Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,
ich bin Liva Schäfer und spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionär*innen. Ich nehme Bezug auf unsere Gegenanträge, die ich hiermit auch formal stelle.
Ihre absoluten CO₂-Emissionen aus der Verbrennung von Flugkraftstoff durch Lufthansa-Flugzeuge im Jahr 2023 haben gegenüber 2022 um 16 Prozent auf nun 26,8 Millionen Tonnen zugenommen. Zudem blieb im Geschäftsjahr 2023 der „Effizienzgewinn hinter den Erwartungen zurück“, wie Sie selbst im Geschäftsbericht 2023 schreiben. Trotz ambitionierter Klimaschutzziele sind Sie weiterhin hauptsächlich auf fossile Kraftstoffe angewiesen.
- Für wie realistisch halten Sie es, angesichts der begrenzten Verfügbarkeit nachhaltiger Treibstoffe, den Anteil nachhaltiger Flugkraftstoffe bei Lufthansa-Flügen bis 2045 um 42 Prozent zu erhöhen, wie es das EU-Richtlinienpaket „Fit for 55“ vorsieht?
- Wie kann es sein, dass die entsprechenden Daten für die Scope 2- und 3 -Emissionen für das Berichtsjahr 2023 noch nicht vorliegen? Andere vergleichbare MDAX-Unternehmen haben das rechtzeitig zur Hauptversammlung geschafft. Wollen Sie damit von Ihrer Klimaschädlichkeit ablenken? Um Ihr netto Null-Ziel bis 2050 zu erreichen, ist eine zentrale Voraussetzung, dass Sie die Daten zu den Co2e-Emissionen auch entlang Ihrer Lieferkette vorliegen haben.
Die Klimaeffekte des Fliegens ergeben sich zusätzlich zur Freisetzung von Kohlendioxid aus dem Ausstoß von Stickoxiden, Aerosolen, Wasserdampf, Ruß und Sulfat-Aerosolen. Je nach Flughöhe und Umgebungstemperatur entstehen außerdem Kondensstreifen, die ebenfalls eine Klimawirkung haben.
- Wie sieht Ihre konkrete Strategie bezüglich der Reduzierung aller Scope 2- und 3-THG-Emissionen aus?
- Stimmt es, dass Sie planen, bei der Kompensation Ihrer Emissionen zum großen Teil weiterhin auf Offsetting setzen wollen – trotz aller Kritik? Inwiefern berücksichtigen Sie die Nicht-CO2-Effekte bei der Erreichung Ihres Netto null-Ziels bis 2050? Studien zeigen, dass die Nicht-CO2-Effekte des globalen Flugverkehrs dreimal so hoch sind wie die reinen CO2-Effekte.Warum setzen Sie auf weiteres Wachstum, anstatt die Priorität vielmehr auf den Umbau Ihrer bestehenden Flotte und auf die Entwicklung nachhaltigerer Transportmöglichkeiten zu legen?
In diesem Sommer soll die neue Lufthansa-Tochter City Airlines ihren Flugbetrieb aufnehmen. Dabei werden voraussichtlich sechs der neun Verbindungen innerdeutsch sein. Der Plan ist dabei nicht etwa die bisherigen Lufthansa-Verbindungen zu ersetzen, sondern das Kurzstreckenflugangebot sogar noch weiter auszubauen – mit großen Expansionszielen für die kommenden Jahre.
- Wie lässt sich der Ausbau der Kurzstrecken-Zubringerflüge mit Ihrer Beteuerung, Inlandreiseverkehr vom Flugzeug auf die Schiene verlegen zu wollen, vereinen?
- Steht dies nicht in Widerspruch mit Ihrem Bestreben, intermodale Transportangebote auszubauen?
- Inwiefern stehen Ihre ambitionierten konzerneigenen Klimazielen im Einklang mit einem gleichzeitigen Ausbau der Kurzstreckenflüge durch Ihre neue Tochter City Airlines?
Wollen Sie ernsthaft Ihre eigenen Klimaziele erreichen, dann müssten Sie die Einführung einer Kerosinsteuer ja begrüßen. Eine solche gäbe Ihnen tatsächliche Anreize zur Emissionsreduktion. Jedoch sprechen Sie sich gegen eine EU-Kerosinsteuer aus, da sie „ökologisch ineffektiv“ sei.
- Aus diesem Grund sollten Sie sich doch umso mehr für eine ökologisch effektive Kerosinsteuer einsetzen, anstatt diese grundsätzlich abzulehnen, oder?
- Des Weiteren sprechen Sie sich gegen die vollständige Einbeziehung des Luftverkehrs, u.a. von Zubringerflügen, in das EU-Emissionshandelssystem aus. Warum?
- Wie lassen sich die konzerneigenen Klimaschutzambitionen mit Ihren Mitgliedschaften vereinen, Herr Spohr? Sie waren 2022 Vorsitzender von Airlines for Europe, die sich aktiv gegen eine ehrgeizige EU-Klimapolitik für den Luftverkehr eingesetzt hat. Auch sind Sie Mitglied des Verwaltungsrats der International Aviation Transport Association (IATA), die sich gegen eine ehrgeizige Klimapolitik für den Luftverkehr ausgesprochen hat.
Jedes Jahr stecken Sie Millionen Euro in die Interessensvertretung, die sich wahrscheinlich eher weniger für Umweltbelange einsetzt. Für das Jahr 2023 bezifferte das Lobbyregister Ihre jährlichen finanziellen Aufwendungen im Bereich der Interessenvertretung auf 4.490.001 bis 4.500.000 Euro. Das ist fast doppelt so viel wie BMW und RWE für ihre Lobbyaktivitäten ausgeben.
- Wie können Sie das erklären? Könnten Sie das Geld nicht sinnvoller investieren, z.B. in die Entwicklung nachhaltiger Treibstoffe oder in den Ausbau nachhaltiger Transportmöglichkeiten?
Nach einer Warnung des Europäischen Verbraucherverbands haben die Europäische Kommission und die EU-Verbraucherschutzbehörden in einem Schreiben an 20 Fluggesellschaften – u.a. die Lufthansa – vergangenen Monat verschiedene Arten potenziell irreführender umweltfreundlicher Angaben aufgezeigten. U.a. die Verwendung des Begriffs „nachhaltige (Flug-)Kraftstoffe“, ohne dabei jedoch die Umweltauswirkungen solcher Kraftstoffe ausreichend zu berücksichtigen.
- Werden Sie in Zukunft die Auswirkungen von nachhaltigen Treibstoffen auf Umwelt und Mensch vermehrt berücksichtigen und in Ihre Klimaschutz-Kalkulation mit aufnehmen?
Die Deutsche Umwelthilfe hat Sie im Frühjahr dieses Jahres wegen irreführendem CO2-Neutralitätsversprechen und Greenwashing verklagt: Die DUH wirft Ihnen vor, Sie würden behaupten, dass die verursachten CO2-Emissionen Ihrer Flugreisen vollständig kompensiert werden könnten, obwohl Ihr Kompensationsmodell nur einen Bruchteil der schädlichen Klimawirkungen berücksichtigt und daher als Kompensationsrechner unzureichend ist.
- Bereitet Ihnen das zu denken?
- Greenwashing ist längst kein Kavaliersdelikt mehr. Wie hoch schätzen Sie die Rechtsrisiken und -kosten möglicher weiterer Klagen aufgrund von Greenwashing und/oder irreführender Werbung ein?
Last but not least: Ihr Vergütungssystem und Ihr Vergütungsbericht:
Der Vorstand von Lufthansa wird für Leistungen unter anderem in Bezug auf die Steuerungsgröße „Mitarbeiter“ (Engagement Index) belohnt, erhoben mittels der jährlichen freiwilligen Mitarbeiterbefragung „involve me!“, was zu 10 Prozent in den Jahresbonus 2023 eingeht. Angesichts erheblicher Tarifkonflikte mit den Lufthansa-Beschäftigten in 2023 ist das nicht glaubwürdig. Neben den „sozialen“ Zielen „Kunde“ und „Mitarbeiter“, die zusammen zu 20% als Teil des Geschäfts- und Nachhaltigkeitsziels in den Jahresbonus eingehen, wird im Rahmen der variablen Vergütung in 2023 nicht ersichtlich, inwiefern Nachhaltigkeitsziele im Sinne von Klima- und Umweltschutz als eigenständige Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden. Diese sollten als relevanter Vergütungsfaktor jedoch berücksichtigt werden, will die Lufthansa ihre konzerneigenen Emissionsreduktionsziele erreichen.
Zudem zeigen die jüngsten Tarifkonflikte mit den Lufthansa-Beschäftigten, die teils nur mit Warnstreiks bzw. Schlichtung gelöst wurden, dass auch das Lohngefälle innerhalb des Konzerns aus dem Lot geraten ist. Es waren in erster Linie die Beschäftigten der Lufthansa, welche u.a. mit Gehaltsverzichten die größten Lasten durch die Corona-bedingte Krise geschultert haben.
- Planen Sie eine Überarbeitung des Vergütungssystems im Bereich der Zielgrößen ESG/Nachhaltigkeit? Wenn ja, welche? Wenn nicht, warum nicht?
- Würden Sie in Bezug auf die soziale Komponente weitere Daten einfließen lassen, etwa die Anzahl nachweislich gelöster Arbeitskonflikte?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.