET die Partnerorganisationen in Asien über das deutsche Lieferkettengesetz und die Möglichkeiten einer Beschwerde bei Arbeitsrechtsverletzungen und Umweltschäden informiert.

BAFA-Beschwerde von FEMNET und ECCHR gegen IKEA und Amazon
Bereits im April 2023 haben FEMNET und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) im Auftrag der lokalen Gewerkschaft in Bangladesch, der National Garment Workers Federation (NGWF), eine der ersten Beschwerden beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gegen IKEA und Amazon eingereicht. Beide lassen in Bangladesch in Fabriken produzieren, die nicht vom Brand- und Gebäudeschutzabkommen Accord überprüft werden, weil die beiden Großunternehmen bis heute nicht – im Gegensatz zu rund 200 anderen vorwiegend europäischen Textilunternehmen – den Accord unterschrieben haben. „Dies ist nicht nachvollziehbar, denn der Accord gewährt den besten Gebäude- und Brandschutz und führte zu einer besseren Sicherheitslage in den vom Accord geprüften Fabriken“, berichtete Burckhardt. „Die Gewerkschaft NGWF wies zudem Sicherheitsmängel wie fehlende Inspektionen aber auch andere Arbeitsrechtsverletzungen wie mangelnde Gewerkschaftsfreiheit in den Fabriken nach, in denen Amazon und IKEA produzieren lassen. Die zuständige deutsche Behörde hat zwar die Beschwerde geprüft und im August 2023 angenommen, womit der erste Schritt gemacht wurde. Doch seither herrscht Schweigen.“

„Auch wenn es erfreulich ist, dass es endlich nach langen Verhandlungen ein Gesetz in Deutschland gibt, stellt sich die Frage:  Warum sollten Arbeiter*innen eine Beschwerde bei der zuständigen deutschen Behörde einreichen, wenn sie keine Entschädigung erwarten können, sondern im Gegenteil womöglich ihren Job riskieren?“ so Burckhardt.

Kampf für Erstattung gestohlener Löhne: Chhorpesal Chhom, frühere Arbeiterin der Textilfabrik Hulu (Mitte) appelliert in einer Videobotschaft an Adidas.

Auf der Jahrestagung wurde ein Kurzvideo mit dem Appell kambodschanischer Textilarbeiter*innen gezeigt: „Wir, die ehemaligen Arbeiter*innen der Textilfabrik Hulu in Kambodscha, bitten Adidas, alles in seiner Macht stehende zu tun, um zu helfen, eine angemessene Abfindung in Übereinstimmung mit dem Gesetz zu bekommen“, so deren Sprecherin Chhorpesal Chhom.

Rückblick auf die Hauptversammlungen 2024
Die Vorstandsmitglieder Jens Hilgenberg und Christian Russau blickten auf die Hauptversammlungssaison 2024 zurück. Insgesamt nahmen der Dachverband und seine Mitgliedsorganisationen und Kooperationspartner an über 50 Hauptversammlungen teil.

Rückblick auf die Hauptversammlungssaison 2024: Jens Hilgenberg, Vorstandsmitglied des Dachverbands und Verkehrsreferent des BUND.

„Immerhin fanden davon 15 Aktionärstreffen wieder in Präsenz statt“, so Hilgenberg. „Aber die Mehrzahl der großen Dax-Konzerne blieb bei virtuellen Hauptversammlungen. Wir hielten 92 Reden und stellten 28 Gegenanträge.“
Thematische Schwerpunkte waren:
• die effektive Umsetzung des Lieferkettengesetzes
• die Beschleunigung von Klimaschutzmaßnahmen
• gewerkschaftliche Rechte in Zusammenhang mit Lieferkettengesetz.

„Grüner Wasserstoff in Brasilien darf nicht durch grünen Strom mit roten Blutstropfen aus Menschenrechtsverletzungen hergestellt werden!“ Christian Russau, Vorstandsmitglied des Dachverbands

Gemeinsam für menschenwürdige Löhne und Arbeitsbedingungen im Textilsektor
Im zweiten Panel der Jahrestagung waren Vivien Tauchmann und Christie Miedema von der Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign) per Video zugeschaltet. Es wurde deutlich, dass freiwillige Maßnahmen der Unternehmen für bessere Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten meist wirkungslos sind. Es braucht verbindliche Vorgaben für alle Unternehmen.

Tilman Massa vom Dachverband (rechts) moderierte das Panel mit Christie Miedema (links) und Vivien Tauchmann zu menschenwürdigen Löhnen im Textilsektor.

Im dritten Panel diskutierte Barbara Happe vom Dachverbandsvorstand mit Verkehrswende-Aktivist Tobi Rosswog und urgewald-Mitarbeiter Moritz Leiner über die besondere Herausforderung, Hauptversammlungen im digitalen Raum zu bespielen. Rosswog hatte bei der virtuellen Hauptversammlung der Porsche SE gezeigt, dass man mit kreativen Ideen der Selbstinszenierung der Konzerne wirksam begenen kann.

Hauptversammlungen: Ist das Kunst oder kann das weg“: Barbara Happe vom Dachverbandsvorstand tauschte sich mit urgewald-Mitarbeiter Moritz Leiner (Mitte) und Verkehrswende-Aktivist Tobi Rosswog aus.
Gruppenfoto aller Teilnehmenden der Jahrestagung

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